Die Herrlichkeit Jesu Christi ist für uns nicht in vollem Umfang zu erfassen. In jeder Begebenheit seines Lebens können wir seine Person bewundern. Jedes Mal aufs Neue erkennen wir Aspekte seiner Schönheit, die uns zur Anbetung führen. Dennoch hat es dem Geist Gottes gefallen, in jedem Evangelium eine oder besser zwei spezielle Seiten seiner Größe zu betonen. Der Herr ist nie auf eine oder zwei Merkmale zu beschränken. Und doch treten in jedem Evangelium gerade zwei sich jeweils ergänzende Aspekte seiner unvergleichlichen Person besonders hervor.
Matthäus: Sohn Davids, Sohn Abrahams
Die Herrlichkeit unseres Retters stellt das Matthäusevangelium schon im ersten Vers vor: „Buch des Geschlechts Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams" (Mt 1,1). Das erste und sicher vorherrschende große Thema des Matthäusevangeliums ist der Herr Jesus, der als verheißener Messias zu seinem irdischen Volk gekommen ist. Er ist der wahre Sohn Davids. Salomo ist ein schönes Vorausbild auf Ihn. Aber „mehr als Salomo ist hier" (Mt 12,42). Leider ist sehr schnell festzustellen, dass gerade die Führer des Volkes Israel nicht bereit waren, Ihn als Retter und Messias anzuerkennen. Als der König Herodes hörte, dass der König geboren worden war, versuchte er Ihn umzubringen (Mt 2). Als die Pharisäer nicht mehr in der Lage waren, die vielen Wunder Jesu zu leugnen, warfen sie Ihm vor, dies alles durch Satan, den Fürsten der Dämonen zu tun (vgl. Mt 12,24).
Der Herr Jesus nimmt die Verwerfung an und wendet sich den Nationen zu. Das wird ab Kapitel 13 zunehmend deutlich. Symbolisch wird es bereits am Ende von Kapitel 12 angedeutet. Der Herr erkennt nicht mehr seine Blutsverwandten als „seine Familie" an, sondern diejenigen, die den Willen seines Vaters tun, aus was für einem Volk sie auch stammen mögen.
Damit kommen wir zu der zweiten Herrlichkeit des Herrn, die wir im Matthäusevangelium finden: Er ist der Sohn Abrahams. Wenn das eigene Volk seinen Messias ablehnen würde, sollte Er von Gott einen noch herrlicheren Platz bekommen als den des Königs in Israel: Er sollte nicht nur über Israel regieren, sondern zum Segen für alle Nationen werden. Das wird im Propheten Jesaja vorhergesagt. Dort wird uns in prophetischer Weise ein Gespräch zwischen dem Herrn Jesus und seinem Gott mitgeteilt: „Ich aber sprach: Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt ... Und nun spricht der Herr ...: Es ist zu gering, dass du mein Knecht seist, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen. Ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um meine Rettung zu sein bis an das Ende der Erde" (Jes 49,4-6).
Das weist uns auf die Herrlichkeit des Sohnes des Menschen hin, der nach seiner Erniedrigung als Herrscher über die gesamte Schöpfung gestellt wird (vgl. Ps 8,7-9). Zugleich aber erinnert uns diese umfassende Herrlichkeit an Abraham. Abraham war der Träger der Verheißung, in dem alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollten (1. Mo 12,3). Noch deutlicher wird es im Blick auf den Sohn Abrahams gesagt: „Und in deinem Nachkommen werden sich segnen alle Nationen der Erde" (1. Mo 22,18). „Er sagt nicht ‚und den Nachkommen‘, als von vielen, sondern als von einem: ‚und deinem Nachkommen‘, welcher Christus ist" (Gal 3,16). In Ihm findet die Zusage Gottes an Abraham ihre Erfüllung. Denn allein in Ihm und durch sein Erlösungswerk am Kreuz kann es Segen für alle Nationen geben.
