Kriterien zur Aufnahme eines Bibelbuches
Das prophetische Kriterium
Ein Kriterium war der prophetische oder apostolische Charakter eines Buches. Im Grunde genommen weist das gesamte Alte Testament einen prophetischen Charakter auf. Es beginnt mit dem Gesetz Mose, den fünf Büchern Mose. Von Mose wird in der Bibel gesagt, dass er ein Prophet sei (5. Mo 18,15.18). Nach hebräischer bzw. jüdischer Anordnung der Bibelbücher im Alten Testament folgen nach den fünf Büchern Mose die Propheten. Das sind die Bücher der früheren und späteren Propheten, die beispielsweise von Josua, Samuel, Jesaja, Jeremia, Hesekiel usw. geschrieben wurden. Auch die sogenannten „zwölf kleinen Propheten“ zählen zu der Gruppe der Propheten. Nicht allerdings Daniel, der nach jüdischer Auffassung zur Gruppe der Schriften gehört, obwohl das Buch selbst prophetisch ist.
Nach dem „Gesetz Moses“ und „den Propheten“ folgt die dritte Gruppe: „die Schriften“ oder „Psalmen“ (Lk 24,44). Sie weisen ebenfalls prophetischen Charakter auf. Ein Beispiel dafür ist David, der als Schreiber vieler Psalmen im Neuen Testament ausdrücklich „Prophet“ genannt wird (Apg 2,29.30).
Im Neuen Testaments wurden viele Bücher unmittelbar von Aposteln geschrieben. Drei der insgesamt acht Schreiber des Neuen Testaments gehörten sogar zu dem direkten Kreis der Jünger oder Apostel des Herrn Jesus (Matthäus, Johannes, Petrus). Paulus empfing sein Apostelamt vom verherrlichten Herrn (Röm 1,5). Jakobus wird ebenfalls zu den Aposteln gezählt (vgl. Gal 1,19; vgl. Apg 9,27). Andere Schreiber wie Markus, Lukas oder Judas werden nicht als Apostel bezeichnet. Dennoch zählen sie zu denjenigen, die aus der Gegenwart Gottes inspiriert durch den Heiligen Geist Worte Gottes aufschrieben. In diesem Sinne sind sie Propheten (Eph 2,20).
Alle 66 Bücher der Bibel erfüllen demzufolge das prophetische Kriterium.
Das Kriterium der Autorität
Auch die göttliche Autorität spielt eine wichtige Rolle. Jedes Buch der Bibel redet im Namen Gottes. In Folge dessen musste ein Buch Formulierungen wie „So spricht der Herr“, oder „Das Wort des Herrn geschah zu mir“, oder „Der Herr sprach zu mir“ oder ähnliche Ausdrucksweisen aufweisen. Diese Art der Formulierung fehlt beispielsweise in den Apokryphen. Bemerkenswerterweise findet man solche Ausdrücke auch nicht im Buch Esther. Dennoch wurde dieses Buch in den allgemeinen Kanon der Bibel aufgenommen, da das gesamte bewahrende Handeln Gottes in Bezug auf sein Volk sowie dessen Pläne und Vorhaben gegenüber den Juden darin zum Ausdruck kommt.
Das Kriterium geistlicher Kraft
Ein weiteres Kriterium für die Kanonizität eines Buches ist die „geistliche Kraft“. Sie spielte besonders dann eine entscheidende Rolle, wenn der prophetische Charakter eines Buches nicht sofort deutlich wurde, wie das im Buch Esther wohl der Fall ist. Doch Gottes Wort besitzt Kraft – auch das Buch Esther. Verschiedene Stellen in der Bibel verdeutlichen dies:
- „Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist“ (Heb 4,12).
- „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit“ (2. Tim 3,16).
- „Die ihr nicht wiedergeboren sein aus unverweslichem Samen, sondern aus verweslichem, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes“ (1. Pet 2,23).
- „…als Wort Gottes, das auch in euch den Glaubenden wirkt“ (1. Thes 2,13).
Kanonische Bücher sind also dadurch gekennzeichnet, dass sie geistliche Kraft offenbaren und Menschen ins Licht Gottes stellen. Sie sind „lebendig“, „wirksam“, „überführen“, „weisen zurecht“…
Das Kriterium der historischen und lehrmäßigen Genauigkeit
Ein kanonisches Buch musste zudem historisch authentisch sein. Es darf keine geschichtlichen Fehler aufweisen. Das apokryphe Buch Judith beispielsweise ist mit vielen historischen Fehlern durchsäht, weshalb es nicht inspiriert sein kann. Das bedeutet jedoch nicht, dass Bücher, die keine historischen Fehler aufweisen, automatisch in den Kanon aufgenommen wurden, siehe die anderen Kriterien.
Zudem war es wichtig, dass ein kanonisches Buch lehrmäßig und inhaltlich mit anderen kanonischen Büchern in seinen Aussagen übereinstimmen muss. Es darf keine Widersprüche geben. Von den Gläubigen in Beröa wird gesagt, dass sie das, was ihnen verkündigt wurde, anhand der Schriften prüften, um zu prüfen, ob es sich so verhielte (Apg 17,11). Im Gegensatz dazu gab es Bücher, in denen empfohlen wurde, Tote anzubeten. Solche Bücher widersprechen dem Wort Gottes und gehören ebenfalls nicht dem Kanon der Bibel an.
Das Kriterium der ursprünglichen Aufnahme
Ein ebenfalls entscheidendes Kriterium war, zu erforschen, wie ein Bibelbuch damals von den in erster Linie gerichteten Empfängern aufgenommen bzw. angenommen wurde. Spätere Generationen bemühten sich, es herauszufinden. Das erforderte oft Zeit und Mühe, weshalb es auch manchmal dauern konnte, bis bestimmte Bibelbücher allgemein als kanonisch angesehen wurden.
Fazit
Bei allen Überlegungen gilt jedoch festzuhalten, dass die beschriebenen Kriterien lediglich dazu dienten, festzustellen, ob ein Buch überhaupt kanonisch sein konnte oder nicht. Das wesentlichste Kriterium ist letztlich das des Heiligen Geistes. Denn dieser wirkte nicht nur in den etwa 40 Schreibern der jeweiligen Bücher der Bibel, sondern auch in den Empfängern, die durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes erkannten, ob es sich um ein autoritatives, durch den Heiligen Geist inspiriertes Buch handelte oder nicht. Gott sorgte dafür, dass die Empfänger sofort Klarheit besaßen. Daran gibt es keinen Zweifel. Dennoch war es notwendig, wie wir sahen, einen „offiziellen“ Kanon festzustellen, dass allgemein Klarheit über den Umfang der Bücher der Bibel bestand.
Quelle: bibelpraxis.de/a7573.html
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