Der neutestamentliche Kanon
Die endgültige Feststellung des neutestamentlichen Kanons nahm mehr Zeit in Anspruch, als die des Alten Testaments. Durch die unterschiedlichen Entstehungsorte der 27 neutestamentlichen Schriften, schwieriger Kommunikations- und Transportmittel bedurfte es durchaus einiger Zeit, bis sich die Schriften des Neuen Testaments verbreiteten, in Umlauf kamen und „flächendeckend“ bekannt wurden. Das geht auch aus den folgenden Zeugnissen hervor. Dennoch gibt es am Kanon des Neuen Testaments keinen Zweifel. Im Gegenteil. Spätestens seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. wurde dieser „offiziell“ bestätigt.
Ignatius und Polykarp
Ignatius und Polykarp zählten zu den ersten „Kirchenvätern“, die zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. lebten. Von ihnen ist bekannt, dass sie einen Unterschied machten zwischen ihren Schriften und den Schriften der Apostel. In einem Briefe schrieb Ignatius: „Ich möchte keine Befehle geben so wie Petrus oder Paulus: Sie waren Apostel“.
Justinus Martyrus
Eine ebenfalls interessante Aussage trifft Justinus Martyrus, auch ein Kirchenvater des 2. Jahrhunderts. Um etwa 150 n. Chr. spricht er von den „Gedenkschriften, die Evangelien genannt werden“ und den „Gedenkschriften der Apostel“, die neben den „Schriften der Propheten“ in den Gemeinden gelesen werden. Allerdings bleibt nach seiner Aussage noch offen, welche Evangelien und welche apostolischen Schriften ihrem Umfang nach dazuzählten.
Irenäus
Der Kirchenvater Irenäus bringt mehr Licht ins Dunkel. Irenäus war Bischof von Lyon und lebte bis etwa 200 n. Chr. Aus seinen Aufzeichnungen geht hervor, dass die vier Evangelien, die Apostelgeschichte, die Briefe des Paulus (Philemon?), der 1. Petrusbrief, der 1. und 2. Johannesbrief als auch das Buch der Offenbarung als kanonisch angenommen wurden. Der Jakobus- und Hebräerbrief zählten u.a. wohl noch nicht offiziell dazu.
Tertullian
Tertullian spricht um etwa 200 n. Chr. von den vier Evangelien, der Apostelgeschichte, 13 Briefe von Paulus, 1. Petrusbrief und 1. Johannesbrief, sowie der Judasbrief und das Buch der Offenbarung.
Der Kanon Muratori
Aus dieser Zeit stammt der sogenannte „Kanon Muratori“1. Er stellt eine Liste neutestamentlicher Bücher dar, die ein Mann Namens L. A. Muratori Mitte des 18. Jahrhunderts in Italien fand. Darin aufgelistet sind die vier Evangelien, die Apostelgeschichte, die 13 Briefe des Apostels Paulus, der Brief des Judas, Briefe des Johannes und das Buch der Offenbarung, außerdem zwei nichtkanonische Schriften. Leider ist die Liste nur noch teilweise erhalten, sodass nicht exakt gesagt werden kann, welche Schriften in dieser Liste noch gestanden haben könnten und welche nicht.
Origenes
Der Kirchenvater Origenes (185-253/254 n. Chr. ) veröffentlichte eine komplette Liste neutestamentlicher Bücher, die von den Christen im Allgemeinen anerkannt wurde. Allerdings soll es einige gegeben haben, die den Brief an die Hebräer, 2. Petrus-, 2. und 3. Johannes-, Jakobus- und den Judasbrief noch angezweifelt haben. Denselben Kanon erwähnt auch Eusebius aus Cäsarea im 4. Jahrhundert mit Ausnahme des Hebräerbriefes.
Athanasius
Die wohl älteste bekannte Liste aller 27 neutestamentlicher Bücher, wie sie auch in unseren Bibeln vorzufinden sind, findet sich bei Athanasius in seinem Osterbrief des Jahres 367 n. Chr.
Die Konzile in Hippo und Karthago
Einige Jahre später wurden auf den Konzilen in Hippo (393 n. Chr.) und Karthago (397 und 419 n. Chr.) die 27 Bücher des Neuen Testaments offiziell als Kanon der Bibel bestätigt.
Dabei gilt festzuhalten, dass auf diesen Konzilen kein Buch mit Autorität versehen wurde. Es wurde lediglich bestätigt, dass die 27 Bücher des Neuen Testaments, die im Allgemeinen schon als kanonisch angesehen wurden, zum Kanon der Bibel gehören und Gottes Wort sind.
Fazit
Die älteste Liste der 27 Bibelbücher stammt aus dem Jahr 367 n. Chr. Zu dieser Zeit hatte man im Allgemeinen schon Klarheit über den Kanon der Bibel gewonnen. Den Empfängern der jeweiligen Briefe war durch das Wirken des Heiligen Geistes allemal sofort klar, dass es sich bei den 27 Schriften des Neuen Testaments um Gottes Wort handelte.
Auf den Konzilen in Hippo und Karthago wurden die 27 neutestamentlichen Bücher später bloß „offiziell“ bestätigt. So wachte Gott auch in dieser Zeit über sein Wort und achtete darauf, dass alle Bücher erhalten blieben, die Er gegeben hatte. Ein Wunder Gottes! Wir besitzen sein Wort in vollem Umfang.
Fußnoten
- 1 Genau genommen handelt es sich um eine wohl im 4./5. Jh. n. Chr. erfolgte lateinische Übersetzung einer griechischen Vorlage aus der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr.
Quelle: bibelpraxis.de/a7571.html
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