Markus: der Knecht und der Prophet Gottes
Das Markusevangelium stellt uns den Herrn Jesus von Anfang an als den treuen, fleißigen und vollkommenen Diener vor. Ständig lesen wir, dass Er „sogleich" das tat, was Gott Ihm aufgetragen hat. Unermüdlich ist Er im Einsatz für Gott und für die Seinen, seine Jünger, sein Volk. „Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele" (Mk 10,45). Sein ganzes Leben war ein Dienst für Gott und uns Menschen. Der Höhepunkt dieses Dienstes war sein Werk auf Golgatha, wo Er zu unserem Erlöser geworden ist.
Das aber ist nicht alles. Er ist nicht nur derjenige, der von der Erde aus seinem Gott im Himmel diente. Zugleich lesen wir in diesem Evangelium, dass Er der von Gott gesandte Prophet war, der die Worte Gottes, der im Himmel thront, an sein Volk auf der Erde richtete (Mk 1,38). Besonders in den Kapiteln 4 und 13 ist Er dieser große Prophet, den Mose angekündigt hatte, was Gott sogleich bestätigte: „Einen Propheten, gleich dir, will ich ihnen aus der Mitte ihrer Brüder erwecken; und ich will meine Worte in seinen Mund legen, und er wird alles zu ihnen reden, was ich ihm gebieten werde" (5. Mo 18,18). Dass in diesem Evangelium der Herr Jesus besonders als Prophet zu sehen ist, wird bekräftigt durch den Bericht des Berges der Verwandlung (Mk 9,2 ff.). Nur Markus nennt den Propheten Elia vor dem Gesetzgeber Mose (Mk 9,4).
Er selbst bestätigt, dass Er wirklich der Prophet Gottes war. In seiner Vaterstadt muss Er im Blick auf sich selbst klagen: „Ein Prophet ist nicht ohne Ehre, außer in seiner Vaterstadt und unter seinen Verwandten und in seinem Haus" (Mk 6,5). Niemand außer Ihm hat immer das Wort Gottes in Klarheit, Liebe und Wahrheit geredet. Er hat es immer getan.
Johannes: der Sohn des Vaters und der vollkommene Mensch
Kein anderes Evangelium zeigt uns so viele und vielfältige Herrlichkeiten unseres Herrn wie Johannes. Allein im ersten Kapitel findet man mindestens 21 Titel und Schönheiten seiner Person: das Wort, Gott, Schöpfer, das Leben, das Licht, (das) Fleisch, der Eingeborene, der Kommende, Jesus Christus, der Christus, der Prophet, der Rufende, der Herr, Jesus, das Lamm Gottes, der Sohn Gottes, Rabbi (Lehrer), Sohn des Joseph, der von Nazareth, der König Israels, der Sohn des Menschen. Und so könnte man in den weiteren Kapiteln fortfahren. Die Herrlichkeit unseres Retters ist unfassbar groß und seine Schönheiten unzählbar.
Abgesehen davon zeigt uns der Evangelist Johannes von Anfang an, dass der Herr Jesus der Ewige selbst ist, der ewige Sohn des ewigen Vaters. Seine ewige Existenz erkennen wir im ersten Vers: Er war „im Anfang". Zu welchem Anfang man auch zurückgehen wollte: Er war ... Seine ewige Beziehung zu Gott sehen wir daraus, dass es heißt: Er „war bei Gott". Dass Er der ewige Gott ist, können wir der nächsten Aussage entnehmen: „Das Wort war Gott." Dass Er als der Ewige der Sohn Gottes ist, lernen wir aus Johannes 1,14.18: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns (und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater) ... Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht." Er ist der Sohn des lebendigen Gottes, wie Petrus einmal sagt (Mt 16,16).
