Albert Speer – wie man sein Bild selbst organisiert

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Albert Speer und seine Wirklichkeit

60 Jahre ist es her, dass der zweite Weltkrieg endgültig vorbei war. Nur 60 Jahre? Schon 60 Jahre? Eine Persönlichkeit, die in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielte, war Albert Speer. Er war Professor. Er war Hitlers Architekt und Rüstungsminister. Er wird auch Architekt des Todes genannt. Und er galt als edel. Er musste von all den hohen Würdenträgern des Naziregimes am wenigsten hinter Gittern verbringen – mal abgesehen von denen, die zum Tod verurteilt worden waren. „Nur“ 20 Jahre. Zu Recht?

Inzwischen wissen wir: zu Unrecht. Er war es, der die Vertreibung der Berliner Juden initiierte. Vermutlich war er es, der aus dem Gefangenenlager in Auschwitz ein Konzentrationslager machte. Der Architekt. Der so angesehene Mann, dessen Bücher später zu Bestsellern werden sollten. Rudolf Heß musste weiter im Hochsicherheitsgefängnis bleiben. Speer kam heraus. Offenbar, weil er es meisterhaft verstand, andere – und vielleicht auch sich – zu belügen. Sein Auftreten muss im Nachhinein als ein reines Schauspiel verstanden werden. Eine Lüge. Ein Triumph über die anderen?

Unser Bild in der Öffentlichkeit durch Lüge organisieren

Schon in 3. Mose 19 heißt es: „Und ihr sollt nicht lügen und nicht betrügerisch handeln einer gegen den anderen“ (Vers 11). Der Psalmist David sagt: „Nur ein Hauch sind die Menschensöhne, Lüge die Männersöhne. Auf der Waagschale steigen sie empor, sie sind allesamt leichter als ein Hauch“ (Psalm 62, Vers 10). Speer schaffte es, auf der Karriereleiter hochzusteigen. Mit Lügen ließ er seine Familie im Unklaren, was wirklich los war.

Ein Kommentator schrieb jetzt, dass er sogar sein Bild – nämlich das in der Öffentlichkeit – selbst organisierte. Und zwar nicht nur vor dem Kriegsende, sondern vor allem nach dem Absitzen seiner Haftstrafe.

Schein – und sein

Auch Christen können ein Bild von sich zeichnen, das mit der Realität nichts zu tun hat. Man hört von Brüdern, die geachtet sind und den Geschwistern mit dem Dienst des Wortes dienen. Und in der Woche haben sie Kinder missbraucht. Geistliche Schizophrenie. Nicht, dass wir so etwas hinter jedem Bruder vermuten sollten. Das wäre absurd! Aber solche „Lügen“ gibt es leider.

Andere sind in der Lage, mit strengen Worten gegen die Hosen von Frauen zu predigen. Und zu Hause hat die eigene Frau die Hosen an – wohlgemerkt im übertragenen Sinn.

Sonntags kann man sehr fromm wirken – und in der Woche die Maus nicht von dreckigen Klicks wegbekommen. Ist das nicht ein Bild, was man in der Öffentlichkeit über sich zelebriert, das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat?

Wie ist es mit den Schwestern, die sonntags fromm nicken können und sehr andächtig zuhören, oder jedenfalls zuzuhören scheinen. Und in der Woche stundenlang über andere Geschwister negativ reden können?

Wir alle!

Wir alle – wir alle! – neigen dazu, mehr scheinen zu wollen als wir sind. Dass man uns positiver, gottesfürchtiger, einsichtiger, entschiedener, konsequenter, weiser, reifer wahrnimmt, als wir in der Wirklichkeit sind. Heuchelei ist eine schlimme Lüge.

Es gibt einen, dem Albert Speer nichts vormachen konnte. Das ist Gott. Es ist eigentlich eigenartig, dass derjenige, der für uns alle die höchste Autorität besitzt, so wenig vor unseren Augen, Herzen und Gewissen steht. Dabei kommt es auf Ihn an: „Der mich aber beurteilt, ist der Herr“ (1, Korintherbrief, Kapitel 4, Vers 4).

Ein Neuanfang

Und uns selbst können wir auch nur sehr begrenzt etwas vormachen. Vielleicht schämen wir uns dann wenigstens vor uns selbst. Das sollte uns ins Gebet und Bekenntnis vor unserem himmlischen Vater treiben. Einen Neuanfang – den kann es immer geben.

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