Gedankensplitter zum Brief des Herrn Jesus Christus an die Versammlung in Pergamus

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William Kelly: Vorträge über die Offenbarung

Pergamus ist der Schauplatz der schmeichlerischen Macht oder Verführung Satans, die er benutzte, nachdem die Gewalt der Verfolgung aufgebraucht war. Es war eine gefährlichere Erfindung als die Verfolgung. Denn wenn man sich auf etwas Falsches einlässt, gibt es nichts, was mehr zeigt, dass die Sache hoffnungslos ist, als dass Gott einen ohne weitere Interventionen seinem eigenen Willen überlässt. "Ephraim ist mit Götzen verbündet; lass ihn gewähren" (Hos 4,17) ...

Danach versprach der Gott dieser Welt den Christen jeden weltlichen Vorteil. Der Kaiser selbst bot an, Christ zu werden, schob die Taufe jedoch von sich bis ans Sterbebett. Es gab keinen deutlicheren Beweis dafür, wie vollständig die Kirche durch das Aufgeben des Namens des Herrn gefallen war, als durch die Tatsache, dass sie die Bedingungen des Kaisers und die Schirmherrschaft (Schutz) der Welt annahm. Selbst diejenigen, die gerettet wurden, hatten völlig aus den Augen verloren, was die Kirche in Gottes Augen ist, nämlich dass sie nicht zur Welt, sondern zum Himmel gehört. Das Römische Reich war im Wesentlichen eine Weltmacht. Die Kirche dagegen war aus der Welt herausgerufen worden, um beständiger Zeuge dieser beiden Dinge zu sein: erstens des Ruins der Welt; und zweitens von Gottes Liebe. Aber wenn wir sehen, wie die Versammlung der Welt die Hand schüttelt, ist alles verloren, und die Kirche versinkt in der Denkweise dieses Zeitalters. Wenn die Welt dadurch in mancher Hinsicht gewinnt, verliert die Kirche in jeder Hinsicht. Kein Wunder, denn solch ein Weg, sich unter den Schutz der Regierung zu stellen, geht auf Kosten des Willens und der Herrlichkeit Christi ...

Es liegt auf der Hand, dass all dies den Zustand zur Zeit Konstantins beschreibt. Anstatt um Christi willen auf dem Scheiterhaufen zu stehen und zu leiden, ging die Kirche nun ein Joch mit der Welt ein, in einem bloßen Bekenntnis zum Christentum. Da sich die Welt nicht wirklich zu Christus erhob, musste die Kirche notwendigerweise auf die Ebene der Welt herabsinken. Kein Wunder, dass der Herr daher sagt: „Du wohnst dort, wo der Thron des Satans ist." ... Jetzt aber lebte die Versammlung von Pergamus, anstatt zu leiden, still und ruhig in der Welt. Wie Lot quälten auch sie ihre gerechten Seelen durch die Gottlosigkeit derer, die sie umgaben.

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Christus stellt sich dem Engel der Versammlung in Pergamus in einer Weise vor, die dem Zustand der Versammlung in jenem Zeitraum entspricht. Der Herr zeigt sich ihr als der, „der das scharfe, zweischneidige Schwert hat". Aus Hebräer 4,12 wissen wir, dass das zweischneidige Schwert ein Bild vom Wort Gottes ist ... Wenn das Wort im Bild eines Schwertes gesehen wird, hat es stets mit Gericht zu tun. Es mag vom Geist Gottes benutzt werden, um den Christen gegen die Listen des Teufels zu verteidigen (Eph 6,11-17); oder es mag, wie an dieser ernsten Stelle, von Christus gegen die öffentlich bekennende christliche Körperschaft eingesetzt werden, wenn sich keine Buße zeigt.

Der Herr kommt sogleich auf das zu sprechen, was in seinen Augen so ernst ist. „Ich weiß, wo du wohnst, wo der Thron des Satans ist", sagt Er. Wir wissen, dass Satan der Fürst dieser Welt ist; sein Thron befindet sich dort, wo er die Herrschaft ausübt. Das ist nicht etwa die Hölle, wie manche Dichter es sich irrigerweise ausdachten. Sein Thron ist dort, wo er regiert, nicht dort, wohin er verbannt sein wird, wenn sein Thron zerstört und die Zeit seiner Herrschaft abgelaufen sein wird. Er herrscht auch nicht nur in Rom oder in Pergamus. Sein Thron ist nicht auf einen bestimmten Punkt auf der Erde lokalisiert, sondern umfasst die ganze Welt. Wenn die bekennende Kirche an dem Ort wohnt, wo Satans Thron steht, so können wir sicher sein, dass sie ihren Charakter als Pilger und Fremdling aufgegeben hat und in der Welt sesshaft geworden ist.

