Die Bibel – ihre Entstehung und Überlieferung (12) - Griechische Handschriftenfunde des Neuen Testaments (3)

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Nun wollen wir uns weiteren Gruppen zuwenden, wie etwa den Minuskeln, den Lektionaren und den alten Übersetzungen, die ebenfalls für die Textkritik (nicht zu verwechseln mit der Bibelkritik) von Bedeutung sind.

Minuskelhandschriften

Bei den Minuskelhandschriften handelt es sich um griechische Handschriften, die aus Kleinbuchstaben bestehen, die miteinander verbunden sind – wie eine Art „Schreibschrift“.

Die Minuskelhandschriften stellen die größte Gruppe der neutestamentlichen griechischen Handschriften dar. Die Anzahl beläuft sich etwa auf 2962 Manuskripte. Sie datieren aus dem 9.–16. Jahrhundert. Der größte Teil der Minuskeln weist den sogenannten byzantinischen Mehrheitstext auf (auch Reichs- bzw. Koinetext genannt). 

Eine bedeutende Minuskelhandschrift ist die Minuskel Nr. 33. Im 19. Jahrhundert nannte man sie „die Königin der Minuskeln“. Dabei handelt es sich um eine Handschrift aus dem 9. Jahrhundert, die bis auf die Offenbarung das ganze Neue Testament und einige Teile des Alten Testaments enthält. Heute liegt sie in der Nationalbibliothek von Frankreich. Auch die Minuskel Nr. 81 aus dem 11. Jahrhundert ist bedeutsam, da sie einen sehr guten Text der Apostelgeschichte bietet.

Die älteste gefundene Minuskel ist die Evangelien-Minuskel 461 aus dem Jahr 835 n. Chr., die heute in Sangt Petersburg, in Russland liegt.

Die Lektionare

Neben den Minuskeln gibt es eine weitere Gruppe griechischer Handschriften – die Lektionare. Diese Gruppe umfasst aktuell etwa 2486 Manuskripte.

Die Lektionare enthalten den Text der neutestamentlichen Bücher nach Themen geordnet (Perikopen), wie sie die Leseordnung der Kirche vorgab. Daher auch der Name. Das Lektionar ist ein liturgisches Buch mit biblischen Lesungen des Kirchenjahres.

Genutzt wurden die Lektionare in Gottesdiensten, zu deren Anlass sie vorgelesen wurden. Der Großteil dieser Lektionare entstand zwischen dem 7. und 12. Jahrhundert. Wenige Fragmente sind aus dem 4. bis 6. Jahrhundert bekannt.

Einige dieser Lektionare beinhalten nur die Evangelien. Andere wiederum nur die Briefe des Neuen Testaments – mit Ausnahme der Offenbarung, die nach dem byzantinischen Lektionarsystem nicht vorgelesen wurde. Zudem gibt es Lektionare, die beides, sowohl die Evangelien als auch die Briefe aufweisen.

Alte Übersetzungen

Hinzu kommen die antiken Übersetzungen, die ebenfalls für die Erforschung des Grundtextes herangezogen werden. Allerdings haben sie nicht das gleiche Gewicht wie die griechischen Handschriften. Es kommen auch nur solche Übersetzungen als Hilfsmittel in Frage, die entweder direkt aus dem Griechischen übersetzt wurden oder die, sofern sie auf der Grundlage einer anderen Übersetzung beruhen, mit dem griechischen Text revidiert worden sind. 

Zu den wichtigsten Übersetzungen zählen die syrischen, die koptischen und die lateinischen, wozu auch die Vulgata aus dem 4./5. Jahrhundert n. Chr. zählt.

Fazit

Bis heute konnten etwa 5700 griechische Handschriften gefunden werden. Durch diese hohe Anzahl ließ sich der Text des Neuen Testaments systematisch erforschen. Unklarheiten konnten weitestgehend beseitigt werden. Dafür dürfen wir Gott immer wieder danken. Denn in Zeiten moderner Bibelkritik hat Er dafür gesorgt, dass griechische Handschriftenfunde ans Licht kamen, mit denen sich der ursprüngliche Text feststellen ließ, sodass wir das Neue Testament in einer Form besitzen dürfen, wie Er es vor knapp 2000 Jahren hat niederschreiben lassen.

„Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota und ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist“ (Mt 5,18).

„Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen“ (Mt 24,35).

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Artikelreihe: Die Bibel – ihre Entstehung und Überlieferung

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