Gefühle (FMN)

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Vielleicht empfindet es jemand, der den Autor kennt, als deplatziert, dass ein eher rationaler Mensch einige grundsätzliche Gedanken über den Christen und seine Gefühle schreibt. Aber vielleicht ist das sogar hilfreich, um Gottes Gedanken zu diesem Thema zunächst einmal erfassen zu können. Letztlich ist nicht entscheidend, in was für einer Weise man Gefühle in der Öffentlichkeit zeigt, sondern dass unser Herz für Christus, sein Wort und sein Werk schlägt.

Zum Einstieg

In der Elberfelder Bibel (CSV) finden wir das Wort „Gefühl“ dreimal im Neuen Testament, obwohl der in dieser Sprache eigentlich dafür benutzte Ausdruck (aistesis) nicht vorkommt. Einmal beschreibt Paulus die Haltung von Titus gegenüber den Korinthern: „Seine innerlichen Gefühle sind überströmend euch gegenüber, indem er sich an den Gehorsam von euch allen erinnert“ (2. Kor 7,15). Obwohl der geistliche Zustand der Gläubigen in Korinth sehr traurig war, hatte Titus eine positive Haltung ihnen gegenüber. Er hatte erlebt, dass sie dem Wort Gottes gehorsam gewesen waren. Das löste bei ihm sogar überströmende Gefühle aus.

Bei den Philippern waren innerliche Gefühle und Erbarmungen gegenüber Paulus vorhanden, was besonders durch die Gabe deutlich wird, die Paulus von ihnen erhalten hatte. Sie hatten an seiner Not teilgenommen (Phil 2,1; 4,14). Paulus wollte solche Hingabe und Gefühle aber besonders im Blick auf die Haltung Christus und allen Gläubigen gegenüber erwecken bzw. anspornen.

Wie oft war unser Herr selbst innerlich bewegt, als Er hier lebte und diente (vgl. Mt 9,36; 14,14; 15,32; 20,34). Er ist voll innigen Mitgefühls mit denen, die in notvollen Umständen leben, wie Hiob das einmal in extremer Weise erlebt hat (Jak 5,11).

Diese innerlichen Gefühle werden in Gottes Wort immer wieder, gerade wenn es um Gott wohlgefällige Empfindungen geht, mit dem Ausdruck „Eingeweide“ des Menschen verbunden (vgl. Phlm 7.12.20; vgl. 2. Kor 7,15; Phil 2,1), übrigens auch im Alten Testament (Spr 12,10 in negativer Hinsicht). Diese Gefühle sprechen von dem Innersten eines Menschen, das sich jemand anderem zuwendet.

Þ Wir erkennen: Gottes Wort spricht von Gefühlen, natürlich nicht nur, wenn von Herz, „Gefühlen“ und Eingeweiden die Rede ist. Sie werden in positiver Weise sowohl im Blick auf unseren Herrn als auch bei Gläubigen erwähnt. Aber es gibt auch negative Gefühle, die ebenso nicht verschwiegen werden.

Das Wort

An dieser Stelle ist es sinnvoll, die Wortbedeutung „Gefühl“ zu streifen. Interessanterweise gibt es bei Wikipedia keine Erklärung dafür, nur für „Fühlen“, was natürlich eng damit verwandt ist. Im klassischen „Brockhaus“ liest man, dass Gefühl mit dem persönlichen, individuellen Erleben zu tun hat, das sich einer unmittelbaren Erfassung entzieht. Gefühle sind demnach Erlebnisse wie Freude, Ärger, Trauer, Entsetzen, Zorn, Überraschung, Liebe, Antipathie, Aggression usw. und haben mit einem Erregungszustand zu tun, dessen Intensität unterschiedlich ausfällt. In uns Menschen hängen Gefühle eng mit der Tätigkeit des sogenannten vegetativen Nervensystems zusammen. Das heißt, sie entstehen oft ohne besondere Anstrengung und werden quasi automatisch ausgelöst. Häufig hängen sie bei uns auch mit aktuellen Stimmungslagen zusammen.

Hier gilt es, unbedingt zu unterscheiden zwischen Gott und uns Menschen. Auch von Gott lesen wir, dass Er beispielsweise zürnt (5. Mo 4,21; Röm 1,18 usw.). Bei Ihm ist es nie eine spontane Regung, wohl aber eine Reaktion auf das Verhalten des Menschen, sei es im Ungehorsam und in Auflehnung gegen Gott (Zorn usw.) oder sei es in Gehorsam und Unterordnung (Freude usw.).

