Buchbesprechung: Frei.Mann.Sein (Jeremy Hammond)

Lesezeit: 9 Min.

Dieses im Juni 2018 bei SCM R. Brockhaus neu erschienene Buch wendet sich explizit an Männer. Sie sind diejenigen, die am meisten unter der Pornografie-Sucht leiden. Es richtet sich an alle, die in dieser Abhängigkeit mehr oder weniger regelmäßig leben und sich ein Leben ohne Pornografie wünschen, die von dieser Sucht freiwerden wollen.

Das Buch

Dieses Buch ist eine Art Arbeitsheft. Es ist nicht nur zum Lesen und Konsumieren geschrieben worden, sondern lädt in jedem Kapitel dazu ein, sich selbst über sein Leben Gedanken zu machen und Fragen zum Thema, zu Bibelstellen und zum eigenen Leben und zum Umgang mit Pornografie zu beantworten. Es zeigt, dass ein gläubiger Mann wirklich freiwerden kann von der Sünde und Sucht der Pornografie. Es macht Mut, sich seiner Sünde und seinen Problemen zu stellen und sich nicht entmutigen zu lassen.

Das Buch umfasst 297 Seiten, die großzügig und gut lesbar beschrieben worden sind, und ist bei SCM R. Brockhaus erschienen. Es kostet 20 Euro.

Der Autor

Jeremy Hammond als Herausgeber und Hauptautor dieses Buches beschreibt in einer der fünf Lebens-„Storys", die über das Werk verstreut eingeflochten werden, seinen eigenen Lebensweg. Er war gefangen in Pornografie und Unmoral. Als Missionarskind behütet aufgewachsen war er von dem Augenblick an, als er zum ersten Mal pornografisches Material vor die Augen bekam, gefangen. Es wurde immer schlimmer, obwohl er selbst den Wunsch hatte, dem Herrn zu dienen (und auch die in vielen christlichen Gemeinschaften angebotene pastorale Ausbildung genossen). Der Herr sprach in sein Leben hinein (nicht durch ein Unglück) und Hammond verstand, dass nur ein konsequentes Hinwenden zum Herrn und Abstehen von dieser Sünde zu einem Leben zur Ehre des Herrn und zu persönlichem Glück führt.

Inzwischen ist Hammond Gründer und Leiter von free!ndeed. Die überkonfessionelle Arbeit von free!ndeed ist eng verbunden mit dem römisch-katholischen und charismatisch orientierten Gebetshaus Augsburg, das unter der Leitung von Johannes Hartl steht.

Gliederung

Herz des Buches sind 15 Arbeitseinheiten, die der Autor Jeremy Hammond um die fünf Prinzipien der Freiheit gruppiert:

1. Motivation - die Ehre Gottes

2. Radikale Ehrlichkeit

3. Radikale Amputation

4. Offensiv mit dem Wort Gottes kämpfen

5. Identität und Würde

Die 15 Einheiten bauen inhaltlich aufeinander auf. Ausgangspunkt ist die richtige Veränderungs-Motivation. Schlusspunkt ist das Verwirklichen der uns von Gott geschenkten Würde. Die meisten Lektionen beginnen mit einem Bibelvers und einer Erklärung des Kapitelinhaltes, verbunden mit einem thematischen Input. Daran schließen sich Fragen an, für deren schriftliche Beantwortung ausreichend Platz im Buch gelassen wird. Diese Fragen wechseln sich mit inhaltlichen Weiterführungen ab.

Am Schluss der meisten Kapitel gibt es eine Rubrik „Gehe tiefer", wo angeregt wird, über Bibelverse nachzudenken, die das Thema vertiefen sollen. Dann folgen die nach jeder Einheit wiederkehrenden „Rechenschaftsfragen", wie man in der letzten Zeit mit Pornografie umgegangen ist. Diese Form hat Hammond aus dem alten Kurs von Setting Captives Free übernommen, durch den er selbst zur Freiheit geführt wurde.

Eingestreut in die Einheiten werden fünf „Storys von betroffenen Personen, die also selbst im „Sumpf" der Pornografie gelebt haben, davon aber durch Gottes Gnade freigekommen sind. Alle fünf arbeiten an prominenter Stelle bei free!ndeed mit. Kurzgedanken anderer Betroffener und Befreiter werden ebenfalls in einzelnen Kapiteln weitergegeben.

