Gedanken zum Singen (oder Singverbot)

Lesezeit: 15 Min.

Voraussetzung für Singen: die Erlösung (2. Mo 15)

Gott schenkt uns Menschen mit dem Singen etwas Besonderes. Das finden wir bei keinem anderen Geschöpf. Natürlich können auch Vögel „singen“. Aber das hat nichts mit dem zu tun, was man in Übereinstimmung mit Gottes Wort verständiges, einsichtsvolles Singen aus dem Herzen nennen kann. Selbst von Engeln lesen wir an keiner Stelle, dass sie gesungen hätten.

Das erste Lied, von dem uns Gottes Wort berichtet, fand nach der Erlösung aus Ägypten (Passah und Durchzug durch das Rote Meer) statt. Daher ist es nicht verkehrt zu sagen, dass die erfahrene Erlösung Voraussetzung für Gott wohlgefälliges Singen ist. Weil wir Erlöste sind, singen wir Gott aus Dankbarkeit und Freude. So lesen wir es beim Volk Israel: „Damals sangen Mose und die Kinder Israel dem HERRN dieses Lied und sprachen so: Singen will ich dem Herrn, denn hoch erhaben ist er; das Pferd und seinen Reiter hat er ins Meer gestürzt. Meine Stärke und mein Gesang ist Jah, denn er ist mir zur Rettung geworden; dieser ist mein Gott, und ich will ihn verherrlichen, meines Vaters Gott, und ich will ihn erheben“ (2. Mo 15,1.2).

 

Unterschied zwischen Altem und Neuem Testament

Im Alten Testament lesen wir öfter, dass gesungen wird. Besonders David und unter seiner Königsherrschaft Asaph waren Sänger, die das Volk Gottes ermunterten, Gott zu singen. In ihrer Zeit wurde auch der Tempelgesang eingeführt, der dann vermutlich in der Zeit von Salomo seinen Höhepunkt hatte. Dieser Gesang sollte zweifellos von Herzen sein. Dennoch waren Musikinstrumente und Begleitung auffällige und wichtige Bestandteile des Singens (2. Sam 6,5; 1. Chr 15,16; 2. Chr 5,13).

Das ist im Neuen Testament anders. Dort lesen wir nicht von Instrumenten, die das Singen begleiten. Erst wieder in dem Buch der Offenbarung finden wir Instrumente (Off 5,8; 14,2; usw.). Das hat damit zu tun, dass in diesem Buch viele Symbole verwendet werden. Wir sollten somit nicht davon ausgehen, dass im Himmel Instrumente gespielt werden. Zudem haben wir es mit einem prophetischen Buch zu tun. Der größte Teil umfasst Begebenheiten zukünftiger Zeit, in der die erlösten Christen nicht mehr auf der Erde, sondern vom Herrn in den Himmel entrückt sein werden. In den Briefen, die mit der christlichen Zeit zu tun haben, finden wir keinen Hinweis auf Instrumente! Das sollten diejenigen bedenken, die für Instrumente in den Zusammenkünften werben.

Es geht hier nicht nur um die Gefahr, dass aus einem Klavier, das man mit gutem Willen und nach längerer Überlegung eingeführt hat, irgendwann einmal eine kleine und dann eine große Band wird. Wobei diese Gefahr groß ist, wie manche Beispiele zeigen.

Die Frage ist, ob wir den Charakter der christlichen Anbetung und auch christlicher Psalmen gut verstehen. Einer menschlichen Stimme liegt ein Herz zugrunde, mögen die Töne auch noch so „schwach“ erklingen. Ein Klavier und eine Violine haben kein Herz, mögen sie noch so virtuos erschallen. Und dem Herrn kommt es auf unsere Herzen an, die sich in unseren Stimmbändern einen Kanal zur Ehre Gottes suchen. Allerdings wollen wir auch hier ein weites Herz füreinander bewahren.

 

Das christliche Singen (Eph 5; Kol 3)

Besonders in Epheser 5 und in Kolosser 3 wird uns das „christliche“ Singen vorgestellt. „Und berauscht euch nicht mit Wein, in dem Ausschweifung ist, sondern werdet mit dem Geist erfüllt, redend zueinander in Psalmen und Lobliedern und geistlichen Liedern, singend und spielend dem Herrn in eurem Herzen, danksagend allezeit für alles dem Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus“ (Eph 5,18-20). Sehr ähnlich formuliert der Apostel diesen Gedanken in Kolosser 3: „Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen, indem ihr in aller Weisheit euch gegenseitig lehrt und ermahnt mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend in euren Herzen in Gnade“ (Kol 3,16).