Johannes zeigt uns dazu noch eine wunderbare, zweite Seite. Es gibt kein Evangelium, das uns den Herrn Jesus dem Wesen nach so sehr als Mensch vorstellt, als gerade dieses vierte Evangelium. Lukas zeigt uns, wie wir sehen werden, den Herrn Jesus als „Sohn des Menschen". Diesen Titel benutzt der Herr Jesus immer wieder für sich. Aber das Wesen der Menschheit Jesu kommt gerade in dem Kontrast zu seiner göttlichen, ewigen Herrlichkeit zum Vorschein. Zu Beginn des vierten Kapitels heißt es, dass der Herr „durch Samaria ziehen musste" (Joh 4,4). Als der ewige und alles wissende Sohn Gottes wusste Er, dass in Samaria eine Frau war, die das Evangelium der Gnade annehmen würde. Aber nur wenige Worte später lesen wir: „Jesus nun, ermüdet von der Reise" (Vers 6). Da ist deutlich, dass der Evangelist den Herrn Jesus nicht unter dem Blickwinkel seiner ewigen Sohnschaft beschreibt. Da wäre niemals von Ermüdung die Rede. Aber Er war vollkommener Mensch, der sich nach einer längeren Reise ermüdet an dem Brunnen hinsetzt.
In Kapitel 19 lesen wir dann ein Wort, dass der Herr am Kreuz hängend ausgesprochen hat, was uns nur Johannes mitteilt. „Mich dürstet!" (Joh 19,28). Es ist wahr, Er sagte es, „damit die Schrift erfüllt würde". Denn als Mensch wolle Er alles erfüllen, was geschrieben war im Blick auf seine Leiden. Zugleich aber drücken diese Worte in einer Tiefe aus, was Er nach sechs Stunden furchtbarer körperlicher Qualen ohne jede Flüssigkeit als Mensch empfand: Durst. Dass dieser Ruf weit mehr beinhaltet als den Ruf nach Wasser, ist zweifellos richtig. Aber auch dieser körperliche Durst wird durch diese Worte deutlich.
Lukas - der Sohn des Menschen und der Sohn des Höchsten
Welche Herrlichkeiten finden wir nun im Lukasevangelium? Ich stelle den dritten Evangelisten an den Schluss, weil die beiden sich ergänzenden Seiten bei ihm vielleicht am schwierigsten zu entdecken sind. Auch bei ihm gibt es viele Seiten der (moralischen) Größe Jesu zu erkennen. Dennoch stechen auch in diesem Buch zwei Merkmale hervor, die sich in wunderbarer Weise ergänzen.
Das erste große Thema dieses Evangelisten ist es, den Herrn Jesus als den „Sohn des Menschen" zu beschreiben. Diesen Titel gibt sich der Herr Jesus immer wieder selbst. Er hat geradezu Freude daran, sich so zu bezeichnen. Dieser Titel hat besonders zwei Seiten:
- Zunächst wird deutlich, dass der Herr Jesus wirklich Mensch, vollkommener Mensch war. Adam, den ersten Menschen, den Gott selbst geschaffen hat, kann man diesen Titel nicht geben: „Sohn des Menschen". Denn er hatte keinen Vater und keine Mutter. Aber Christus war Sohn des Menschen! Er ist von einer Frau geboren worden. Er lebte wirklich als Mensch auf dieser Erde. Nicht von ungefähr ist es gerade Lukas, der uns die Ankündigung der Empfängnis Marias nennt (Lk 1,26 ff.), das wunderbare, göttliche Eingreifen Gottes (Lk 1,35) und auch die Geburtsumstände (Lk 2,1 ff.).
- Darüber hinaus verbinden sich mit diesem Titel sowohl die Leiden des Herrn Jesus während seines Lebens auf der Erde als auch seine zukünftige Verherrlichung. Bei seiner ersten Leidensankündigung sagt Er: „Der Sohn des Menschen muss vieles leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet und am dritten Tag auferweckt werden" (Lk 9,22). Auch seine Herrlichkeit wird vorhergesagt: „Und dann werden sie den Sohn des Menschen kommen sehen in einer Wolke mit Macht und großer Herrlichkeit" (Lk 21,27).
Dass gerade Lukas die Menschheit des Herrn bezeugt, wird immer wieder deutlich. Auch Matthäus spricht von seiner Geburt, aber bei weitem nicht so ausführlich wie Lukas. Nur Lukas erzählt uns die Begebenheit des 12-jährigen Kindes im Tempel in Jerusalem (Lk 2). Nur er spricht von dem Wachstumsprozess Jesu. Auch den Stammbaum führt Lukas im Unterschied zu Matthäus bis auf Adam, ja Gott, zurück (Lk 3). Kein anderer Evangelist zeigt uns Jesus so oft im Gebet. Das ist die vollkommene Abhängigkeit des Menschen von seinem Gott.