Der Herr sagt zu den Seinen: „Ihr seid nicht von der Welt, sondern ich habe euch aus der Welt auserwählt." Zudem hat der Herr Jesus Christus „sich selbst für unsere Sünden hingegeben, damit er uns herausnehme aus der gegenwärtigen bösen Welt". Christen sind durch eine himmlische Berufung Herausgerufene; ihre Heimat ist im Himmel. Die Kirche gehört dem Himmel an und sollte himmlischen Charakter tragen. Wie ernst ist es daher, wenn diejenigen, die vor der Welt den Platz der Kirche einnehmen, ihre himmlische Berufung aufgeben, ihren himmlischen Charakter verleugnen und sich in der Welt niederlassen. Gewiss, der Christ befindet sich in der Welt, und der Herr spricht von seinen Jüngern als solchen, die in die Welt ausgesandt werden. Er konnte zu dem Vater sagen: „Wie du mich in die Welt gesandt hast, habe auch ich sie in die Welt gesandt" (Joh 17,18). Aber wie wurde Er in die Welt gesandt? Gewiss nicht, um „in ihr zu wohnen", sondern um als Licht der Welt ein Zeugnis für Gott zu sein.

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Pergamus heißt übersetzt Hochburg oder Viel-Heirat. Beide Deutungen erklären eigentlich die Situation damals in Pergamus. Die Verfolgungen, die fast 150 Jahre dem Volk Gottes auferlegt waren, endeten abrupt, und zwar mit dem Augenblick, wo Konstantin der Große den vorherigen römischen Cäsar besiegte. Von jenem Moment an waren die Christen hoffähig. Während sie bis dahin verfolgt wurden und dadurch das echte Leben wieder sichtbar wurde, kam jetzt eine komplett andere Gefahr. Ich meine, es ist eine Gefahr, der wir heute extrem ausgesetzt sind. Der Teufel hat es nicht geschafft, durch Verfolgung die Versammlung in den Griff zu kriegen oder gar auszulöschen. Jetzt schickte er sich an, durch Viel-Heirat Verbindungen herzustellen, die böse sind.

Wir singen in einem Lied: Menschen haben oft verdunkelt dieses Licht, das helle funkelt. Genau das ist passiert. Das Wort Gottes war nicht mehr der Maßstab für das Handeln der Kirche. Sie verbanden sich mit den Menschen, mit der Welt, und die Ergebnisse haben wir in Pergamus vor uns. Nun werden in 2. Korinther 11,2 zwar nicht direkt von der Versammlung, aber doch zu den Korinthern die bewegenden Worte gesagt: „Ich habe euch einem Mann verlobt, um euch als eine keusche Jungfrau dem Christus darzustellen". Das ist wahr von uns allen, von allen Kindern Gottes, von der ganzen Kirche, der Versammlung Gottes: sie ist einem Mann verlobt. Gut, die Hochzeit ist noch nicht gewesen, die Hochzeit des Lammes ist noch zukünftig, aber wir sind heute schon dem Herrn verlobt als eine keusche Jungfrau, ein reines Verhältnis. Das ist es, was Gott gemacht hat, worin Er uns hineingeführt hat.

Aber die Kirche nahm andere Verbindungen auf. Die Versammlung wurde eine Hochburg von der Welt, das ist erschütternd! Da wo Christus regieren sollte, wo sein Wort herrschen sollte, da herrscht die Welt! Ja, das fing an in Pergamus.

Als der Herr Jesus zu Seinem Vater sprach, sagte Er: „Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, wie ich nicht von der Welt bin ... Sie sind nicht von der Welt, wie ich nicht von der Welt bin" (Joh 17,14.16). „Wenn ihr von der Welt wäret, würde die Welt das Ihre lieb haben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt" (Joh 15,19). Übrigens brauchen wir gar nichts Großartiges zu tun, damit die Welt uns hasst; wir brauchen bloß anders zu sein als sie, dann hasst sie uns. Wir sind dann ein Fremdkörper hier, und sie merkt, dass wir nicht so sind wie sie. Sie hat Christus gehasst, und sie hasst auch uns.