Geistliche und ungeistliche Gefühle

Im Leben eines Christen wiederum können ganz unterschiedliche Arten von Gefühlen vorkommen. Und auch hier ist es nötig zu unterscheiden:

  1. Es gibt Gefühle, die nur ein bekehrter Mensch haben kann, weil sie zu dem neuen Leben des Erlösten gehören. Göttliche Liebe (agape); selbstloses und aufrichtiges Mitleid, wie Gott es Hiob gegenüber hatte; echte, tiefe Freude über das, was Gott uns schenkt und in Gläubigen bewirkt.
  2. Es gibt Gefühle, die ungläubige Menschen prägen und die in uns, die wir an den Herrn Jesus als Retter glauben, durch das sündige Fleisch bewirkt werden. Dazu zählen Neid und Streitsucht, Antipathie und auch Mutlosigkeit.
  3. Schließlich gibt es Gefühle, die manchmal durch den Geist Gottes gewirkt werden, in anderer Ausprägung aber durch unsere alte Natur aufkommen können. Dazu gehören beispielsweise Zorn, Angst, Eifersucht, Hass und Begeisterung.

Ein erklärendes Wort zu dieser dritten Gruppe. Sehen wir uns das Beispiel des Zorns an. Der Apostel Paulus schreibt dazu: „Zürnt, und sündigt nicht. Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn, und gebt nicht Raum dem Teufel“ (Eph 4,26.27). Es gibt das „Gefühl“ eines heiligen Zorns. Denken wir beispielsweise daran, wenn jemand die Herrlichkeit des Herrn Jesus angreift: Das sollte bei uns einen Zorn über diese Sünde auslösen. Dann aber besteht die Gefahr, weil wir noch das Fleisch in uns haben, dass aus dieser Gott wohlgefälligen Gesinnung ein fleischlicher Zorn wird. Unsere Gefühle richten sich über längere Zeit gegen das Fehlverhalten eines Gläubigen oder wir regen uns innerlich derart auf, dass wir die Kontrolle über unsere Worte und Gefühle verlieren. Dann sündigen wir selbst.

So können wir Angst haben zu sündigen (Gottesfurcht), aber wir können auch eine falsche Angst vor Menschen aufbauen (vgl. Spr 29,25). Wir können uns in einer guten Weise begeistern für die Dinge des Herrn, für sein Wort (frohlocken). Aber wir können auch in fleischlicher Weise einem begabten Bruder hinterherlaufen oder uns für sündige Dinge begeistern.

Gefühle annehmen

Bevor wir uns in diesem Heft jetzt einzelnen Gefühlen zuwenden, noch ein Wort dazu, wie wir mit Gefühlen umgehen sollten. Wir sind alle unterschiedlich, denn Gott hat uns individuell geschaffen. Gott sei Dank! Gefühlsorientierte Menschen tun sich manchmal schwer, eher rationale Menschen so anzunehmen, wie sie sind. Diese wiederum wissen manchmal nicht, wohin sie schauen sollen, wenn ein Gläubiger emotional auftritt. Lasst uns hier vom Herrn lernen, der die Menschen immer in Liebe aufgenommen hat, sofern es nicht um Ausbrüche der Sünde ging (!), die wir nie einfach „akzeptieren“ sollten.

Der Apostel Paulus schreibt uns: „Nehmt einander auf, wie auch der Christus euch aufgenommen hat, zu Gottes Herrlichkeit!“ (Röm 15,7). Das ist eine gute Ermunterung und Ermahnung auch für uns.

Rationale Menschen sollten bedenken, dass es krank machen kann, wenn man ständig versucht, Gefühle zu unterdrücken. Gerade in einer Ehe, aber auch im Miteinander als Gläubige ist es wichtig und nötig, Gefühle zuzulassen und auch in Worten auszudrücken. Emotionale Menschen wiederum können daran denken, dass Gott uns etliche Male dazu aufruft, nüchtern und besonnen zu sein (vgl. 1. Pet 4,7). Hier in Ausgewogenheit zu leben, hilft uns auch als Gläubigen in einem Miteinander, das Christus zum Mittelpunkt unseres persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens macht.

Folge mir nach – Heft 11/2022

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