Israel und die Zeiten der Nationen

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Die Liebe Gottes zu Israel

Gott hatte ja selbst gesagt: „Nicht weil ihr mehr wäret als alle Völker, hat der Herr sich euch zugeneigt und euch erwählt; denn ihr seid das geringste unter allen Völkern; sondern wegen der vielen Liebe des Herrn zu euch und weil er den Eid hielt, den er euren Vätern geschworen hat“ (5. Mo 7,7.8).

Es war die Liebe Gottes zu diesem Volk und der Eid, den Er geschworen hatte, sie zu erwählen. Er hatte sich ihnen zugewandt. Deshalb war es sein Volk.

Der Thron Gottes in Jerusalem

Dieses Volk bildete den Mittelpunkt der Nationen. Es hatte Jerusalem zur Hauptstadt. Dort war der Sitz der Regierung Gottes, der Thron des HERRN, auf den sich der König Salomo setzte „an seines Vaters David statt“ (1. Chr 29,23). Zu diesem Zeitpunkt standen die Könige in Israel noch unter der direkten Regierung Gottes. Ihre Aufgabe war es, nach Gottes Willen und Maßstäben zu handeln, so, wie sie im Gesetz Moses zum Ausdruck kommen. Doch leider handelten sie nicht immer danach, sodass ihre Herrschaft mit Schwachheit und durch Versagen gekennzeichnet war. Diese Untreue charakterisierte auch die übrigen Könige in Israel, sodass Gott mit Gericht eingreifen musste (vgl. Amos 3,2).

Das Gericht Gottes an Israel

Zwar hatte Er sich immer wieder um das Volk bemüht und durch Propheten wie Jesaja, Jeremia und Hesekiel das Volk zur Buße und Umkehr aufgerufen, doch in ihrem eigenwilligen Handeln waren sie nicht bereit, vor dem Götzendienst zu fliehen und ihre Sünden zu bekennen. So ließ Er zunächst die zehn Stämme, das Nordreich, im Jahr 722/721 vor Christus in die assyrische Gefangenschaft führen (2. Kön 17,22.23). Später wurden die beiden Stämme Juda und Benjamin, das Südreich, ins Exil nach Babel deportiert (2. Chr 36,5-21).

Von dieser Vertreibung, dem Gericht Gottes, hatte bereits der Prophet Jesaja gezeugt, indem er sprach: „Siehe, es kommen Tage, da alles was in deinem Haus ist und was deine Väter aufgehäuft haben bis auf diesen Tag, nach Babel weggebracht werden wird; es wird nichts übrig bleiben, spricht der Herr. Und von deinen Söhnen, die aus dir hervorkommen werden, die du zeugen wirst, wird man nehmen, und sie werden Hofbeamte im Palast des Königs von Babel sein“ (Jes 39,6.7).

Lo-Ammi

Diese Weissagung trat ein. Die Stämme Juda und Benjamin wurden in drei Etappen weggeführt. Mit der dritten Wegführungen unter dem König Zedekia wurde auch der Tempel und die Stadt Jerusalem zerstört (2. Chr. 36,18.19). In diesem Augenblick gab Gott seinen Thron in Jerusalem auf. Auch die Wolke der Herrlichkeit Gottes, die Schechina, wich (Hes 9-11). Mit diesen traurigen Ereignissen war zudem der Zeitpunkt gekommen, dass Gott sein Volk nicht mehr als „sein Volk“ anerkannte. Was Er durch den Propheten Hosea hatte vorhersagen lassen, traf nun ein: „Gib ihm den Namen Lo-Ammi; denn ihr seid nicht mein Volk, und ich will nicht euer sein (Hos 1,9).

Das Volk erlebte nun die Gefangenschaft in Babel, die gerechnet von der ersten Wegführung an (605 v. Chr.), siebzig Jahre dauern würde (Jer 25,11; 29,10), ehe sie unter dem Perserkönig Kyros zurück in ihr Land nach Jerusalem ziehen durften, um dort den Tempel und die Stadt mit ihren Mauern wieder aufzubauen (2. Chr 36,22.23; Esra 1,1-4; vgl. Jes 44,28).

Dennoch würde Jerusalem bis zum Kommen des Herrn in Macht und großer Herrlichkeit nicht mehr den Sitz der Regierung Gottes bilden. Nachdem die Herrlichkeit Gottes die Stadt verlassen und der Thron des HERRN aufgegeben worden war, veränderte sich alles. Erst mit der zukünftigen Erscheinung des Herrn Jesus und der Aufrichtung seines Reiches wird der Thron Davids wieder in Jerusalem „stehen“. Dann wird Jesus Christus der Regent sein, durch den Gott unmittelbar die Welt regieren wird.

