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Beinahe 40 Jahre waren vergangen; Mose war nicht mehr der Knabe, der weinte; er war am Hof des Pharao inmitten all des Prunks aufgewachsen, gründlich unterrichtet in der Weisheit und Wissenschaft der Ägypter, wie es sich für den Adoptivsohn der Tochter des Königs schickte. Er war „mächtig in seinen Worten und Werken", der voraussichtliche Thronerbe des höchst zivilisierten Landes der Antike.

Aber eines Tages kam es ihm zum Bewusstsein, dass dieses Volk Israel, verachtet und gehasst von den Ägyptern, sein Volk war. Was für eine Entdeckung für einen Mann, der im Luxus und in der Herrlichkeit des Hofes eines hochmütigen und willkürlichen Pharao lebte! Diese Hebräer, „ein Gräuel für die Ägypter", waren „seine Brüder", das Volk Gottes!

Musste er denn alles verlassen, auf die Reichtümer Ägyptens verzichten, um sich mit der Schmach, die auf ihnen lag, zu verbinden? Wenn er, um sie zu befreien, die Fähigkeiten anwandte, die er während diesen 40 Jahren erworben hatte, würden sie ihn nicht als Befreier empfangen? -

Die menschlichen Gedanken...

Indem er König über Ägypten würde, könnte er sie tatsächlich begünstigen, ihre Last erleichtern; aber Gottes Gedanke war es, sie aus dem Land der Sklaverei herauszuführen. Das Volk würde ohne Zweifel verstehen, dass Gott ihnen die Befreiung durch seine Hand geben wollte.

Aber was würde der Pharao sagen? Wie könnte er seine Adoptivmutter verlassen, die ihn aus den Wassern gerettet hatte? Die göttliche Vorsehung hatte ihn an den Hof gebracht; sollte er ihn doch verlassen? Wäre es nicht besser, die zahlreichen Vorteile, die sich ihm boten, zu behalten?…

... sind nicht die Gedanken Gottes!

Er „weigerte sich, ein Sohn der Tochter des Pharao zu heißen". Er verweigerte die Reichtümer, die Ehren, die Herrlichkeit. Er ging hinaus zu seinen Brüdern, indem er die Trübsal wählte, die „Schmach des Christus". Mit welcher Freude werden sie die Befreiung annehmen! „Sie aber verstanden es nicht" (Apg. 7,25). Sie verwarfen ihn. Und nun musste er vor dem Zorn des Königs fliehen, aus dem Land Ägypten fliehen, in dem er aufgewachsen war, in die Wüste fliehen und dort als einfacher Hirte während 40 Jahren eine Herde hüten, die nicht einmal seine eigene war.

Das war es, was er erreicht hatte! Er hatte „sich geweigert", er hatte „gewählt", er hatte „dafür gehalten"… (Heb 11,24.25), er hatte alles aufgegeben für Gott; sein Fleisch fand nichts dafür. ... „Er schaute auf die Belohnung." In dieser Welt „hielt er standhaft aus, als sähe er den Unsichtbaren." Er kannte die glückselige Gemeinschaft mit Gott selbst. Sein Angesicht leuchtete, „weil er mit ihm geredet hatte". Und einst in der Herrlichkeit wird er seinen Lohn haben. ...

Joseph weigerte sich zu sündigen

„Er aber weigerte sich und sprach zu der Frau seines Herrn: … wie sollte ich dieses große Übel tun und wider Gott sündigen?" (1. Mose 39,8.9).

Ein junger Sklave, „gestohlen aus dem Land der Hebräer" - Joseph - erledigte treu seinen Dienst bei Potiphar. Sein Herr, der erkannte, „dass der Herr mit ihm war", bestellte ihn über sein ganzes Haus und über alles was er hatte. Aber der Feind, dem es nicht gelungen war, ihn umzubringen, noch ihn vom Weg der Treue zu Gott abzubringen, stand im Begriff, ihn auf eine ganz andere Weise zu versuchen.

