Die vielfältige Botschaft von Paulus

Lesezeit: 9 Min.

Paulus hat seine Briefe nicht eigenmächtig geschrieben. Seine Botschaften sind die Botschaften Gottes, der ihn inspiriert hat. Der Herr Jesus konnte gerade diesen Mann mehr als andere dafür benutzen, seine Botschaften an die Christen zu verkündigen. Denn Paulus war ein Mann, der seinem Herrn vielleicht am nächsten in seiner Hingabe stand, indem er nicht auf das Seine sah, sondern sich um das Wohl der Versammlung (Gemeinde, Kirche) sorgte (vgl. Phil 2,21.22). Zudem war Paulus auch im Blick auf die Nationen ein besonderes Werkzeug in der Hand seines Meisters: „Geh hin, denn ich werde dich weit weg zu den Nationen senden“ (Apg 22,21).

14 Briefe aus der Feder des Apostels

Diesem hingebungsvollen Diener des Herrn waren die Gläubigen so wichtig, dass er sich die Zeit nahm, 14 Briefe zu schreiben, die Gott ihm eingab. Einige davon haben eine beträchtliche Länge. Die Botschaft dieser Briefe – in Kurzformat (und natürlich unvollständig) – möchte ich einmal kurz durchgehen, um die gewaltige Vielfalt zu zeigen:

1. Römer: Gott möchte den Sünder nicht in der Hölle umkommen lassen, sondern streckt ihm in seinem Sohn, Jesus Christus, die Hand entgegen. Durch dessen Werk wird er gerechtfertigt (das heißt Gott sieht ihn in dem Herrn Jesus so, als ob er nie eine Sünde getan hätte) und von der Knechtschaft der Sünde befreit. Das trifft aber nur auf den zu, der den Tod des Herrn Jesus für sich persönlich in Anspruch nimmt.

2. 1. Korinther: Gott hat seine Versammlung hier auf dieser Erde. Sie soll ein Leben führen, das der Heiligkeit und Liebe Gottes selbst entspricht. In diesem Brief beschreibt Paulus die göttliche Ordnung in der örtlichen Versammlung und macht klar, dass sich Einheit (örtlich und weltweit) – der große Charakterzug der Versammlung als Leib Christi – und Vielfalt der Glieder innerhalb des Leibes nicht ausschließen, sondern gegenseitig bedingen.

3. 2. Korinther: Paulus war ein begnadeter Diener (vgl. Kap. 4,1). Doch dadurch war er nicht frei von großen Konflikten – sowohl vonseiten der Welt als auch vonseiten der Gläubigen. In diesem Brief zeigt er uns, was einen wahren Diener auszeichnet: Ausharren, Motivation, Demut und Liebe. In diesem Brief zeigt uns Paulus, welche Motive einen Diener zu seinem Dienst bringen sollen, und wie wir unseren Dienst ausführen sollen.

4. Galater: Dieser grundlegende Lehrbrief stellt klar, dass das Gesetz keinen Menschen erretten kann, und dass ein Christ, der meint, das Gesetz als seine Lebensregel einsetzen zu müssen, direkt gegen den Geist Gottes, der in ihm wohnt, ankämpft. Der Christ wird zu Fall kommen und andere ebenfalls mitreißen.

5. Epheser: In diesem Brief entfaltet der Apostel die Herrlichkeit der Versammlung, des Leibes Christi, wie Gott sie schon immer in seinem Ratschluss gesehen hat, als die Fülle (Vervollständigung) des Menschen Jesus Christus, der in sich selbst alles erfüllt.

6. Philipper: Dieser sehr praktische Brief von Paulus zeigt uns, worin wirklich christliche Erfahrungen bestehen, und wie Christus Lebensinhalt, -beispiel, -ziel und -kraft eines Christen sein soll.

7. Kolosser: Dieser Brief stellt das für den Epheserbrief fehlende Ergänzungsteil – Puzzlestück – dar. Der Epheserbrief betont die Herrlichkeit der Versammlung, des Leibes Christi. Der Kolosserbrief stellt uns die unfassbare Herrlichkeit Christi als Haupt des Leibes vor. Der Epheserbrief zeigt die himmlische Stellung des Gläubigen als mitsitzend in den himmlischen Örtern in Christus Jesus, während der Kolosserbrief den Gläubigen auf der Erde sieht, untrennbar verbunden mit dem Herrn Jesus, dem Haupt im Himmel.