Paulus spricht weder in Epheser 5 noch in Kolosser 3 ausdrücklich von den Zusammenkünften. Die in diesen Versen genannten Grundsätze sind somit in unserer Zeit überall gültig. Es wird bei geistlichen Liedern für Zusammenkünfte noch für privates Zusammensein von Instrumenten oder instrumentaler Begleitung gesprochen. Nun muss man natürlich vorsichtig sein, das Nichtvorhandensein sogleich Verbot zu nennen. Doch sollte es uns im Blick auf geistliche Lieder in jeder Hinsicht vorsichtig machen, etwas einzuführen, was Gottes Wort im konkreten Zusammenhang nicht erwähnt.

Was ist nun das Charakteristische, dass in diesen Bibelversen mit dem Singen verbunden wird?

  1. Es geht nicht um Gefühle. Das heißt natürlich nicht, dass wir gefühllos singen sollten! Aber das Singen wird in einen Gegensatz zu Rausch und Ausschweifung gestellt. Das grenzt die Art der musikalischen Vertonung von geistlichen Texten deutlich ein. Das, was man unter „moderner“ Musik (früher Rock- und Popmusik, heute geht das deutlich weiter ...) versteht, ist Rausch und Ausschweifung. Das hat im geistlichen Bereich bei Gott keinen Platz. Lieder sind zudem keine Gefühlserhebung, sondern werden mit Besonnenheit verbunden.
  2. Mit dem Geist erfüllt zu sein bedeutet, ganz unter der Kontrolle des Heilgen Geistes zu stehen. Das ist kein mystischer oder autosuggestiver Zustand. Wer mit dem Geist erfüllt ist, ist von Herzen Gott und seinem Wort gehorsam. So jemand folgt der Stimme des guten Hirten. Mit einem ekstatischen Zustand oder dergleichen hat das nichts zu tun. Für uns Christen sollte das erfüllt sein mit dem Geist nichts Außergewöhnliches sein.
  3. Zueinander redend: Damit ist nicht gemeint, dass wir Lieder füreinander vorlesen. Vielmehr öffnen die Lieder eine Ebene der Kommunikation untereinander, die man nicht benutzt, wenn man nur miteinander spricht. Paulus spricht dabei von einem inhaltsreichen Singen, das eine Botschaft enthält und sich nicht in der Wiederholung von Plattitüden oder Worthülsen erschöpft.
  4. Es gibt unterschiedliche textliche Kompositionen. Geistliche Lieder deuten auf das poetische Verarbeiten geistlicher Erfahrungen Loblieder sind Lieder zum Preis und Lob Gottes. Psalmen sind nicht alttestamentliche Psalmen, die keine christlichen Inhalte verarbeitet haben und daher nicht gemeint sein können. Psalmen in der Reihenfolge, wie Paulus sie in beiden Briefen nennt, sind die höchststehende Komposition geistlicher Worte und daher Anbetungslieder für Gott, den Vater, und den Herrn Jesus. Zugleich haben sie aber (siehe Punt 3.) eine Auswirkung auch auf andere, weil wir mit ihnen zusammen singen und uns gegenseitig so zum Lob Gottes motivieren.
  5. In euren Herzen“: In der christlichen Zeit geht es in erster Linie nicht um die Schönheit der Musik und des Tons, sondern darum, dass das, was wir singen, aus dem Herzen kommt. Natürlich sollen wir uns anstrengen beim Singen. Aber entscheidend ist, dass es aus unseren Herzen gesungen wird, aus reinen, erfüllten, dankbaren und anbetenden Herzen.
  6. Singend und spielend dem Herrn: Der Hinweis auf die Herzen sagt allerdings nicht, dass es „reicht“, im Herzen Lieder zu haben. Der Vers und auch die einzelnen Worte machen deutlich, dass es sich um wirkliches Singen handelt. In Epheser 5 werden sogar gleich zwei Wörter benutzt, die deutlich machen, dass es um hörbares Singen geht: singen und spielen. Das heißt, diese Lieder sollen aus unseren Herzen hervorkommen und zum Nutzen der Mitgläubigen sein. Wir singen diese Lieder aber in jeder Hinsicht dem Herrn. „Spielen“ ist ein Wort, dass von Psalmen singen und spielen kommt. Es geht eben nicht darum, dass man etwas spricht, sondern dass der Text in vertonter Weise dem Herrn gesungen wird. Daher sollten wir uns beeifern, es möglichst gut zu tun, vor allem aber, es überhaupt zu tun.

