Das Paulus-Jahr
Menschen haben ein Bedürfnis nach Glauben, oder nach Religiosität, Spiritualität, dem Innerlichen. Da ist es gut, sich auf die Bibel zu gründen, die Gottes Offenbarung über die Beziehung Gottes zu den Menschen ist. Noch besser ist es, die (Botschaft der) Bibel im Herzen zu bewahren, um sie zu tun. Das mag für manche wenig Anziehungskraft besitzen. Daher suchen sie andere Stützen, um zu einem spirituellen Leben geführt zu werden. Die Römisch-Katholische Kirche nimmt diese Wünsche auf und setzt auf Tradition, teilweise vielleicht sogar auf Sentimentalität. So auch in diesem Jahr.
Seit Ende Juni hat sie das Paulus-Jahr ausgerufen und beruft sich auf Paulus neben Petrus als Mitgründer der Kirche von Rom, obwohl das neue Testament nur von der Versammlung Gottes (vgl. 1. Kor 1,2) und von der Versammlung (Gemeinde, Kirche) des Herrn Jesus (vgl. Mt 16,18) spricht. Der Herr Jesus, Gott, ist der Gründer der Versammlung, und diese besteht nicht aus einer unter vielen Kirchen, sondern aus allen Gläubigen seit dem Pfingsttag (Apg 2).
Das Geburtsjahr des Apostels Paulus kennen wir nicht genau. Wissenschaftler nehmen jedoch an, dass er zwischen 7–10 nach Christus geboren wurde. Daher könnte es stimmen, dass er in diesen Monaten 2.000 Jahre alt geworden wäre. Was aber ist von den Belehrungen dieses großartigen Dieners des Herrn übrig geblieben, wenn wir in die heutige Zeit, in unser Leben und das der Kirchen schauen? Damit jeder diese Frage für sich selbst beantworten kann, wollen wir in einem weiteren Artikel einige der Lehrpunkte des Apostels streifen.
Wir stehen als Gläubige immer vor der Herausforderung, unsere Auffassungen am Maßstab der Bibel auszurichten. Nicht immer ist das, was durch Menschen überliefert wird, mit Gottes Wort im Einklang – auch nicht, wenn es „im christlichen Raum“ verbreitet wird und viele es so glauben. Dies sagen wir nicht, um Menschen anzuklagen, die in einer bestimmten Kirche aufgewachsen sind und sich dort zu Hause fühlen. Solange die biblische Wahrheit, auch die des Apostels Paulus, unsere Herzen erreichen kann, werden wir geistlich wachsen können. Die Bereitschaft dazu wollen wir uns immer wieder neu im Gebet von dem Herrn Jesus erbitten.
Die Basilika St. Paul vor den Mauern
Der Auftakt des Paulusjahres wird in der Basilika St. Paul vor den Mauern (S. Paolo fuori le mura) in Rom stattfinden. An diesem geschichtsträchtigen Ort, der angeblich auch die Gebeine von Paulus in einem massiven Sarkophag beherbergt, werden leicht Emotionen geweckt. Oft ist es gerade das, was Menschen noch in Kirchen zieht. Das Empfinden von Gemeinschaft und „seelische Erhebung“ durch geistliche Lieder – das hat Gott für die Seele gegeben. Aber Vorsicht, wenn das Emotionale sich von Gottes Wort löst, sich zwischen uns und Gott schiebt.
Wir wissen, dass es nur die eine, wahre Kirche (Gemeinde, Versammlung) Gottes gibt, die der Herr Jesus in Matthäus 16,18 ankündigte: „Auf diesen Felsen werde ich meine Versammlung bauen“. Ihr Existenzbeginn auf der Erde wird in Apostelgeschichte 2 beschrieben. Selbst wenn man keiner menschlichen Kirche angehört, kann man dazu tendieren, sich durch geschichtsträchtige Orte oder Personen gefangen nehmen zu lassen. Ist jemand vielleicht beeindruckt, eine Türklinke zu benutzen, die schon William Kelly oder John Nelson Darby, zwei von dem Herrn Jesus besonders begnadete Lehrer des Wortes Gottes im 19. Jahrhundert, berührt haben – oder in einem Raum zu sitzen, in dem ein großer Mann Gottes gepredigt hat? Können sakrale Häuser und große Volksmengen an einem Ort uns nicht manchmal in eine Stimmung versetzen, die bei uns eine Gänsehaut auslöst und nachhaltig beeindruckt?
Nichts gegen Namen – aber wer darf sich auf Männer Gottes wie Luther, Darby, Georg Müller oder Brockhaus berufen? Nichts gegen die schöne Gemeinschaft mit (vielen) Geschwistern – aber machen diese Momente wahres Christentum aus? Entscheidend ist nicht, wer zu unserer „geistlichen Ahnenreihe“ zählt – die Gefahr ist, dass unser „Stammbaum“ den Wert und das Wirken unseres Herrn überschattet (vgl. 1. Kor 1,12). Der Herr Jesus selbst möchte unsere Herzen gefangen nehmen: „Ich habe euch einem Mann verlobt, um euch als eine keusche Jungfrau darzustellen … indem wir jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam des Christus“ (2. Kor 11,2; 10,5). Wir wollen uns über die Gemeinschaft mit Mitgläubigen freuen. Wir wollen uns auch von beeindruckenden Werkzeugen Gottes in der Kirchengeschichte belehren und anspornen lassen im Leben für den Herrn Jesus. Aber die erste Stelle unserer Zuneigungen sollen keine Orte und Personen haben, sondern unser Retter, Jesus von Nazareth, der bis heute der Verachtete ist.