8. 1. Thessalonicher: Das ist vermutlich der erste Brief, den Paulus schrieb. Dieser echte Hirtenbrief zeigt uns einerseits die Fürsorge des Herrn für die Seinen und behandelt andererseits die Entrückung der Gläubigen bei der ersten Phase des zweiten Kommens des Herrn Jesus.

9. 2. Thessalonicher: In diesem zweiten Brief entfaltet Paulus besonders die Wahrheit von dem Tag des Herrn. Er wird eingeleitet durch die zweite Phase des zweiten Kommens des Herrn Jesus, um den Antichristen und die ungläubige Welt zu richten.

10. 1. Timotheus: Wie durch den 1. Korintherbrief belehrt uns Paulus auch in seinem Brief an Timotheus über die Ordnung in der Versammlung Gottes. Aber im 1. Timotheusbrief geht es mehr um unser persönliches Verhalten und das bestimmter Gruppen (Frauen, Männer, Diener, Älteste), nicht so sehr um das Wesen der Versammlung als Leib Christi. Gottseligkeit – ein auf Gott ausgerichtetes Leben – ist hier ein wichtiges Stichwort.

11. 2. Timotheus: Der zweite Brief an seinen Freund und Diener Timotheus ist das Vermächtnis von Paulus. Es ist sein letzter Brief, den er ganz kurz vor seinem Märtyrertod schrieb. Sein Leben für Christus nahm seinen Anfang, nachdem er mit verantwortlich war am Märtyrertod des Stephanus – es endete mit seinem eigenen Märtyrertod. Und mit Blick auf seine Hinrichtung gibt der Apostel, der nicht sehr alt geworden ist, aber die Zeit, die der Herr ihm auf der Erde gegeben hat, mit großer Intensität genutzt hat, abschließende Anweisungen an Timotheus. Er fordert ihn auf, sich als treuer Knecht Gottes zu verhalten, selbst wenn alles um ihn herum sich untreu verhält. Dazu gehört auch, sich notfalls von Christen zu trennen, die sich nicht von Bösem fernhalten wollen.

12. Titus: Dieser Brief gehört – zusammen mit den beiden Timotheusbriefen – zu den sogenannten Pastoralbriefen von Paulus. Er enthält Ermahnungen an Titus, die besonders die äußere Ordnung in der örtlichen Versammlung im Blick haben, die durch die Mithilfe von Titus (und von uns) aufrecht erhalten werden soll. Ein besonderer Schwerpunkt in diesem Brief bildet die Beschreibung der Gnade und Güte unseres Retter-Gottes, die in dem Herrn Jesus auf dieser Erde erschienen ist und sichtbar gemacht wurde.

13. Philemon: Viele Christen haben sich gefragt, warum dieser außerordentlich persönliche Brief von Paulus an seinen Freund Philemon in den Kanon der Bibel aufgenommen wurde. Dieser kurze Brief zeigt in einzigartiger Weise die Liebesbeziehung, die zwischen Gläubigen besteht. Paulus beschreibt auch, wie Gott „hinter den Kulissen“ alles wirkt (und einen entlaufenen Sklaven geradewegs oder auf Umwegen in die Arme des Apostels schickt). Zudem bekommen wir ein wunderbares Bild, wie wir die Hingabe des Herrn Jesus, der sein Leben für andere gegeben hat, nachahmen können.

14. Hebräer: Der einzige Brief dieser „Reihe“, der seinen Verfasser nicht nennt; aber viele Hinweise lassen nur einen Schluss zu: Es kann nur Paulus gewesen sein. Diesem Brief verdanken wir die grundsätzliche Belehrung, wie wir alttestamentliche Bilder auslegen können. Sie sind ein Schatten der Wahrheit, wie der Herr Jesus sie durch sein Werk auf Golgatha und durch sein Leben hier auf der Erde zu uns gebracht hat. Dieser Brief ist eine Liebeserklärung Gottes an sein irdisches Volk Israel. Obwohl sie Gott und seinen Messias, Jesus Christus, verworfen haben, möchte Gott jeden aus „seinem“ Volk der Juden retten, indem Er sie geradezu bittet, Jesus Christus als Retter und Herrn anzunehmen und das jüdische Lager, Jerusalem, das 70 nach Christus zerstört werden sollte, zu verlassen.

Es ist nicht zu übersehen, dass Paulus den Auftrag bekam, sich an sieben Versammlungen zu wenden (Römer, Korinther, Galater, Epheser, Philipper, Kolosser, Thessalonicher), an drei Einzelpersonen, an ein ganzes Volk, und das in 14 Briefen insgesamt.

