Als Autist: Wie kann ich den Missionsbefehl in die Tat umsetzen? (FMN)

Lesezeit: 5 Min.

Wie kann ich den Missionsbefehl in die Tat umsetzen? Wegen meines Autismus‘ fällt mir das schwer!

Viele Grüße J.

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Liebe(r) J.,

Herzlichen Dank für Deine Mail. Ich kann gut verstehen, dass es Dir angesichts Deiner persönlichen Situation nicht so leicht fällt, missionarisch tätig zu werden. Für Deinen Autismus kannst Du nichts! Daher wird Gott Dich auch in keiner Weise für etwas verantwortlich sehen oder machen, was durch diese Entwicklungsstörung bedingt ist. Nicht jeder kann alles machen. Es wäre sogar schädlich zu meinen, man müsse alle geistlichen Aufgaben ausführen. Ich möchte Dir daher Mut machen, in den Bereichen tätig zu werden, in denen Du das auch mit Autismus gut tun kannst.

Der Grundsatz: Bei weitem nicht jeder ist Missionar!

Ich möchte aber noch etwas Grundsätzlicheres hinzufügen. Denn Du bist bei weitem nicht der Einzige, der sich mit dem Missionsauftrag an die Jünger schwer tut. Und das liegt nicht nur an persönlichen Neigungen und einer persönlichen Veranlagung. Es liegt einfach daran, dass der Missionsauftrag, wie der Herr Jesus ihn damals seinen Jüngern anvertraut hat, überhaupt nicht jedem Gläubigen uneingeschränkt gilt!

Es ist nicht zu übersehen, dass der Missionsbefehl in erster Linie den Jüngern und Aposteln damals galt. „Geht hin in die ganze Welt und predigt der ganzen Schöpfung das Evangelium" (Mk 16,15), sagte der Herr zu seinen Jüngern. Er spricht dann über die Folgen und Begleitumstände. Die dort genannten Wunder zeigen, dass es nicht um einen Auftrag für alle Zeiten und für jeden geht, sondern gerade um die Ausbreitung des Evangeliums in der ersten Zeit. Die hier genannten Wunder waren sehr schnell „Vergangenheit" (Heb 2,4). Das unterstreicht: Wir können diesen Befehl des Herrn nicht ohne Weiteres verallgemeinern und einfach auf uns beziehen.

Dasselbe gilt für den Auftrag, wie Matthäus ihn wiedergibt: „Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu bewahren, was ich euch geboten habe (Mt 28,19.20). Es gab damals noch kein vollständiges Wort Gottes. Daher waren die Apostel die amtlichen „Weiterträger" alles dessen, was der Herr ihnen gesagt hatte und was die Grundlage der Gemeinschaft der Gläubigen in der ersten christlichen Zeit bildete (Apg 2,42). Auch diese Botschaft galt daher den Aposteln, nicht allen Christen.

Den Inhalt und die Tragweite der genannten Verse unterstreicht der Herr ein weiteres Mal kurz vor seiner Himmelfahrt: „Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommt; und ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde" (Apg 1,8). Es waren die Apostel, denen der Herr diesen Auftrag gegeben hatte. Sie haben ihn nach und nach dann auch ausgeführt. Dass Gott dafür besonders den Apostel Paulus vorgesehen hat, wussten die anderen Apostel damals nicht. Es wird aber interessanterweise direkt mit der Bekehrung von Paulus deutlich gemacht (Apg 9,15; 22,15; 26,16-18; Gal 1,15.16).