Den Schlussteil des Buches bilden die sogenannten Grundlagen der Publikation. Hier werden die fünf Prinzipien der Freiheit erklärt und Hilfestellungen gegeben, wie man eine eigene Selbsthilfegruppe startet. Darüber hinaus wird dort um Pioniere und Heros für free!ndeed geworben, „Fighter Verse" als Hilfestellung für Betroffene genannt und erklärt sowie das Grundprinzip von Rechenschaft („Rechenschaft Reloaded") vorgestellt.

Im Folgenden nenne ich einige einzelne positive bzw. negative Kritikpunkte am Buch:

+ Aufmachung/Präsentation

Das Buch ist sehr gut lesbar. Man merkt dem Buch an, dass es (bis auf wenige Fehler) gut lektoriert worden ist und wirklich so verfasst wurde, dass es ein Leser gut aufnehmen sowie verarbeiten kann und gerne weiterliest. Das Druckbild ist sehr gut, die Aufmachung professionell.

+ die beste Motivation am Anfang

Jeremy Hammond macht bereits in Einheit 1 deutlich, dass eine entscheidende Weichenstellung für Erfolg oder Misserfolg eines Veränderungsversuchs darin liegt, mit was für einer Motivation man sich von der Pornografie als Macht der Sünde und Sucht im eigenen Leben verabschieden möchte. Allein die Motivation, ein Leben zur Ehre des Herrn, zur Ehre Gottes leben zu wollen, wird am Ende und dauerhaft tragen. So gut es ist, die eigene Ehe retten zu wollen, das allein wird keine Kraft und nicht die richtige Perspektive zu dem Veränderungsprozess geben können.

Dieses Kapitel ist für mich der Höhepunkt dieses Buches.

+ die 15 Einheiten

Die 15 Einheiten sind alle gut eingeleitet, hilfreich aufgebaut, sehr sinnvoll angeordnet sowie erklärt und führen betroffene Porno-Süchtige auf gute Weise weg von der Pornografie. Wer wirklich mit der richtigen Motivation an dieses Thema geht und dann auf diesen Treppenstufen weitergeht, hat gute Chancen, wenn er durchhält und ernsthaft an echter Veränderung interessiert ist, von der Pornografie loszukommen.

Sehr erstaunlich war und ist für mich, dass in diesen 15 Lektionen nach meinem Leseempfinden (obwohl ich diese Frage mit kritischem Auge angesehen habe) nicht zu erkennen ist, dass hinter dieser Arbeit charismatisch orientierte Christen stehen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Hauptautor, Jeremy Hammond, im katholisch-charismatischen Augsburger Gebetshaus zu Hause war und ist, mit dem die Arbeit von free!ndeed eng verbunden ist, ist dies sehr erstaunlich.

+ Pornografie ist Sünde

Ich finde es wichtig und richtig, dass Pornografie in diesem Buch nicht nur als Sucht, sondern auch klar als Sünde bezeichnet wird. Damit wird klar, dass es nicht nur um eine Schwachheit geht, oder Krankheit, sondern um eine Sünde, die man bekennen, über die man Buße tun und die man lassen muss.

+ Einzelpunkte

Man könnte nun eine ganze Anzahl einzelner positiver Aspekte nennen, die ich in diesem Buch gefunden habe. Gerade in den 15 Einheiten kann man nicht nur das Freiwerden von Pornografie lernen, sondern manche wichtige Einzelheiten kennenlernen, die für das persönliche Glaubensleben von Hilfe sind. Diese Punkte wird ein Leser selbst herausfinden.

- die Bibelübersetzung

Leider wird im Wesentlichen die Übersetzung „Neues Leben" für Bibeltexte verwendet. Das ist eine kommunikative Übersetzung, die den eigentlichen Bibeltext nur sehr unzureichend wiedergibt. Schade bei einem Buch, das sonst viel Wert auf Details legt.

- Muss ein Seelsorger Problem A gehabt haben, um helfen zu können?