Wichtige Wahrheiten, die Paulus vorstellt

An zweiter (und letzter) Stelle möchte ich gerne noch einige der wesentlichen Wahrheiten nennen, die wir Paulus sozusagen verdanken. Dabei ist der Ausdruck „Wahrheiten“ nicht glücklich, weil die Bibel von der (einen) Wahrheit spricht. Die Wahrheit finden wir personifiziert in dem Herrn Jesus (vgl. Joh 1,17; Eph 4,21). Das Neue Testament stellt sie aber auch als den ganzen Ratschluss Gottes vor, den wir in vielen Einzelfacetten im Neuen Testament finden (vgl. Apg 28,23; Gal 2,5; Eph 4,15).

1. Der Mensch kann gerettet werden – aber nur auf dem Grundsatz des Glaubens (vgl. Röm 3,30). Dieser Glaube wiederum ist ein Geschenk Gottes (vgl. Eph 2,8) – Paulus nennt das Gnade. Werke können einen Menschen nicht retten (Eph 2,9.10).

2. Ein von Neuem geborener Mensch kann nicht mehr verloren gehen, sondern gehört Gott in alle Ewigkeit an – ist sein Eigentum. Denn Gott hat ihn versiegelt – das bedeutet vollkommene Sicherheit (Eph 1,13; 2. Kor 1,21).

3. Das Wesen eines Christen in der heutigen Zeit ist himmlischer Art. Er gehört zum Himmel, weil sein Ursprung, sein Charakter, sein Ziel, seine Heimat und auch sein Retter himmlisch sind (vgl. 1. Kor 15,48; Eph 1,3; 2,6)

4. Ein Gläubiger kann sein Leben nicht führen, wie er will, sondern ist verantwortlich, sein Leben Gott ganz zur Verfügung zu stellen (Röm 12,1.2; 1. Kor 6,19.20). Er ist schon jetzt in dem Reich Gottes, wo der Herr Jesus Autorität besitzt und der Christ zu Gehorsam aufgefordert wird (vgl. Röm 14,17; 1. Kor 4,19–22; Gal 5,21).

5. Die Gläubigen sind keine isolierten Christen, sondern vom Geist Gottes zu einem Leib, zu der Versammlung (Gemeinde, Kirche), getauft worden (1. Kor 12,13).

6. Die Versammlung ist der Leib Christi, das Haus Gottes und die Braut Christi (vgl. 1. Kor 12,27; 1. Tim 3,15; Eph 5,31.32). Das sind keine Bilder der Versammlung, das heißt, der Leib ist nicht ein Bild der Versammlung, sondern die Versammlung ist der Leib. Durch Leib, Haus und Braut werden besondere Charakterzüge der Versammlung gezeigt.

7. Die Versammlung gibt es an einem Ort (vgl. 1. Kor 12,27), weltweit zu jedem Zeitpunkt heute (vgl. Eph 4,15.16) und nach dem Ratschluss Gottes von Pfingsten (Apg 2) anfangend bis zur Entrückung der Versammlung (Eph 5,25.27; Apg 20,28).

8. Es gibt drei Grundpfeiler der Versammlung, also aller wahren Christen:
a) Sie bilden eine Einheit –den einen Leib (vgl. Eph 4,4).
b) Sie müssen sich vom Bösen trennen (vgl. 1. Kor 5).
c) Sie müssen immer vergebungsbereit bleiben und Gnade üben (vgl. Eph 4,32; 2. Kor 2,7).

9. Es gibt zu jeder Zeit eine Tätigkeit, durch welche die Einheit der Versammlung sichtbar wird: am Tisch des Herrn, das ist das Abendmahl, wenn der eine Leib durch das eine Brot vor den Gläubigen steht und sie davon essen (vgl. 1. Kor 10,17).

10. Christus und seine Versammlung, also Haupt und Leib, sind untrennbar miteinander verbunden (vgl. Eph 1,22; Kol 1,18).

11. Die Christenheit wird, was ihre Verantwortung und Praxis betrifft, nicht bei Christus bleiben. Paulus machte damals schon klar: Es wird Verfall einsetzen, der dazu führt, dass sich Christen nicht mehr von dem Bösen trennen und ein großes Haus darstellen, in dem es Gutes und Böses gibt, Dinge, die zur Ehre des Herrn sind und solche, die Ihn verunehren (vgl. 2. Tim 2,16–21). Inmitten dieses Verfalls gibt es aber weiterhin einen Weg für denjenigen, der dem Herrn Jesus treu nachfolgen möchte (2. Tim 2,21–23; 3,10–17).

