Zwei Speisungen - eine Erklärung

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1. Was ist die Kernaussage beider Wunder?

Grundsätzlich scheint der Geist Gottes uns den Platz des Messias, Christus, in Seiner irdischen Herrlichkeit und Seiner Sorge für Sein Volk zeigen zu wollen. Der Herr Jesus beweist in einer ersten Erfüllung von Psalm 132,15, daß Er in Wahrheit der Sohn Gottes, der König Israels, der Messias ist.

2. Warum gibt uns Gott zwei ähnliche Begebenheiten?

Weil Er uns damit ein doppeltes Zeugnis des künftigen Segens im 1000-jährigen Reich sowohl für das Volk Israel als auch für die ganze Welt, für alle Nationen, geben kann.

3. Was unterscheidet beide Wunder?

Das erste hat einen haushaltsmäßigen[1] Charakter, wie es besonders im Matthäusevangelium häufig der Fall ist. In den ersten 12 Kapiteln beschäftigt sich der Herr Jesus besonders mit Seinem Volk. Da er von diesem verworfen wird, geht Er aus dem Haus Israels (Kapitel 13,1) heraus: Er setzt Sein Volk für eine Zeit beiseite. Das sehen wir im ersten Wunder. Christus hat die jüdische Volksmenge entlassen (14,22), nachdem Er ihr noch einen Beweis Seiner Fürsorge gezeigt hat, sie aber nicht an Ihn glaubt. Dann läßt Er die Jünger, ein Bild der Gläubigen der heutigen Gnadenzeit, über den See fahren, während Er selbst auf dem Berg - im Himmel - ist und sich dort im Gebet für sie verwendet. Als Er dann zu Ihnen kommt in den Stürmen, legt sich der Wind, ein Bild davon, daß wir das Ziel, den Himmel, erreicht haben.

Beim zweiten Wunder steht im Vordergrund, daß der Herr in Seiner eigenen, vollkommenen Gnade einem treuen Überrest, zu welcher Zeit auch immer, aus Seiner Fülle darreicht. So bleibt Er dort bei den Seinen und fährt zusammen mit ihnen im Schiff zum nächsten Zielort.

4. Was symbolisieren die Brote und die Fische?

Aus Johannes 6 lernen wir, daß Er selbst das lebendige Brot aus dem Himmel ist (Johannes 6,51). Wir lesen in Johannes 6,9, daß es sich um Gerstenbrote handelt. Gerste ist das erste Korn im Laufe der Ernte, das reif wird, und dasjenige, das bei dem Fest der Erstlingsgarbe (3. Mose 23,9-14) gebracht wurde. Das geschah am Tag nach dem Sabbat, dem Sonntag, dem Auferstehungstag unseres Herrn. Es scheint ein Hinweis auf Seine Auferstehung zu sein. So dürfen wir uns von dem Auferstandenen nähren, der durch den Tod gegangen ist. Vielleicht ist der Fisch ein Bild von Christus, der die Wasser und Fluten des Gerichtes Gottes über sich erduldet hat. Auch von dem gestorbenen Heiland dürfen und sollen wir uns nähren.

Ein zweiter Gedanke ist mit den Broten und den Fischen verbunden. Man könnte sagen, daß Christus uns nicht nur die grundlegende und notwendige Nahrung schenkt (die Brote), sondern darüber hinaus viel mehr, als was wir benötigen. Er reicht über Denken und Verstehen des Menschen dar (die Fische), so daß unser Tisch übervoll ist und der Becher überfließt.

Das erste Wunder

1. Wovon sprechen die fünf Brote und die zwei Fische?

Zunächst einmal ergeben beide zusammen sieben und zeigen, daß die Fülle des Herrn im Schenken vollkommen allen unseren Bedürfnissen genügt. Warum aber fünf Brote? Es ist offenbar das, was der Mensch zur Verfügung stellen kann, wenn der Herr ihn auffordert, die Bedürfnisse anderer Menschen zu stillen. Insofern ist die Zahl "fünf" an dieser Stelle ein Bild der Schwachheit des Menschen, wenn er unter Verantwortung gestellt wird. Die Zahl "fünf" hat mit dem Menschen in Seiner Verantwortung, der er häufig nicht gerecht wird, und mit seiner Schwachheit zu tun. Denken wir an die fünf Finger (und Zehen) einer Hand (und eines Fußes), an die fünf Sinne etc., denken wir weiter an die törichten und die fünf weisen Jungfrauen etc.

Die zwei Fische sprechen von der unendlichen Gnade des Herrn, die mehr gibt, als das, was wir bedürfen. Wir finden die Verbindung von Gnade mit der Zahl 2 auch in Johannes 4,43 und Lukas 10,35.

2. Welchen Hinweis kann man in bezug auf die 5.000 Männer geben?

Die Volksmenge hat noch einmal ein vollkommenes Zeugnis der Gnade des Herrn bekommen und steht unter Verantwortung, dementsprechend zu handeln. Die folgenden Kapitel zeigen, daß die Menschen dazu nicht in der Lage waren, sondern unter der Verantwortung vor Gott (10x10x10) wieder nur ihre vollkommene Schwachheit (5) zum Vorschein kommt.