Vollkommener Ablass
Einen letzten Punkt möchte ich an dieser Stelle noch aufgreifen. Benedikt XVI., der derzeitige Papst, gewährt in Verbindung mit dem Paulusjahr auch wieder einen Sonderablass: Alle Pilger, die während des Paulusjahres das Grab des Apostels in Sankt Paul vor den Mauern in Rom besuchen, erhalten einen „vollkommenen Ablass“, wenn sie vor der „Confessio“ des Apostelgrabs ein „Vaterunser“ sowie ein „Credo“ beten und Maria und den „heiligen Paulus“ im Gebet anrufen. Der Ablass ist nach römisch-katholischer Lehre ein Erlass einer zeitlichen Strafe vor Gott für Sünden, die „hinsichtlich der Schuld“ schon getilgt sind. Er wird durch die Hilfe der Kirche erhalten, „die als Dienerin der Erlösung den Schatz der Genugtuungen Christi und der Heiligen autoritativ austeilt und zuwendet“. Der vollkommene Ablass macht von der zeitlichen Sündenstrafe ganz frei. Ablässe können den Lebenden und den Verstorbenen zugewendet werden.
Was sagt die Bibel zu diesem Thema?
- „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, das er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“ (1. Joh 1,9). Sündenvergebung vor Gott gibt es nicht durch Menschen, auch nicht durch eine/die Kirche, sondern allein durch Gott selbst.
Es gibt auch eine Sündenvergebung durch Menschen, nämlich durch eine „örtliche Versammlung“. Diese Sündenvergebung wird dem gewährt, der eine Sünde, die zum Ausschluss aus der Versammlung geführt hatte (vgl. 1. Kor 5,13), bekannt hat und von diesem bösen Weg umgekehrt ist (vgl. das Lösen in Mt 18,18; 2. Kor 2,7). Es handelt sich dann nie um eine allgemeine Vergebung, sondern um das Vergeben einer ganz konkreten Sünde im Einzelfall. Und diese Vergebung wird keineswegs erlangt durch besondere Anstrengungen und Taten.
- Die Bibel zeigt uns, dass wir zu dem Herrn Jesus beten dürfen (vgl. z.B. Apg 7,59) und zu Gott, unserem Vater (vgl. z.B. Eph 1,3), oder zu Gott in seiner Allmacht und Schöpferherrlichkeit (vgl. Apg 4,24; Phil 1,3). Von Maria spricht die Bibel nach Apostelgeschichte 2 nicht mehr, geschweige denn von einem Gebet zu ihr. Wir finden auch kein einziges Gebet zu Paulus. Sie sind Menschen gewesen wie Du und ich. Sicher waren sie besondere Werkzeuge in der Hand Gottes – aber sie haben auch jetzt keine Sonderstellung vor Gott. Und sie waren Menschen, die einen Retter nötig hatten. Wir beten zu diesem Retter und zu unserem Gott – dem Vater und dem Sohn.
- Das Neue Testament spricht von Heiligen, wenn es lebende Gläubige meint (vgl. z.B. Eph 1,1). Heilig ist man in den Augen Gottes durch das Erlösungswerk des Herrn Jesus und durch die Heiligung des Geistes Gottes, der einen Menschen für Gott „zur Seite stellt“ (vgl. 1. Pet 1,2). Tote werden in der Schrift nicht „Heilige“ genannt und auch nicht heilig gesprochen.
- Der Herr hat Diener gegeben, welche die Kirche belehren (vgl. Eph 4,11.12). Die Kirche lehrt nicht, sie ist nicht „Dienerin der Erlösung“ (sondern hat den Tod des Herrn nötig, Eph 5,25) und besitzt auch keine Autorität, um Segen oder Ablässe auszuteilen.
- Verstorbene können nicht mehr gerettet werden. Ihnen kann auch keine Vergebung nachträglich geschenkt werden. Welche Bedeutung sollte im Übrigen die Befreiung von einer zeitlichen Sündenstrafe für Ungläubige haben, die Gott ihre Sündenschuld noch nie bekannt haben? „Es ist den Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht“ (Heb 9,27) – nach dem Tod kommt das Gericht für denjenigen, der sich nicht bekehrt hat. Ein Fegefeuer mit der Möglichkeit, Strafe abzusitzen, kennt die Bibel nicht. „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht“ (Heb 3,15).
Es ist nicht verkehrt, sich daran zu erinnern, was Gott uns durch den Apostel Paulus geschenkt hat. Noch besser ist es, dieses Geschenk „aufzumachen“ und genau zu betrachten. Denn viele Verhaltensweisen der Römisch-Katholischen Kirche stehen konträr zum Leben und zur Lehre von Paulus. Paulus und seine Botschaft wirklich zu genießen und im Leben zu verwenden, ist dagegen ein gutes Ziel.
Quelle: bibelpraxis.de/a1688.html