Gott regiert vom Himmel aus

Von dem Augenblick an, als Gott seinen Thron in Jerusalem „aufgab“, war Israel nicht mehr das „Instrument“, durch das Er regierte. Die Regierung Gottes erfolgt nun indirekt vom Himmel aus, von dem aus Er die Geschehnisse in der Welt in der Weise lenkt, wie es seiner Vorsehung entspricht. Das finden wir besonders im Propheten Daniel, der viermal vom „Gott des Himmels“ spricht (Dan 2,18.19; 2,37; 2,44; vgl. Esra 1,2; Neh 2,4). Die Regierungsgewalt üben dabei die Herrscher der Nationen aus. Ihnen hat Gott die Verantwortung und Macht dazu gegeben.

Die Zeiten der Nationen

Durch das Versagen der Könige und des Volkes Israel hat Gott aufgehört, von Zion aus als Mittelpunkt zu regieren. Israel ist nicht mehr Haupt der Nationen. Nun sind sie den Nationen unterworfen. Daher der Ausdruck: „Zeiten der Nationen“ (Lk 21,24). Es ist offensichtlich, dass Israel als Nation noch zerstreut und den Nationen unterworfen ist und dass der Herr Jesus noch nicht in Herrlichkeit regiert. So leben auch wir heute noch in „den Zeiten der Nationen“.

Vier Weltreiche

In diesem Zeitabschnitt geht es um die Herrschaft der Nationen und um Weltreiche, die aufeinander folgen. Das erste Weltreich war das Babylonische. Darauf folgten das Medo-Persische, das Griechische, sowie das Römische. Während alle anderen vergingen, wird das Römische Weltreich in Zukunft wieder erwachen (Off 17,8). Dieses Reich hat also nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass die Weltreiche nicht nebeneinander sondern hintereinander existierten. Das hat seinen Grund. Gott hat in seiner Vorsehung dafür gesorgt, dass die Nationen nicht nur wie früher jeder seinen eigenen König besaßen, sondern die Nationen durch einen Weltherrscher, der über ihnen stand, regiert werden.

Dabei wird die Regierungsgewalt so lange in den Händen der Nationen liegen, bis der Herr Jesus hier auf der Erde sichtbar erscheinen wird.

Der Regent des Tausendjährigen Reiches

Mit Ihm wird in der Zukunft ein König auf der Erde sein, durch den Gott wieder unmittelbar regiert. Er wird sein Reich aufrichten, sich auf den zukünftigen Thron Davids in Jerusalem setzen und als König der Könige und Herr der Herren herrschen (Ps 2,6-9). Bei Ihm wird es keine Schwachheit und kein Versagen mehr geben. Er wird in vollkommener Übereinstimmung mit Gottes Gedanken handeln (Jes 11,2-5).

Der Überrest aus Israel

Mit seiner Erscheinung wird Er sich auch des zukünftigen Überrests aus Israel wieder annehmen. Die durch schwere Drangsal zur Buße gekommenen Juden werden dann in sein Reich eingehen und unter seiner Herrschaft als König gesegnet werden. Demzufolge hat Israel eine Zukunft. Es wird nicht für immer verstoßen sein, sondern nur für eine bestimmte Zeit, bis die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird (Röm 11,1.25.26).

Das Vorbild Daniel

Wir sahen bereits, dass wir heute in „den Zeiten der Nationen“ leben. In dieser „Zeitepoche“ lebten auch Daniel und seine Freunde Hananja, Misael und Asarja (Dan 1,6). Sie gehörten zu den ersten, die nach Babel verschleppt und sich am Hof des Königs Nebukadnezar wiederfanden (Dan 1,4).

Obwohl sie unter der Macht der Nationen standen und diesen unterworfen waren, bildeten sie einen treuen Überrest, den Gott sich in dieser finsteren Zeit aufrecht erhielt. In der schrecklichen Zeit des Abfalls hielten die vier treu an den Geboten Gottes fest und sonderten sich von allem ab, was Ihm missfiel (Dan 1,5.8.11). Für sie bedeutete das eine ernste Prüfung. Doch ihr Glaube und die Gemeinschaft mit Gott gaben ihnen die nötige Kraft, durch diese Prüfung zu gehen. Gott belohnte das Vertrauen und den Gehorsam dieser gottesfürchtigen Männer und segnete sie.

Damit stellt Gott uns beispielhafte Glaubensmänner vor (Röm 15,4), die uns zum Vorbild sind, damit auch wir in einer Zeit moralischer Finsternis unser Herz auf den lebendigen Gott und dessen Wort richten und uns von allem absondern, was Ihm und seinen Gedanken missfällt. Gott wird sich zu einer solchen Herzenshaltung bekennen und diejenigen segnen, die Ihm treu sind. So handelte Er bei Daniel und seinen Freuden zu Beginn „der Zeiten der Nationen“ und so handelt Er auch heute noch bei uns.

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