Und dann sagt der Herr Jesus noch: „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt" (Joh 17,18). Das ist für mich ein ganz starker Beweis dafür, dass wir nicht von der Welt sind, denn Er schickt uns hinein in die Welt. Wenn wir die Welt wären, könnte Er uns nicht hineinschicken. Der Vater hat seinen Sohn in die Welt gesandt, nicht damit Er hier wohnt, sondern damit Er hier Zeugnis gibt. Genauso sendet uns Christen der Herr Jesus in die Welt, damit wir der Welt Zeugnis geben, und nicht, damit wir hier wohnen und uns mit der Welt verschwägern und verbünden.

Wie war das mit dem Lot, dem Neffen Abrahams? Er sah zuerst die Ebenen des Jordan, und dann schlug er seine Zelte auf bis Sodom, und eines Tages heißt es: er wohnte in Sodom. Da haben wir das: Er wohnte! Ja, er saß sogar im Tor Sodoms. Und dann kamen Engel, aber die Engel haben dort nicht gewohnt. Sie kamen, um Zeugnis zu geben, nicht um dort zu wohnen - genau das ist unsere Stellung.

Die Kirche hat das nicht beachtet. Sie hat die himmlische Berufung und die himmlische Gesinnung aufgegeben, um es sich hier mit der Welt schön zu machen, und sie wohnte nun dort, wo der Thron des Satans ist. „Wir wissen, dass wir aus Gott sind, und die ganze Welt liegt in dem Bösen" (1. Joh 5,19). „In dem Bösen" meint „in dem Teufel", von ihm ist schon vorher wiederholt als dem Bösen die Rede. Es ist ein erschütternder Gedanke, dass die Welt in dem Bösen liegt. Und Gott lässt es zu, dass er der Gott und der Fürst dieser Welt ist (2. Kor 4,4; Joh 12,31). Er regiert hier, und die Gläubigen hatten sich dem angepasst.

William Kelly: Einführende Vorträge über die Offenbarung

Es ist eine ernste Sache, wo und wie wir wohnen. „Du wohnst, wo der Thron des Satans ist." Wie kam es dazu? Wir können verstehen, wenn diese Gläubigen über den Schauplatz der Macht Satans wandelten; aber auffallend ist, dass sie dort wohnten. Liebten sie es, nahe bei einem Thron zu weilen, auch wenn es der Thron Satans war? Dort zu wohnen? Liebten sie den Schatten und den Glanz menschlicher Macht?

Doch der Herr erkennt alles Gute an. „Du hältst fest an meinem Namen und hast meinen Glauben nicht verleugnet." Es ist bemerkenswert, dass nach den größten Verfolgungen, in welchen die Christenheit und sogar die einzelnen Christen dazu verleitet wurden, die Schutzherrschaft der Welt anzunehmen, es bis zu jenem Zeitpunkt noch wahre Treue gab in der Ablehnung aller Versuche, die Gottheit Christi zu leugnen. Unter demselben Konstantin1, der das Werkzeug war, den Schirm der Welt über die Christenheit zu bringen ...

Hamilton Smith: Die Offenbarung

Der Herr stellt sich der Christenheit jener Zeitepoche als Der vor, der das scharfe, zweischneidige Schwert hat. Der traurig ernste Zustand der Versammlung wird durch die scharfe Schneide des Wortes Gottes bloßgelegt. Das Judentum mit dem Christentum zu verbinden, ist ein Versuch, das Christentum der Welt anzupassen, indem man das übernimmt, was dem Auge und dem Empfinden der menschlichen Natur entspricht. Das dient nicht dazu, dass Menschen aus der Welt herausgeführt werden, sondern es führt das christliche Bekenntnis in die Welt ein. Darum muss der Herr der Versammlung dieses Zeitabschnitts sagen: Ich weiß, wo du wohnst, wo der Thron des Satans ist. Wo wir wohnen, ist ein ernster Hinweis auf das, was unsere Herzen begehren. Zu wohnen, wo der Thron Satans ist, deutet sicher auf den Zustand eines Herzens hin, das wünscht, in der Gunst und dem Glanz einer Welt zu wohnen, deren Fürst Satan ist.

Fußnoten

  • 1 Kaiser Konstantin der Große (272/273-337) beendete mit dem Toleranzedikt von Mailand im Jahr 313 die Christenverfolgungen im Römischen Reich und war der erste römische Kaiser der die christliche Kirche unter staatlichen Schutz stellte.
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