Viele haben sich in den gewöhnlichen Versuchungen des Lebens treu bewahrt; aber sie sind tiefer gefallen als man je angenommen hätte, wenn es darum ging, der Unreinigkeit zu widerstehen, die „jugendlichen Lüste" zu fliehen.

Wachsamkeit auch nach täglichen Versuchungen

„Tag für Tag" erneuerte sich die Versuchung für Joseph. Aber vom ersten Angriff an „weigerte er sich", „hörte er nicht auf sie", als sie ihn aufreizte. Und als es „an einem solchen Tag" schien, dass er dem Bösen nicht mehr ausweichen könne, da „floh er" und verließ alles, um rein zu bleiben.

Das brachte ihm den Zorn seines Herrn ein, kostete ihn seine gute Stellung und bereitete ihm dafür die langen Jahre im Gefängnis. Aber das war der Weg Gottes, um ihn zur Herrlichkeit zu führen. Hätte er sich nicht geweigert, so hätte er ohne Zweifel die Jahre der Leiden nicht kennen gelernt, aber Gott wäre verunehrt worden. Das Wort hätte nicht wiederholen können: „Der Herr war mit ihm" und in den Jahren der Hungersnot, die auf Ägypten und der bewohnten Erde lasten sollten, wäre er nicht der „Retter der Welt" geworden.

Christus weigerte sich, Satan zu folgen und sich selbst groß zu machen

„Da spricht Jesus zu ihm: Geh hinweg, Satan! denn es steht geschrieben: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen" (Matth. 4,10).

Durch den Geist in die Wüste geführt, verbrachte der Herr Jesus dort 40 Tage und 40 Nächte, allein und ohne zu essen. Und „danach hungerte ihn". Was wäre natürlicher gewesen, als sich seiner eigenen Macht zu bedienen, um die dringenden Bedürfnisse seines Körpers zu stillen?

Aber er weigerte sich. Er wollte nicht auf die Veranlassung Satans hin das Wort sagen, das genügt hätte, um aus den Steinen Brot zu machen. Er weigerte sich, seine Vorrechte als Sohn Gottes dadurch zu behaupten, dass Er sich von der Zinne des Tempels warf. Er weigerte sich, den Teufel anzubeten, um die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit zu bekommen: Er war nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen, Er, der die ewige Herrlichkeit verlassen hatte, um als niedriger Mensch in diese Welt zu kommen.

Eine große Wolke von Zeugen umgibt uns, aber wie weit übertrifft das vollkommene Vorbild sie alle!

Weigerst auch Du Dich?

Nein sagen, wenn das Ich im Spiel steht; keine „Vorsorge treiben für das Fleisch zur Erfüllung seiner Lüste" (Rö 13,14); die Ehre und Herrlichkeit dieser Welt verweigern; der Unreinheit widerstehen; das Böse fliehen, das sich auf so viele, manchmal sehr feine Arten uns aufzwingen will; sich weigern, dem Feind unserer Seelen zu huldigen, auch wenn es sich um einen zeitlichen Vorteil handelt; liegt nicht darin die unentbehrliche „Selbstverleugnung" derer, die dem Herrn Jesus nachfolgen wollen? Es ist ein Weg der Leiden, aber auch ein Weg der Herrlichkeit. Es ist der Weg, den Er durchlaufen hat, den wir betrachten müssen, wenn wir nicht ermüden und in unseren Seelen ermatten wollen (Heb 12,3).

Wenn wir unsere Augen auf Ihn richten, werden wir lernen zu weigern, zu wählen, abzuschätzen, auf die Belohnung zu schauen - indem wir den Tag erwarten, an dem unsere befriedigten Herzen nichts mehr zu verweigern haben werden, weil alles, was uns im Haus des Vaters umgibt, vollkommen den Gedanken und dem Herzen Gottes entsprechen wird.

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Mit freundlicher Genehmigung des Beröa Verlages
Halte Fest Jahrgang 1979 - Seite: 274

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