 

Aufforderung zum Singen

In den beiden Briefen, in denen unsere Vorrechte auf die höchste Art und Weise beschrieben werden, finden wir also die Aufforderung zu singen. Hier steht nicht, dass wir in den Zusammenkünften singen müssten. Hier steht zudem nicht, dass wir zu jeder Zeit singen müssten. Aber der Apostel schreibt, es ist charakteristisch ist für solche, die ihre himmlischen Segnungen genießen, dass sie das Lob Gottes und ihre Erfahrungen nicht nur in Form von Gebeten ausdrücken, sondern auch durch Lieder, einer höheren „Kompositionsform“. Man muss aber sogar noch weiter gehen, als es nur „charakteristisch“ zu sehen, denn Paulus fordert die Kolosser ausdrücklich auf: „Lasst [Imperativ, Befehlsform] ..., indem ihr in aller Weisheit euch gegenseitig lehrt und ermahnt mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Lieder, Gott singend in euren Herzen in Gnade“ (Kol 3,16). Das zeigt, dass man auf das Singen nur dann verzichten wird, wenn es ein Verbot (der Regierung) dazu gibt. Alles andere würde menschliche Empfindungen und Gedanken über Gottes Wort stellen.

In den Versen im Epheser- und Kolosserbrief wird zudem deutlich, dass es ein gemeinschaftliches Singen ist, also nicht nur ein persönliches Singen. Gott möchte, dass wir es zusammen tun. Damit können und sollten wir in den Familien anfangen! Gerade in einer Zeit, wo wir in den Zusammenkünften aufgrund von Vorschriften nicht singen können, sollten wir die Zeit zu Hause nutzen, miteinander zu singen. Aber das gilt für alle Zeiten. Denn – nochmal – weder der Epheser- noch der Kolosserbrief sprechen einschränkend von den Zusammenkünften. Sie weisen auf unser christliches Leben insgesamt hin, wozu natürlich auch die Zusammenkünfte zählen.

Gerade das Singen zu Hause in der Familie hat einen großen Wert. Es führt unsere Herzen zusammen und ermöglicht es uns zugleich, die Lieder besser zu kennen, die wir auch in den Zusammenkünften singen. Wie viele Lieder aus den uns bekannten Liederbüchern haben wir gar nicht vor Augen. Wir als „Brüder“ sind oft nicht in der Lage, geeignete Lieder in den Zusammenkünften vorzuschlagen, weil wir schlicht zu wenige von ihnen kennen! Daran können und sollten wir etwas ändern. Das Singen der Lieder in der Reihenfolge der Liederbücher ist dabei eine große Hilfe. Und es ist Gottes Wille, wie die beiden zitierten Verse deutlich machen. Wer also beklagt, dass in den Zusammenkünften nicht gesungen wird oder werden kann, wird in seinem Ansinnen glaubwürdig, wenn er regelmäßig zu Hause singt.

 

Der Besondere Wert des Singens (Heb 2,12)

Singen in den Zusammenkünften hat allerdings einen ganz besonderen Wert. Der Herr Jesus selbst ist der Anstimmer und Tongeber: „Denn sowohl der, der heiligt, als auch die, die geheiligt werden, sind alle von einem; um welcher Ursache willen er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen, indem er spricht: ‚Ich will deinen Namen meinen Brüdern kundtun; inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen‘“ (Heb 2,12).

Hier ist ausdrücklich von der Versammlung die Rede. Der Herr bezieht sich wirklich auf die Versammlung Gottes und in der heutigen Zeit auf die Zusammenkünfte. Wir singen, weil Er lobsingt. Er macht sich eins mit unserem Singen, Er stimmt diesen Lobgesang inmitten der Seinen an, zu Gottes Ehre.

Wir wollen in den Zusammenkünften nicht fehlen, weil der Herr nach Matthäus 18,20 verheißen hat, persönlich in der Mitte zu sein. Wir wollen auch deshalb nicht fehlen, weil es keinen wertvolleren Gesang gibt als den, den Er anstimmt. Er ist der Mittelpunkt der Lieder, Er ist der Mittelpunkt der Singenden. Deshalb wollen wir, wann immer es geht, mit Ihm singen. Denn Er stimmt an, Er lobsingt, wie viel mehr wir mit Ihm.

