Populismus – nicht nur ein politisches „AfD-Problem“! (1)

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Abgesehen davon, dass es uns als Gläubige demütigt, dass wir auf solche Manipulationen hereinfallen, ist wichtiger, dass sich diese „populistischen“ Methoden nicht auf die Politik beschränken. Auch im christlichen Bereich gibt es Populismus. Und dieser erfreut sich größerer Beliebtheit, als man denkt. Denn es gibt etwas in uns, das diesem Hang huldigt, ihn hervorruft und ihn begeistert annimmt: Das ist unsere alte Natur, das sündige Fleisch.

Sind es früher die „Rattenfänger von Hameln“ gewesen, die andere anzogen, ohne dass man es merkte, so sind es heute Personen, die salonfähig sind und womöglich einen Namen haben. Man müsste eigentlich meinen: Höcke & Co kann man doch stellen, kann man doch entlarven als das, was sie sind. Warum aber gelingt das nicht?

Warum so machtlos und hilflos?

Warum können im christlichen Bereich populistisch arbeitende Verkündiger ihr Unwesen treiben und unbedarfte Christen verleiten und manipulieren? In 2. Timotheus 3 ist von solchen die Rede, die sich in die Häuser schleichen und Weiblein gefangen nehmen (V. 6). Das sind falsche, böse Menschen, die eine Form der Gottseligkeit haben, aber ihre Kraft verleugnen.

Das sind solche, die mit den Gefühlen von Menschen spielen und über diese Emotionen einen Zugang zu Personen haben. Diese merken oft gar nicht, wie sie auf eine falsche Bahn gezogen und von Christus und solchen, die dem Herrn nachfolgen wollen, weggezogen werden.

Gefahr: Nicht in erster Linie Ungläubige!

Genauso wie beim „Tisch des Herrn“ in der Gegenüberstellung zum „Tisch der Dämonen“ aber wäre es verhängnisvoll zu denken, es ginge nur um schwarz und weiß, um Ungläubige und Irrlehrer im Kontrast zu solchen, welche die gesunde Lehre bringen.

Nein, wie es Menschen gibt, die ihre eigenen Gedanken im Blick auf den Gemeinschaftstisch entwickelt haben und durchzusetzen wissen (wussten), so gibt es auch Gläubige, die unbiblische Belehrungen von sich geben und viele damit in die Irre führen, ohne dass es sich direkt um Irrlehren handelt, die das Heil als solches betreffen.

Es gibt eben nicht nur die Abimelechs dieser Welt (Ri 9) oder die Ahabs (1. Kön 16 ff.) und Absaloms, die ungläubig sind und gar nicht anders können, als Verkehrtes zu lehren. Es sind heute auch Gläubige, die das Herz des Volkes Gottes stehlen können (2. Sam 15,6). Denken wir an die zehn Kundschafter in der Wüste, die das Volk abspenstig machten durch ihre Berichte, von denen wir nicht sagen können, dass sie im absoluten Sinn ungläubig waren ...

Schauen wir uns zunächst einmal an, warum viele solcher Art von Verkündigern so leicht das Ohr leihen. Oder: Warum ist es so schwer, solche Personen heute zu „stellen“?

Die großen Gefahren und Fallstricke

  1. Weil sich heute viele durch Gefühle leiten lassen und nicht mehr in der Lage sind, nüchtern Gottes Wort als Grundlage ihres Urteils zu verwenden.
  2. Weil klare Ansagen unser Wohlgefühl von Harmonie „stören“.
  3. Weil es uns oft schwerfällt, in besonnener Weise Dinge zu beurteilen. Wir sollen die Einheit des Geistes bewahren (Eph 4,3). Aber nicht Einheit als solche ist das höchste Ziel, sondern Gehorsam gegen Gott und Treue zu seinem Wort. Auf dieser Basis können und sollen wir die Einheit verwirklichen. Nüchternheit wird in diesem Zusammenhang leicht als Härte interpretiert – und wir sollten bei aller Klarheit „sanftmütig“ sein. Vergessen wir nicht. Wir werden gerade dazu aufgefordert, nüchtern und besonnen zu denken, zu reden und zu handeln (1. Kor 15,34; Eph 5,16-18).
  4. Weil unser Fleisch gerade das liebt, was nicht biblisch ist, sondern weltlich (Joh 3,6; Röm 8,5), was nicht von Gott ist, sondern von der Welt, was nicht Christus verherrlicht, sondern uns selbst oder dem Feind – Satan – dient, was den Menschen in den Mittelpunkt stellt, nicht Christus und sein Werk.
  5. Weil viele meinen, es sei Liebe, keine (öffentliche) Kritik zu äußern. Dabei ist wahre Liebe immer gepaart mit Gehorsam (1. Joh 5,2). Es wäre lieblos, die Herde Gottes durch Verführung in die Irre laufen zu lassen und Verführern zu überlassen.
  6. Weil man die eingetretene Unruhe nicht als Folge populistischer Verkündigung sieht, die es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, sondern denen anlastet, die eine Wohlfühlatmosphäre durch Hinweise auf falsche Lehre angeblich „vergiften“ (vgl. 1. Tim 5,20; 2. Tim 4,2; Tit 1,9).
  7. Weil wir heute durch den Zeitgeist versuchen, (fast) alle und (fast) alles zu „umarmen“. Ausgewogenheit verlangt, dass man erst einmal versucht, den anderen zu verstehen und nicht zu verurteilen, was an sich auch ein richtiges Vorgehen ist. Wenn aber Unbiblisches nicht mehr unbiblisch genannt werden darf, sind wir auf einem Irrweg (Jes 5,20). Und wenn man damit angefangen hat, sich in jemanden hineinzudenken, der eine verkehrte Lehre überzeugend weitergibt, wie kann man das von diesem Verkündete dann noch „kritisieren“, wie soll man dann noch in der Lage sein, ein biblisch-kritisches Urteil zu fällen? Darf man überhaupt versuchen, sich in jemand hineinzuversetzen, der verkehrt lehrt? Wird man dadurch nicht selbst befleckt? Falsches muss entlarvt und überführt werden.
  8. Weil man heute sehr empfindlich geworden ist, wenn klar aufgezeigt wird, dass jemand falsche Lehren bringt. Das wird als Angriff auf die Person und damit als unanständig und verkehrt motiviert getadelt. Paulus ist mit Petrus anders umgegangen (Gal 2). Der Apostel forderte zudem Timotheus und Titus genau in diese Richtung auf, Lehrern unbiblischer Wahrheit entgegenzutreten. Aber heute benutzt man solch ein klares Entlarven gegen diejenigen, die für die Wahrheit einstehen und die Herde vor Angriffen und Verführungen schützen wollen.
  9. Weil wir heute in allem meinen, etwas Positives sehen zu müssen, zu können. Früher nannte man das Spiritualität (oder das „positiv Denken“ auch Esoterik), heute ist das angeblich christlich-soziales Verhalten.
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