Ein Evangelist tut das Werk eines Evangelisten

Es gibt also keinen allgemeinen Missionsbefehl, der sich an alle Christen wendet. Wir finden auch keinen Auftrag des Herrn, dass alle Gläubigen das Evangelium verkündigen sollen. Der Her hat einige als Evangelisten begnadet und als Gaben der Versammlung gegeben (Eph 4,11.12). Es sind nicht alle Evangelisten! Denen, die dazu begabt sind, wird dann gesagt, wie Timotheus: „Tu das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst" (2. Tim 4,5). Timotheus hatte somit diesen Dienst, daher konnte er ihn auch ausführen. Jemand diesen Auftrag zu geben, der gar nicht diesen Dienst und die dafür nötige Gnade hat (1. Pet 4,10; Eph 4,7), wäre ungefähr so, als ob man einem Schuhmacher sagte: „Tu das Werk eines Bäckers!" Ich glaube, Du kannst Dir vorstellen, was für Lederbrötchen daraus hervorkämen.

Es hat also nicht jeder die Aufgabe, in die Mission zu gehen und zu evangelisieren. Dass das bei Dir gut nachvollziehbar ist, hast Du mit dem Autismus sehr hilfreich beschrieben. Der Herr Jesus „bestätigt" das auch. In einem Gleichnis sagte Er: „Und einem gab er fünf Talente, einem anderen zwei, einem anderen eins, jedem nach seiner eigenen Fähigkeit; und sogleich reiste er außer Landes" (Mt 25,15). Geistliche „Talente" stehen also in einer Beziehung zu irdischen „Fähigkeiten". Sie sind nicht dasselbe! Aber es gibt eine Verbindung zwischen irdischen Begabungen und einer geistlichen Gabe. So kann man gut nachvollziehen, wenn Du erkennst, dass der Herr Dir nicht die Gabe des Evangelisten und Missionars gegeben hat. Er hat Dir dafür andere natürliche und geistliche Fähigkeiten und Gaben übertragen. Lass Dich also nicht durch eine einseitige Sichtweise unter Druck setzen. Das würde geschehen, wenn man von dir etwas verlangt, was du nicht erfüllen kannst

Aber: Zeuge sollte jeder sein!

Jeder wiedergeborene Christ sollte natürlich ein Zeuge des Herrn Jesus sein! Für jeden gilt: „Seid jederzeit bereit zur Verantwortung gegen jeden, der Rechenschaft von euch fordert über die Hoffnung, die in euch ist" (1. Pet 3,15).Und natürlich ist es richtig und empfehlenswert, einen Flyer oder ein Traktat weiterzugeben.

Niemand also sollte den Hinweis, dass der Missionsbefehl sehr konkrete Bedeutung damals hatte und nicht uneingeschränkt auf heute übertragbar ist, dazu benutzen, sich einfach zurückzulehnen. Sind wir noch Lichter in der Welt, die etwas von dem zeigen (und sagen), was wir selbst erlebt haben? Wie gesagt: Christliche Kalender, Flyer und Traktate kann jeder verteilen, auch wenn er kein Evangelist ist, denn dies gehört zu unserer Aufgabe als Zeugen Christi.

Auch als Autist ...!

Wenn Du wegen Deines Autismus‘ kontaktscheu bist, kannst Du einen solchen Flyer an passende Stellen hinlegen oder in Briefkästen verteilen. Vielleicht machst du das ja auch. Wer weiß, wenn Du dann auf einmal in ein Gespräch verwickelt wirst, vielleicht merkst Du, dass der Herr Dir doch auch für diese Tätigkeit eine Begabung gegeben hat!? Vor allem aber: „Vollführe DEINEN Dienst!" Der Herr hat Dir Begabungen geschenkt, die Du für Ihn nutzen kannst. Dazu wünsche ich Dir viel Freude und Entschiedenheit.

Ich habe Dir etwas ausführlicher geschrieben, weil ich dieses Thema für sehr wichtig halte. Immer wieder erlebe ich, dass sich gerade jüngere Christen durch Aussagen, der Missionsbefehl gelte uns allen, unter Druck gesetzt fühlen und sich (völlig) überfordert fühlen. Das aber ist gar nicht nötig, weil dieser Befehl nicht ohne Weiteres auf uns übertragen werden kann.

Herzliche Grüße

Dein Manuel

Folge mir nach – Heft 4/2021

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