12. Christus wird seine Versammlung, alle Gläubigen, die bis zu seinem Kommen gelebt haben oder leben, in den Himmel entrücken (vgl. 1. Thes 4,13–18). Diese heute oft angegriffene Wahrheit hat Paulus in seinem ersten (!) Brief bereits vorgestellt. Diese Entrückung findet vor der Drangsalszeit und vor dem sichtbaren Kommen Jesu Christi auf die Erde statt (vgl. 1. Thes 5, das auf 1. Thes 4 folgt, und der Vergleich von 1. Thes 3,13).

13. Auch wenn die Versammlung den höchsten Platz (nach Christus) in dem Ratschluss Gottes besitzt, hat Gott auch andere Familien (vgl. Eph 3,15). Vor allem wird Er sich nach der Entrückung seinem irdischen Volk Israel wieder zuwenden und aus denjenigen, die Ihn dann als Messias erwarten und annehmen werden, ein neues Volk Israel machen (vgl. Röm 9–11).

14. Schließlich verdanken wir Paulus die Wahrheit der Aus-Auferstehung aus den Toten. Es gibt keine allgemeine Auferstehung für alle Menschen zur gleichen Zeit. Die Christen und auch die Gläubigen alttestamentlicher Zeit werden bei der Entrückung des Herrn aus den Toten auferstehen (vgl. Phil 3,11), während die Ungläubigen im Tod bleiben werden und erst zum Gericht (nach Off 20) auferstehen werden.

Diese vierzehn Punkte sind zwar nicht willkürlich gewählt worden, haben aber in ihrer Anzahl keine tiefere Bedeutung. Sie sollen nur zeigen, dass der Umfang dessen, was Paulus uns allein an lehrmäßig wichtigen Themen für unser Verständnis und Leben durch Gottes Geist aufgeschrieben hat, so gewaltig ist, dass wir uns ein Leben lang damit beschäftigen können, ohne dass es langweilig wird. Mit dieser Aufzählung wollen wir alle Leser dieses Heftes ermutigen, einmal mit dem Bibelstudium einer der vielen Punkte anzufangen. Viel Freude dabei!

(aus: Folge mir nach - Heft 8/2008)

Beitrag teilen
Stichwörter

Verwandte Artikel

2.000 Jahre Apostel Paulus (FMN) Manuel Seibel Vom 28. Juni 2008 bis zum 29. Juni 2009 feiert die Römisch-Katholische Kirche den Apostel Paulus. „Ihren“ Apostel Paulus. In einer Veröffentlichung des „Heiligen Stuhls“, die auf eine Rede des amtierenden Papstes zurückgeht, heißt es: ... Artikel lesen
Gemeinsam evangelisieren? Eine herausfordernde Frage ... Manuel Seibel Ulrich Parzany, ein bekannter und hingebungsvoller Evangelist, hat dazu aufgerufen, gemeindeübergreifend zusammenzuarbeiten in der Evangeliumsverkündigung. Kann man das? Sollte man das nicht? Dieser Frage muss sich jede Generation neu stellen. Was ... Podcast anhören
Gott handelt erhaben Paul-Gerhard Jung Die Christen im ersten Jahrhundert lebten in einer grausamen und okkulten Gesellschaft. Aber Gott gab ihnen alles, um in dieser Welt zu bestehen und den Herrn Jesus zu bezeugen. Wir dürfen heute diese Arbeit weiterführen. Video ansehen
Fauler Friedenskompromiss - oder Friede auf Basis von Gottes Wort? Manuel Seibel Gottes Wort nennt verschiedene Arten von Frieden. Wichtig ist, dass der Friede nicht als oberstes Ziel verstanden wird. Sonst wird man leicht faule Kompromisse eingehen. Nein, der Friede braucht eine solide Basis: Gehorsam, Heiligkeit, Gottesfurcht, ... Podcast anhören
Sechs Hauptmänner (1) Daniel Melui In den Evangelien und der Apostelgeschichte lesen wir von sechs römischen Hauptmännern, die mit Dienern Gottes bzw. dem Herrn Jesus selbst in Berührung kamen (griech. hekatontarchos). Artikel lesen
Kommunikativer Klimawandel (1) Manuel Seibel Die Welt spricht von Klimawandel und richtet ihr Augenmerk auf Temperaturveränderungen usw. Dabei geht mit diesem wie mit anderen Themen auch ein kommunikativer Klimawandel einher, wo man nicht mehr bereit ist, anderen zuzuhören oder auf andere zu ... Podcast anhören