Die Bibel – ihre Entstehung und Überlieferung (23) - Der Kanon der Bibel (5)

Lesezeit: 2 Min.

Flavius Josephus

Der gelehrte Jude und Geschichtsschreiber Flavius Josephus (37-100 n. Chr.), der zugleich ein Zeitgenosse der Apostel war, macht in seiner Schrift „Contra Apionem“, die er um 95 n. Chr. verfasste, eine interessante Ausführung zur Anzahl der heiligen Schriften der Juden (1. Buch, Paragraph 37-43). Darin spricht er von 22 Büchern1, die er in drei Gruppen teilt: 5 Bücher Mose, 13 prophetische Bücher und 4 „übrige“. Flavius Josephus zweifelte offenbar nicht daran, dass das gesamte Alte Testament vom Umfang her mit seinen 22 Schriften zu seiner Zeit bereits abgeschlossen vorlag und demzufolge auch der Kanon des Alten Testaments feststand.

Qumran

Unter den Schriftfunden in Qumran am Toten Meer befanden sich ebenfalls alle alttestamentlichen Schriften, wenn auch Teils nur bruchstückhaft, mit Ausnahme des Buches Esther. Die biblischen Funde stammen alle aus dem Zeitraum des 3. Jahrhunderts v. Chr. bis etwa 70 n. Chr. Das weist darauf hin, dass die Bücher, die kanonisch sind, damals bereits vorlagen.

Der Prolog des Enkels Ben Siras

Wir sahen bereits die Dreiteilung des Alten Testaments, von der der Herr Jesus in Lukas 24,44 sprach. Eine solche Dreiteilung gab es jedoch schon vor der Zeit Jesu. Zum ersten Mal wird sie im Prolog (Vorwort) des Buches Siras erwähnt2, das der griechische Übersetzer und Enkel Ben Siras schrieb. Im Allgemeinen wird dieser Prolog auf etwa 130 v. Chr. datiert.

Er spricht in diesem Vorwort von „dem Gesetz“, „den Propheten“ und den „übrigen Büchern“. Offensichtlich kannte man zu dieser Zeit schon eine Dreiteilung und nahm damit auch die Abgeschlossenheit des Alten Testamentes an. Dieses Zeugnis ist eines der ältesten und geht noch deutlich weiter zurück als das Zeugnis des Flavius Josephus.

Talmud

Interesserweise spricht der Talmud in dem Traktat Baba Bathra 14b/15a von insgesamt 24 Büchern des Alten Testaments und sagt gleichzeitig, dass die Propheten bis auf die Zeit Alexander des Großen prophezeiten3. Der Aussage des Talmud nach wurde der Kanon des Alten Testaments mit dem Buch Maleachi etwa 400 v. Chr. abgeschlossen.

Fazit

Es gibt also keinen Grund zur Annahme, dass der Kanon des Alten Testaments erst im 1. Jahrhundert n. Chr. oder sogar später abgeschlossen wurde bzw. feststand. Wie wir sahen, gehen die ältesten bekannten Zeugnisse über die Abgeschlossenheit des alttestamentlichen Kanons auf das 2. Jahrhundert vor Christus zurück.

Aus den unterschiedlichen Zeugnissen wird ebenfalls deutlich, dass die Apokryphen von den Juden nie als Gottes Wort anerkannt wurden und damit auch nicht zum Kanon dazuzählten. Von Anbeginn an hat Gott über sein Wort gewacht und Sorge getragen, dass kein menschliches Machwerk in seinem Wort Eingang fand.

Fußnoten

  • 1 Die Anzahl von 22 Büchern erklärt sich dadurch, dass Flavius Josephus das Buch Ruth wohl zu Richter, die Klagelieder zu Jeremia und das Dodekapropheton (die 12 kleinen Propheten) als ein Buch zählt, sowie die Bücher Samuel, Könige und Chroniker als auch Esra und Nehemia ebenfalls jeweils als ein Buch ansieht. So ergibt sich die Anzahl von 22 Büchern. Zählt man die Bücher einzeln zusammen, ergibt sich die Summe von 39 Büchern - so, wie sie in unseren Bibeln vorzufinden sind. Der Inhalt ist in beiden Fällen jedoch derselbe!
  • 2 Das Buch Sirach ist ein Apokryphen-Buch, das nicht zum Kanon der Bibel gezählt wird, wie auch alle anderen Apokryphen nicht inspiriert sind.
  • 3 Der Talmud, wie auch andere Quellen sprechen von 24 Büchern, da man wohl die Bücher Ruth und Klagelieder für sich nimmt.
Beitrag teilen

Artikelreihe: Die Bibel – ihre Entstehung und Überlieferung

Verwandte Artikel

Die Bibel – ihre Entstehung und Überlieferung (19) - Der Kanon der Bibel (1) Wenn die Bibel Gottes Wort ist, gilt es nicht nur auf die Art der Überlieferung zu achten, sondern auch auf die Frage, was die Bibelbücher eigentlich von religiösen, nicht von Gott inspirierten Schriften unterscheidet. Anders ausgedrückt: Welche ... Artikel lesen
Die Bibel – ihre Entstehung und Überlieferung (20) - Der Kanon der Bibel (2) Manuel Walter Im letzten Artikel sahen wir, dass das wesentliche Kennzeichen eines Bibelbuches göttliche Autorität ist, die es aufgrund der Inspiration besitzt. Allein diese Bücher bilden den Kanon der Bibel. Nun schauen wir uns in weiteren Artikeln an, was ... Artikel lesen
Die Bibel – ihre Entstehung und Überlieferung (21) - Der Kanon der Bibel (3) Manuel Walter Nachdem wir uns im letzten Artikel mit der Dreiteilung des Alten Testaments beschäftigt haben und gesehen haben, dass zur Zeit des Herrn Jesus das Alte Testament bereits abgeschlossen vorlag, schauen wir uns nun biblische Hinweise im Alten ... Artikel lesen
Die Bibel – ihre Entstehung und Überlieferung (25) - Der Kanon der Bibel (7) Manuel Walter Nachdem wir uns „innerbiblische“ und „außerbiblische“ Zeugnisse angeschaut haben, schauen wir uns nun den Grund an, warum es überhaupt notwendig war, einen „offiziellen“ Kanon der Bibel festzulegen. Dabei werden wir sehen, dass es ... Artikel lesen
Die Bibel – ihre Entstehung und Überlieferung (22) - Der Kanon der Bibel (4) Manuel Walter Im letzten Artikel ging es um biblische Hinweise mit Blick auf die Schriften des Alten Testaments, die das Neue Testament bestätigt. In diesem Artikel geht es nun um den Kanon des Neuen Testaments, wie dessen Schriften ebenfalls als Gottes Wort ... Artikel lesen
Die Bibel – ihre Entstehung und Überlieferung (24) - Der Kanon der Bibel (6) Manuel Walter Im letzten Artikel haben wir uns mit dem Kanon des Alten Testaments beschäftigt und gesehen, dass dieser bereits im 2. Jahrhundert v. Chr. nachweislich feststand. In diesem Artikel geht es um den Kanon des Neuen Testaments. Auch dieser liegt ... Artikel lesen