 

Muss man Singen in den Zusammenkünften?

Nun stellt sich die Frage, ob wir in den Zusammenkünften singen müssen, um die Anforderungen des Herrn zu erfüllen. So traurig wir sind, wenn wir nicht singen können, so klar ist auch, dass Gottes Wort uns kein Gebot zum Singen in den Zusammenkünften gibt. Weder in Epheser 5 noch in Kolosser 3 lesen wir von einem Gebot für die Zusammenkünfte. Aber sie ermuntern uns als Christen und fordern uns geradezu auf zu singen.

 

Der Herr als „Lobsinger“ inmitten der Zusammenkommen

Wir haben gesehen, dass wir kein direktes Gebot haben zu singen, obwohl es für die christliche Zeit charakteristisch ist (Eph 5; Kol 3; Heb 2) zu singen, und zwar sowohl zu Hause als auch in den Zusammenkünften. Dass dies wirklich in den Zusammenkünften so ist, zeigt 1. Korinther 14. Dort ist zweimal von Singen die Rede: „Ich will lobsingen mit dem Geist, ich will aber auch lobsingen mit dem Verstand“ (V. 15). In Vers 26 heißt es: „Was ist es nun, Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, so hat jeder von euch einen Psalm, hat eine Lehre ...“

Das führt zu der Frage, wie es in der Zusammenkunft zum Brotbrechen ist. Nehmen wir an, wir kämen nur zusammen, um für das Brot zu danken, um dann vom Brot zu essen, und im Anschluss für den Kelch, um aus diesem zu trinken: Würden wir dann die Aufforderung des Herrn nach Lukas 22 und 1. Korinther 11 nachkommen: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“? Die Antwort ist klar: Natürlich!

Dennoch dürfen wir nicht übersehen, was wir in Hebräer 2 lesen. Dort zitiert der Schreiber Psalm 22: „Ich will deinen Namen meinen Brüdern kundtun; inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen“ (Heb 2,12). Das ist der ausdrückliche Wille unseres Herrn! Wie William Kelly schreibt: „Der Psalm 22 betont nicht die Mission des Friedens wie in Johannes 20, sondern den vereinten Lobpreis der Versammlung, den Jesus selbst „in der Mitte“ anführt. Wie tief und hoch und wahr göttlichen Charakters ist dieses Lob, das Jesus singt! Wie ungläubig der Zweifel, der – wo Er inmitten der zwei oder drei ist, die in seinem Namen versammelt sind – nicht mit seiner Führung im Lobgesang rechnet. Mögen wir nicht ungläubig, sondern glaubend sein!“

Geben wir nicht manchmal schnell, zu schnell das auf, was die Versammlung Gottes in Ewigkeit prägen wird: den Lobgesang Gottes? Jemand hatte gesagt, dass manche Zusammenkommen im Jahr 2020 schneller als die Wirtschaft im Lockdown waren. An manchen Orten wurde, um des inneren Friedens wegen in den örtlichen Zusammenkommen, schon auf Gesang verzichtet, als dieser gar nicht verboten war. Friede ist ein hohes Gut, wie wir in dem Neuen Testament finden. Aber er steht nicht an höchster Stelle. Gehorsam gegenüber Gottes Wort hat immer Priorität.

Manche schlagen vor, dass man Lieder auch vorlesen könne. Aber ist das Vorlesen von Liedern wirklich der Weg Gottes, also das, wohin Er uns mit seinem Wort für einen solchen Fall leiten möchte? Natürlich könnte man Bibelverse aus dem Alten Testament zitieren. Ein Beispiel dafür sind die Verse, die vom Reden Moses der Worte eines Liedes sprechen (5. Mo 31,30; 32,44). Aber damit ist doch nicht gemeint, dass Mose das Lied nicht gesungen hätte. Es wurde dem Volk gelehrt – nämlich damit es dieses Lied singt (vgl. 2. Mo 15,1: „Damals sangen Mose und die Kinder Israel dem Herrn dieses Lied und sprachen so ...“). Andere Stellen wie Richter 5,1.12 und 2. Samuel 22,1 in Verbindung mit Psalm 18,1 betätigen das. Auch Psalm 65,2 meint nicht, dass man schweigend Gott singen könnte. „Der Psalmist schaut in seiner Andacht vor Gott über die gegenwärtigen Umstände hinaus und erkennt, dass Zion der Mittelpunkt des Lobgesangs der ganzen Erde sein wird. Nicht nur Israel, sondern „alles Fleisch“ wird nach Zion zum Lobpreis und Gebet kommen. Dennoch ist die Zeit für den universellen Lobgesang noch nicht gekommen. ‚Deiner harrt schweigend der Lobgesang’“ (Hamilton Smith). Dieses „Schweigen“ hat somit einen „dispensationalen” Charakter, nicht durch bestimmte Umstände ausgelöst.