Diese Szene ist ein Bild des Segens, den der Herr Jesus im 1000-jährigen Reich schenken wird. Die Zahl 5.000 kann man deutlich als Ausdruck von Schwachheit verstehen. Obwohl der Mensch nicht mehr dem Einfluß des Teufels ausgesetzt ist - dieser ist gebunden (Offenbarung 20,2) - ist er genau so schwach und böse, so daß er sich sofort wieder vom Teufel verführen läßt und gegen Christus kämpft (Offenbarung 20,7-10).

3. Was bedeuten die zwölf Handkörbe?

"Zwölf" spricht wie die Zahl "sieben" von Vollkommenheit (4x3; 4+3), bezieht sich jedoch in der Regel auf die vollkommene Verwaltung göttlicher Dinge hier auf der Erde durch den Menschen. In diesem Wunder mögen die zwölf Handkörbe auf die Quellen der Kraft für den Armen in Israel in Gegenwart des Königs aufmerksam machen. Wie hier in diesem Wunder hat die Zahl "zwölf" mit der Erde zu tun, und zwar in einer vollkommenen Regierung (12 Apostel, 12 Stämme Israels), aber auch mit der Souveränität Gottes (12 Tore, 12 Grundlagen... im neuen Jerusalem: Offenb. 21).

4. Wie kann man das Wunder „praktisch“ erklären?

Der Herr Jesus benutzt, was seine Diener in Schwachheit und Verantwortung vor Gott besitzen (5 Brote). Aber der Herr gibt weit mehr aus Seiner reichen Gnade (2 Fische). Die 2 Fische sprechen auch vom Zeugnis, das die Jünger vor der Welt ablegen (für ein glaubhaftes Zeugnis benötigt man mindestens zwei). Der Herr nimmt das wenige, was in den Händen Seiner Diener ist und verwandelt es in unfaßbare Vielfalt. Dazu benutzt Er wiederum Seine Diener, die Seine Vollkommenheit hier auf der Erde verwalten und weitergeben dürfen (12 Jünger, 12 Handkörbe). Sogar das, was übrig bleibt (12 Handkörbe), reicht vollkommen für alle Bedürfnisse.

Das zweite Wunder

1. Wie kann man die sieben Brote und die sieben (großen) Körbe deuten?

Wie schon gesagt spricht die Zahl "sieben" an vielen Stellen von göttlicher Vollständigkeit und Vollkommenheit. Beim zweiten Wunder steht auch nicht so sehr wie beim ersten der Mensch (als Instrument Gottes) im Vordergrund, sondern alleine der Herr und Sein Mitleid für das Volk. Er reicht vollkommen entsprechend ihren Bedürfnisse dar und selbst das, was „übrigbleibt“, entspricht einem vollkommenen Charakter und somit dem Geber.

2.Wofür stehen die 4.000 Männer?

Christus weiß den Bedürfnissen aller Menschen zu begegnen. Dies paßt auch zu der Zahl vier, in der wir die Universalität vorgestellt bekommen (4 Himmelsrichtungen; 4 Ecken der Erde (Offenbarung 20,8); 4 Evangelien;...). Aber wenn Gott heute etwas schenkt, dann stellt Er den empfangenden Menschen immer unter Verantwortung (10). Hier sogar aufgrund des überreichen Segens und Gebens unter göttliche Verantwortung (10x10x10).

Schlussbemerkungen

Alle Zahlendeutungen sind Anregungen zum Selbststudium der jeweiligen Stellen. Zahlen haben in sich meines Erachtens keine geistliche Bedeutung - so sehr ich selber auch Zahlenfreund bin. Erst durch den Zusammenhang erhalten sie diese. Man wird allerdings feststellen, daß bestimmte Zahlen in vergleichbaren Umständen auftauchen, so daß man ihnen - in der Regel - eine spezielle Bedeutung zuordnen kann.

Noch eine kurze Anmerkung zu dem ersten Wunder: Es ist meines Wissens das einzige Wunder überhaupt, das in allen vier Evangelien beschrieben wird. Insofern scheint es eine zentrale Bedeutung zu besitzen. Diese wird jedoch in jedem Evangelium variieren.

Wenn man z.B. die Person unseres Heilandes in diesem Wunder betrachtet, so wird sie im Matthäusevangelium als Messias gezeigt, der dem Bedürfnis Seines Volkes vollkommen zu begegnen weiß. Im Markusevangelium sehen wir Ihn mehr als den vollkommenen Diener, der Seine Jünger anhand dieses Falles zu besseren und einsichtsvolleren Dienern erziehen will. Im Lukasevangelium finden wir Ihn als den vollkommenen Menschen, der die Bedürfnisse der Menschen aus eigener Erfahrung als Mensch kennt und ihnen im Aufblick zu und in der Abhängigkeit von Gott in der rechten Weise zu begegnen weiß. Im Johannesevangelium dagegen finden wir das vom Himmel gekommene Wort Gottes, Christus Jesus, den Sohn des Vaters, der selbst alles in die Hand nimmt und den Bedürfnissen der Volksmenge auf göttliche Weise begegnet. - Diese Art der Betrachtung könnte man nun in gleicher Weise auf die Sicht der Jünger, der Volksmenge und der Umstände in allen vier Evangelien anwenden.

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[1]Unter Haushaltungen versteht man Zeitepochen, in denen Gott auf bestimmte Art mit Menschen handelt. Hier wäre z.B. zu nennen: die Zeit im Paradies, die Zeit ohne Gesetz und ohne Regierungsgewalt (bis Noah), die Zeit mit Regierungsgewalt (ab Noah), die Zeit unter Gesetz, etc.

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