Freude und Weinen

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Freude und Jubel

Für den aus der Gefangenschaft zurückgekehrten Überrest war es ein Tag großer Freude und lauten Jubels, als der Grund zum Tempel gelegt wurde. Schon zuvor hatten sie sich auf das Wort besonnen, "wie geschrieben steht in dem Gesetz Moses, des Mannes Gottes", um Anweisungen zu finden bezüglich des Altars, der Opfer und der Feste. Und so griffen sie auch jetzt auf die "Anweisung Davids, des Königs von Israel", zurück, um sich in ihrem Lobgesang leiten zu lassen (vgl. 2. Chr 5,12.13).

In der Wüste lesen wir nichts von Freudengesängen; am Ufer des Roten Meeres hatten sie zwar das Lied der Erlösung angestimmt, aber sogar dieses erstarb bald auf ihren Lippen und wurde durch Worte des Murrens abgelöst, hervorgerufen durch die Entbehrungen und Gefahren ihrer Pilgerreise. Als aber die Bundeslade in Zion einen Ruheort fand, wenn auch nur für eine Zeit, da bestellte David "vor die Lade des HERRN einige von den Leviten als Diener, dass sie des HERRN, des Gottes Israels, gedächten und ihn priesen und rühmten". Asaph und andere sollten mit Harf-Instrumenten und mit Lauten spielen. Andere ließen Zimbeln erklingen, und gewisse Priester bliesen in die Trompeten. "An jenem Tage trug David zum ersten Male Asaph und seinen Brüdern auf, den HERRN zu preisen“, und in jenem Lied kamen die Worte vor: „Preiset den HERRN, denn er ist gütig, denn seine Güte währt ewiglich!" (1. Chr 16).

So gering an Zahl und schwach die Kinder Israel auch waren, die sich an diesem Tag auf dem Berg Morija versammelten, so waren sie doch peinlich genau im Gehorsam gegenüber dem Wort. Mit dem Werk des Herrn beschäftigt, erkannten sie richtig, dass menschliche Gedanken und menschliche Weisheit darin keinen Platz haben durften. Der Herr, und allein der Herr, hatte zu bestimmen, wie man sich in Seinem Haus verhält.

Bei dieser Freudenfeier sind drei Klassen zu unterscheiden: Da waren Priester in ihrer Kleidung mit Trompeten, die Söhne Asaphs mit Zimbeln, und außer diesen war da auch das Volk, das auf den Lobgesang, den es hörte, mit Jubelgeschrei antwortete, weil der Grund zum Hause des HERRN gelegt wurde. Nur den Priestern war es gestattet, mit den heiligen Trompeten zu blasen (siehe 4. Mose 10); denn um zu unterscheiden, wann die Töne des Zeugnisses und des Lobpreises zu erklingen hatten, musste man an heiligem Ort in der Gegenwart Gottes in Gemeinschaft mit Seinen Gedanken stehen. So sollten auch nur die Söhne Asaphs, die Leviten, "nach der Anweisung des Königs" die heiligen Zimbeln erklingen lassen (1. Chr 25,6). So vorschriftsgemäß zusammengestellt, "hoben sie einen Wechselgesang an mit Lob und Dank dem HERRN", und das Leitmotiv ihres Liedes war: "Lob und Dank dem HERRN; denn er ist gütig, denn seine Güte währt ewiglich über Israel."

Weinen

"Viele aber von den Priestern und den Leviten und den Häuptern der Väter, den Alten, welche das erste Haus gesehen hatten, weinten mit lauter Stimme, als vor ihren Augen der Grund zu diesem Hause gelegt wurde; viele aber erhoben ihre Stimme mit freudigem Jauchzen. Und das Volk konnte den Schall des freudigen Jauchzens nicht unterscheiden von der Stimme des Weinens im Volke; denn das Volk erhob ein großes Jubelgeschrei, und der Schall wurde gehört bis in die Ferne" (Verse 12.13).

Diese Verse zeigen, dass sich auch Tränen des Schmerzes in ihren Lobgesang mischten. Vers 12 berichtet davon, dass manche der Priester, der Leviten und der Häupter der Väter alte Leute waren, die den Tempel Salomos in all seiner Herrlichkeit und seinem Glanz gesehen hatten. Wenn sie diesen Tempel mit dem Haus verglichen, das sie jetzt zu bauen begannen, mussten sie laut weinen, während andere vor Freude jauchzten. Und sicherlich waren sowohl die Tränen der einen wie auch der Jubel der anderen den Umständen des Tages angemessen. Es war ganz natürlich, dass die, welche die Herrlichkeit des Reiches und die sichtbare Wolke der Gegenwart des HERRN im ersten Tempel gesehen hatten und jetzt die Verwüstung Jerusalems vor Augen hatten und ihren gegenwärtigen Zustand der Verarmung fühlten wie auch ihre Schwachheit im Bestreben, das Haus Gottes aufs neue zu errichten, nun neben ihrer Dankbarkeit auch tiefen Schmerz fühlten. Anderseits empfanden solche, die nur an die Gefangenschaft in Babel dachten, wo sie weder Altar noch Tempel gehabt hatten, unvermischte Dankbarkeit und Freude. Zweifellos waren sowohl die Tränen als auch der Jubel dem Herrn wohlgefällig, da beides die Frucht der Wirksamkeit Seiner Gnade in ihren Herzen war.

Sehen wir da nicht eine Parallele zu unseren Tagen? Als der Herr im vergangenen Jahrhundert einige aus Seinem Volk - geistlich gesprochen - aus der "babylonischen Gefangenschaft" herausführte, traten sie aufs neue in den Besitz ihrer priesterlichen Vorrechte des Zugangs zu Gott und der Anbetung ein. Aus dem Wort erkannten sie von neuem die wahre Grundlage der Kirche und suchten bei aller Schwachheit, diesen Grund einzunehmen. Da konnten ihre Herzen in der Kraft des Heiligen Geistes nicht anders als in Lob und Dank ausbrechen.

Anderseits, wenn die Alten, die im Wort besser unterrichtet waren und oft über die Schönheit und Ordnung der Versammlung in den ersten Tagen ihres Bestehens nachgedacht hatten, sie mit ihren eigenen schwachen Anstrengungen verglichen, mit den Anweisungen der Schrift in Übereinstimmung zu kommen, und sich dabei bewusst wurden, wie viele ihrer Brüder in der Gefangenschaft zurückgeblieben waren, so war Schmerz ebenso angemessen wie Freude. Es konnte nicht anders sein, als dass sich beides miteinander verband, so dass es - wie im Fall der Kinder Israel - schwierig sein mochte, "den Schall des freudigen Jauchzens" zu unterscheiden "von der Stimme des Weinens im Volke".

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