 

Nadab und Abihu

Es ist bemerkenswert, dass die große Sünde von Nadab und Abihu nicht darin bestand, dass sie einem bestimmten Gebot Gottes ungehorsam waren. In 3. Mose 10 lesen wir: „Und die Söhne Aarons, Nadab und Abihu, nahmen jeder seine Räucherpfanne und taten Feuer hinein und legten Räucherwerk darauf und brachten fremdes Feuer vor dem Herrn dar, das er ihnen nicht geboten hatte. Da ging Feuer von dem Herrn aus und verzehrte sie, und sie starben vor dem Herrn“ (V. 1.2). Sie taten etwas, was Gott nicht geboten hatte. Da sie unter Gesetz standen und Gott gerade in denen geheiligt werden wollte, die Ihm nahen, folgte das Gericht auf dem Fuß.

Dabei ist auffallend, dass gerade in diesem Zusammenhang das Gebot gegeben wird, sich von Wein und starkem Getränk zu enthalten (3. Mo 10,9), was in Epheser 5 als Kontrast zu dem erfüllt sein mit dem Geist und dem Singen verbunden wird.

Wir leben in einer anderen Zeit und nicht unter Gesetz. Das aber heißt nicht, dass wir frei sind, das zu tun, was wir in unseren Herzen für richtig halten. Jemand fragte im Blick auf das Vorlesen von Liedern: „Waren die Brüder nicht immer dagegen, geschriebene Gebete vorzulesen, vorzutragen?“

Letztlich ist diese Frage an jedem Ort und vor dem Herrn zu klären, was das Motiv war und ist, dass man unwillkürlich und fast postwendend an vielen Orten dazu gekommen ist, nun Lieder vorzulesen. Man könnte ja auch stattdessen einen Bibelvers vorlesen. Man könnte auch ein „persönliches“ Gebet sprechen, was auf einem Gedanken aufbaut, der einem wichtig ist. Vielleicht leitet der Geist Gottes auch auf andere Weise, immer in Übereinstimmung mit Gottes Wort.

Könnte es sein, dass wir aus einer gewissen Gewohnheit heraus an dem Liederbuch hängen? Vielleicht machen wir  daher weiter mit Liedern, obwohl Epheser 5 und Kolosser 3 Inhalt und Form (Singen) bei den Psalmen, Loblieder und geistlichen Liedern nicht voneinander zu trennen sind?

 

Friedensopfer

Es ist auch bedenkenswert, dass es vom Friedensopfer ausdrücklich heißt, dass es am Darbringungstag und am Folgetag gegessen werden durfte, nicht aber am dritten Tag (3. Mo 7,16). Am dritten Tag sollte es verbrannt werden (3. Mo 19,6). Es war Gott sogar ein Gräuel, wenn es noch am dritten Tag gegessen wurde (3. Mo 7,18; 19,7). Dieser „dritte“ Tag, also die fehlende Frische der Anbetung in unseren Herzen, weil es Gedanken sind, die schon bekannt sind, ist bei Gedichten, die wir vorlesen und die von anderen verfasst wurden, eine besondere Gefahr.

Nun könnte man fragen: Ist das nicht bei Liedern, die wir gemeinsam singen, in gleicher Weise so? Doch, da ist es ebenfalls eine Gefahr. Man kann ja beispielsweise deshalb ein Lied nach einer Bibelstelle vorlesen, weil das früher auch schon mal jemand getan hat. Aber es ist doch auffallend, dass der Geist Gottes von gemeinsamen Liedern ausdrücklich spricht. Und wenn man gemeinsam singt, müssen die Texte, die den Liedern zugrunde liegen, nun einmal in einer „konservierten“ Form vorgelegt werden. Daher ist eher ein Gebet, das immer wieder gleich gesprochen wird, ein Beispiel für ein Friedensopfer „des dritten Tages“.