Aber auch im Lukasevangelium haben wir nicht nur eine Seite, die betont wird. Wenn Er besonders als der Sohn des Menschen gezeigt wird, so lernen wir hier auch, dass Er zugleich der „Sohn des Höchsten" ist. Genau als dieser wird Er Maria angekündigt: „Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben" (Lk 1,32).
Gott der Höchste - das war der Titel, den wir das erste Mal von Melchisedek in 1. Mose 14,19 hören. Es ist ein Titel, der Gott als die höchste Autorität im Himmel und auf der Erde zeigt, wie Er besonders im 1.000-jährigen Friedensreich gekannt sein wird. Durch Ihn, den Höchsten, wird es Segen für Israel und die Nationen geben. Der Sohn des Höchsten hat höchste Autorität (vgl. Lk 8,28).
Als Sohn des Höchsten wird der Herr Jesus der Kanal dieses Segens sein. So, wie der Titel „Sohn Gottes" offenbart, dass der Herr Jesus Gott ist, so spricht der Titel „Sohn des Höchsten" davon, dass der Herr Jesus dieser Höchste, dieser Gott ist. Ja, Er ist vollkommen Mensch, Er ist der Sohn des Menschen. Zugleich aber ist Er der Sohn des Höchsten, derjenige, der die Kennzeichen des Höchsten trägt. Denn „Kraft des Höchsten" hatte Maria überschattet, so dass das Heilige, das geboren werden würde, „Sohn Gottes" genannt wurde (Lk 1,35).
Dazu passt, dass sein Vorläufer, Johannes der Täufer, gerade in diesem Evangelium der „Prophet des Höchsten" genannt wird (Lk 1,76). Er zeugte nicht nur von Gott, der im Himmel thronte, sondern vom Sohn des Höchsten, der hier auf der Erde zugleich als Mensch lebte.
Und als der Herr Jesus als Sohn des Höchsten geboren worden war, war das zur Herrlichkeit Gottes in den höchsten Örtern (Lk 2,14), von woher Er auf diese Erde gekommen war. Weil Er nun auf der Erde lebte, konnte es an den Menschen ein Wohlgefallen geben.
Diejenigen, die ihr Leben in der Nachfolge des Sohnes des Höchsten führen, offenbaren Gottes Barmherzigkeit, Liebe und Güte. Das sind die Eigenschaften des Höchsten. Daher werden sie „Söhne des Höchsten" genannt (Lk 6,35). Sie gehören zum Sohn des Höchsten, der sich wiederum zu ihnen in göttlicher Gnade bekennt.
Wenn der Herr Jesus zur Aufrichtung des Königreiches auf die Erde zurückkommen wird, gibt es Frieden im Himmel und Herrlichkeit in den höchsten Örtern (Lk 19,38), dem Wohnort des Sohnes des Höchsten. Dann wird es ein volles Lob für Ihn geben, der hier als Mensch sein Leben in den Tod gab.
In keinem anderen Evangelium werden der Höchste und der Bereich des Höchsten so häufig erwähnt wie bei Lukas (siebenmal). Das lässt uns die Herrlichkeit des Herrn und seine Liebe zu denen, die Er mit sich verbindet, groß werden. Und zugleich denken wir daran, dass gerade dieses Evangelium eine wunderbare Hinführung zu den Briefen des Apostels Paulus darstellt. Dort finden wir die Erlösten der Gnadenzeit in Christus in den himmlischen Örtern, dem Bereich des Höchsten.
Freude in der Beschäftigung mit Ihm
Es lohnt sich, den Spuren dieser herrlichen Person in den vier Evangelien zu folgen. Das führt zu großer Freude. Auch wenn der Herr seine Jünger damals nach vollbrachtem Werk zurücklassen musste, kehrten sie mit großer Freude nach Jerusalem zurück. Denn sie hatten Ihn in ihren Herzen. Dieses Ergebnis werden auch wir kennen, wenn wir uns mit seiner herrlichen Person beschäftigen.
Quelle: bibelpraxis.de/a2774.html