Die Tatsache, dass bei free!ndeed nur solche Personen als Seelsorger arbeiten, die selbst früher pornografiesüchtig waren, legt den Schluss nahe, dass man selbst ein Problem gehabt haben muss, um anderen bei der Bewältigung dieses Problems helfen zu können. Das schimmert auch durch dieses Buch hindurch. Und diese Überzeugung haben genauso manche Betroffene. Sie ist nachvollziehbar, aber so nicht haltbar.

Wenn wir vom Herrn Jesus als dem vollkommenen Seelsorger einmal absehen, finden wir, dass sich Paulus seelsorgerlich auch zu Themen äußert, zu denen er selbst keine praktische Erfahrung beitragen konnte. Er spricht über Ehe und Familie, obwohl er selbst unverheiratet war. Das zeigt, dass nicht derjenige am besten geeignet ist, der selbst mitten in der Sünde gelebt hat, sondern derjenige, den Gott für eine solche Aufgabe beauftragt hat. Das heißt nicht, dass Gott nicht gerade solche „Befreite" wie Hammond benutzen kann und wird. Wir sind dankbar für sie!

- Charismatik und Selbstbeschwörung

Während ich beim Lesen des Hauptteils des Buches viel Positives gefunden habe, war ich zunehmend entgeistert, als ich den Anhang (Grundlagen) las.

Zunächst einmal macht mir die oben genannte positive Bemerkung im Umkehrschluss große Sorgen. Das Buch gibt im Hauptteil keinen Anlass zu denken, dass Charismatiker die Arbeit bei free!ndeed übernehmen. Im Anhang wird aber sehr dafür geworben, Kontakt mit free!ndeed aufzunehmen. Und damit ist man in Händen von solchen, die in Sprachen reden und (jedenfalls zum Teil, in jedem Fall der Leiter) der charismatischen Idee anhängen oder aufgeschlossen sind. In einem Interview (ideaSpektrum) hat der Leiter des Augsburger Gebetshauses, Johannes Hartl, die Kritik am Sprachenreden (heute) mit einem Satz abgetan: Er könne die Argumente nicht nachvollziehen.

Mit anderen Worten: Wer nach der Lektüre dieses Buches denkt, er sei in guten, „konservativen" Händen gelandet, ahnt nicht, wenn er die Kurse von free!ndeed und Live-Veranstaltungen im Augsburger Gebetshaus „bucht", dass er in die Hände von Charismatikern gelangt.

Das wird im Anhang „endlich" allerdings auch an der Wortwahl deutlich. Da gibt es „Fighter Verse", die von Monika Flach präsentiert werden. Sie ist verantwortlich für „Kingdom Impact", einer hochcharismatische Einrichtung. Sie gründete Heilungsräume (Hannover), leitete ein großes Heilungsteam, schult und bildet prophetische Trainer aus.

So werden „Helden" gesucht, die Land einnehmen wollen, die mutig neue „Frontlinien" abstecken und Pfähle in den Boden rammen. Man sucht, dass eine ganze „Armee" von Männern in Freiheit kommt. Es geht um „Freiheitskämpfer", Männer sollten gleich Länder wie Deutschland, Österreich und Schweiz „gestalten".

Dann wird dazu aufgefordert, selbst erdachte Sprüche laut aufzusagen (S. 282.284.288), um dadurch besser daran zu glauben und in diesem Kampf stärker zu werden. Auch auf S. 287 findet sich solch eine Art Selbstbeschwörung. Dabei ist zu bedenken, dass das Buch von vielen gelesen wird, die selbst noch gar nicht frei sind von der Pornografie. Dann aber solche „ich danke dir, dass ich befreit bin ..." Sprüche aufzusagen, führt in die Irre und zu einer falschen Selbstsicherheit. Ich kann nur davor warnen, so etwas aufzusagen, wenn es sich nicht um wirklich gemachte Erfahrungen geht.

Wer sich ein bisschen im Vokabular charismatischer Autoren und Gemeinden auskennt, wird im Anhang manche Ausdrücke wiederfinden. Schade, dass einem an sich guten Buch durch den Teil, der sich „Grundlagen" nennt, das Fundament entzogen wird.