 

Vorlesen prägt besser ein

Manche Gläubige haben den Eindruck, dass sie sich Lieder besser bewusstmachen können, wenn diese vorgelesen werden. Dieser Punkt ist nicht von der Hand zu weisen, weil man sich beim Singen stärker auf die Musik und den Singvorgang konzentriert, während man dann, wenn ein Lied vorgelesen wird, stärker auf den Inhalt achtet.

Gleichwohl müssen wir aufpassen, unsere Schwachheit nicht zu einem Argument für bestimmte Veränderungen zu machen. Das hat auch der Apostel Paulus bei vielem Versagen in Korinth nicht getan. Er hat eben weder Gesetze erlassen noch menschliche Argumente gebracht und auf menschliche Ordnung gedrängt. Das gilt letztlich für alle Bereiche des Versammlungslebens, wo man sagen könnte: Weil wir als Gläubige dieser oder jener Verantwortung nicht nachkommen, müssen wir etwas anders machen oder eine bestimmte Praxis an die neuen Umstände anpassen. Das ist genauso verkehrt wie das Chaos, von dem wir im ersten Korintherbrief lesen.

Wenn ich merke, dass ich beim Singen nicht so konzentriert auf den Text bin, ist es umso wichtiger, sich das aktiv bewusst zu machen. Dann kann man sich nach dem Singen noch einmal Zeit nehmen, über das Lied nachzudenken und vielleicht einzelne Verse oder Strophen für sich neu zu lesen. Das zeigt, wie wichtig Pausen in unseren Zusammenkünften sind, um genau diese Möglichkeit zu geben. Diese „Wirklichkeit“ unterstreicht zudem den Wert, Lieder zu Hause zu singen und das Liederbuch wirklich einmal durchzulesen. Das gilt im Übrigen nicht nur für Brüder. Nicht nur sie, die Lieder vorschlagen, sollten das Liederbuch kennen. Es wäre bedauerlich, wenn Schwestern in den Zusammenkünften passiv und nur als Konsumenten sitzen und stehen. Sie sollen schweigen, gewiss. Aber es wäre hilfreich, wenn sie innerlich aktiv beteiligt sind.

 

Zeugnis vor der Welt

Auf einen Punkt, der in diesem Zusammenhang gelegentlich vorgestellt wird, möchte ich noch gesondert eingehen. Schon zu Zeiten, als Singen nicht verboten worden war, hörte man manchmal: „Was sind wir für ein (schlechtes) Zeugnis, wenn durch unser Singen jemand, der eine Covid-Erkrankung aufweist, andere ansteckt? Dann zeigen die Menschen negativ auf die Gläubigen. Gerade im Blick auf den gemeinschaftlichen Weg, den wir für schriftgemäß halten, wäre das ein Bärendienst!“

Ist ein solches Argument aber zutreffend? Wenn wir das tun, was der Herr uns in seinem Wort als richtig zeigt und was daher in Übereinstimmung mit seinen Gedanken ist, können wir Ihm die Folgen überlassen. Was hätte David gehört, wenn er ohne Sauls Waffenrüstung gegen Goliath verloren hätte? Was hätte Gideon gehört, wenn er wegen der geringen Anzahl an Kämpfern gegen die Midianiter verloren hätte? Sie haben es aus Glauben getan. Sie vertrauten auf Gottes Wort. Wir sollten nicht glauben, die lächelnde Welt wäre eine bessere als die aggressive. Beide sind von Satan beherrscht.

 

Zum Schluss

In einer Zeit, wo wir uns alle immer wieder überrannt vorkommen mit neuen Veränderungen, überfordert fühlen bei Fragen, die man sich bislang nicht stellen musste, wollen wir einander in Liebe und mit einem weiten Herzen begegnen. Das darf natürlich nicht auf Kosten der Wahrheit gehen. Denn Gottes Wort ist und bleibt für uns immer der (einzige) Maßstab für unser Handeln. So wollen wir immer wieder neu bereit sein, unsere Gedanken und unser Handeln an Gottes Wort zu prüfen.

Wenn wir Gottes Wort  durch unsere Neigungen oder durch unser Gewissen, durch unsere Gefühle und durch unsere Meinungen ersetzen, geben wir die göttliche Grundlage für unser persönliches und gemeinschaftliches Leben auf. Das wollen wir alle nicht, sondern dem Herrn von Herzen gehorsam sein. Dazu gebe Er uns jede Gnade.

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