- Selbsthilfegruppen

Es mag merkwürdig klingen, wo wir uns an Selbsthilfegruppen im Allgemeinen gewöhnt haben, die Frage überhaupt zu überdenken: Wo finden solche Gruppen ihr Fundament in Gottes Wort? Ich sage nicht, dass solche Gruppen nicht auch positive Ergebnisse hervorgebracht haben. Aber ich kann nicht erkennen, dass Gottes Wort dazu ermutigt, Selbsthilfegruppen einzurichten. Was wir in der Bibel finden, sind Hirten (Seelsorger), die sich um Gläubige (oder Ungläubige) in Not kümmern, auch in Sündennot. Die Schafen (Einzelnen) nachgehen und sie an die Hand nehmen, sie ermutigen, motivieren, warnen, ermahnen, überzeugen, überführen usw.

Abwegig ist der auf S. 265 geäußerte Gedanken, dass man sich auf Matthäus 18,20 berufen kann, wenn eine solche Gruppe beisammen ist. Natürlich hilft der Herr uns, wenn wir als Christen zusammensitzen. Er möchte uns segnen. Aber es ist sicher keine Zusammenkunft „als Versammlung" (als Gemeinde).

Natürlich kennt Gottes Wort auch, dass sich solche zusammenfinden, die den Herrn fürchten (Mal 2,16). Aber dass sich eine Gruppe von solchen zusammenfindet, die in Problemen lebt, und sich gegenseitig hilft, ist fast, also ob man sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf herausholen kann.

Dabei wird auch das biblische Prinzip, dass wir einander die Sünden bekennen sollen (Jak 5,16) in einer unbiblischen Weise angewendet (S. 266). Nicht gemeint ist nämlich, dass man sich in einer Gruppe zusammensetzt und jeder seine Sünden nennt und bekennt. Das finden wir in Gottes Wort so nicht. Aber wenn ich gegen Person X gesündigt habe, soll ich ihr diese Sünde bekennen. Und wenn Person X gegen mich gesündigt hat, soll sie es mir bekennen. „Bekennt einander" - nicht in einer Gruppe, sondern jeder demgegenüber, gegen den er gesündigt hat.

Auch kann eine Gruppe einer einzelnen Person keine Vergebung zusprechen (S. 269). Gott kann mir vergeben, auch derjenige, gegen den ich gesündigt habe und dem ich meine Sünde bekannt habe. Irgendeine Gruppe aber hat keine Vergebungskompetenz. Hilfreich ist es natürlich, wenn mich andere ermutigen, die Zusagen des Wortes Gottes, wie sie beispielsweise in 1. Johannes 1,9 ausgedrückt werden, anzunehmen.

Mehr möchte ich in dieser Besprechung auch an negativen Punkten nicht nennen, obwohl mir noch weitere aufgefallen sind. Aber die entscheidenden Punkte habe ich benannt.

Empfehlung?

Kann man nun das Buch empfehlen? Ich meine, dass - abgesehen von einem seltsamen Vorwort und den kritisierten Grundlagen - dieses Buch eine sehr wertvolle Hilfestellung gibt, von der Pornografiesucht wegzukommen. In diesem Sinn empfehle ich Frei.Mann.Sein ausdrücklich. Auch die Erklärung der 5 Prinzipien der Freiheit ist hilfreich. Leider fehlt hier eindeutig das Gebet als eigenständiges Prinzip.

Wer einen Seelsorger sucht, wird auf einem anderen Weg als dem in diesem Buch angebotenen zu Hirten finden, die ihn auf dem Weg zur Reinheit unterstützen werden. Hoffentlich ... Wer zunächst Angst hat, in der örtlichen Versammlung (Gemeinde) eine vertrauenswürdige Person, die schweigen kann, zu finden, der sei auf die Seiten wie www.bibelseelsorge.de aufmerksam gemacht. Zugleich ist das eine Ermahnung und Ermunterung, dass solche, die am Ort und darüber hinaus einen biblischen Hirtendienst ausüben, sich bewusst und zeitnah und auch kenntnisreich um Gläubige kümmern, die in Sündennot wie Pornografie sind. Sie brauchen unsere Hilfe. Sie sind unserer Hilfe wert!

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