Die Versammlung (Gemeinde) an einem Ort (2)

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Lieber Bruder,

es gibt immer wieder Einwände vonseiten solcher, die mehr oder weniger an christlichen Traditionen hängen. Das gemeinsame Handeln, um das es uns geht, kann man zweifellos nicht zu einer dieser Traditionen zählen. Dieses gemeinsame Handeln fließt aus der Einheit hervor, auf die der Heilige Geist so deutlich überall im Neuen Testament dringt. Auf diese Einheit weist die bemerkenswerte Bezeichnung „die Versammlung in Jerusalem“ (oder Antiochien, Korinth, Ephesus usw.) hin, die wir wiederholt im Neuen Testament finden.

Begründungen für Auffassungen, die sich angeblich auf Gottes Wort stützen, müssen dabei genau überdacht werden. Die Schrift muss mit der Schrift übereinstimmen, wobei niemand vorgibt, alle Schwierigkeiten und Fragen zur Zufriedenheit solcher lösen zu können, die an der biblischen Wahrheit über die Versammlung zweifeln.

Versammlungen oder Versammlung?

Es wird beispielsweise behauptet, dass die Versammlung „im Haus“ (gr. kat' oikon) dieser oder jener Person (Aquila und Priszilla, Nymphas, Philemon) der Beweis sei, dass es doch Versammlungen (Mehrzahl) in einer Stadt gebe (vgl. Röm 16,5; 1. Kor 16,19; Kol 4,15; Phlm 2). Das Gegenteil aber ist der Fall. Denn wenn man diese Verse mit anderen Schriftstellen vergleicht, liegt eine klare Widerlegung jeder entzweienden Idee dieser Art vor.

Wenn man andere Verse hinzunimmt, hat man sogar einen Beweis für die Einheit der Versammlung. Niemand leugnet, dass „die Versammlung in noch so vielen Häusern einer Stadt zusammenkommen kann. Dennoch werden die Gläubigen einer Stadt zusammengenommen ausnahmslos die Versammlung in dieser Stadt genannt (gr. en).

Haus oder Stadt: zwei verschiedene Präpositionen

Die Auffassung einiger griechischer Kirchenväter und auch von Calvin usw., dass mit einem jeweiligen „Haus“ nur ein christlicher Haushalt gemeint sei, scheint eine bloße Ausflucht vor der Wahrheit zu sein. Sie ist traditionellen Vorurteilen geschuldet.

Neander (ein Bibelausleger) hat zwar in der Hauptsache recht, zeigt aber seine Unaufmerksamkeit gegenüber den Feinheiten der Schrift, indem er die Versammlung in seinem Haus (ὴ ἐκκλησία ἐν τῳ οἴκῳ αὐτοῦ ) „zitiert“. So aber wird die Versammlung an keiner Stelle genannt, obwohl es vielleicht so hätte heißen können, wenn sich alle Heiligen einer Stadt in einem Haus versammelt hätten.

Der Geist Gottes verwendet die Präposition „in“ (en) der Versammlung nur im Blick auf alle Heiligen in einer Stadt. Es heißt ansonsten immer kat' oikon (zu seinem Haus gehörend, sich in seinem Haus versammelnd). Sowohl in Apostelgeschichte 2,46, wo es wirklich „zu Hause“ bedeutet, als auch bezogen auf die vier Häuser, die wir jetzt besprechen, wird diese Präposition verwendet.

Ephesus

Kein redlicher und einsichtiger Schriftforscher wird infrage stellen, dass die Versammlung in Ephesus, der Metropole Kleinasiens, schon existierte, ehe Paulus von dort aus seinen ersten Brief an die Korinther schrieb. Offenbar existierte zu dieser Zeit auch schon die Versammlung im Haus von Aquila und Priszilla in dieser Stadt (1. Kor 16,19). Wenn es dann in Vers 20 heißt: „Es grüßen euch die Brüder alle“, setzt das voraus, dass die Gläubigen auch an anderen Orten in Ephesus versammelt waren, und das zum größeren Teil.

Die Gnade Gottes versammelt frei und in aller Schlichtheit. Aber da der Heilige Geist einer ist und allen Heiligen auf Erden diese Einheit einprägen will, trägt Er an Orten wie Ephesus Sorge, dass die Gläubigen die Einheit bewahren, wobei Er keineswegs verhindern möchte, dass die Heiligen in mehr als einem Haus zum Namen des Herrn zusammenkommen. Die Versammlung mag hier und dort zusammenkommen. Aber die Gesamtheit der Heiligen am Ort war insgesamt „die Versammlung in Ephesus“. Nie lesen wir von „den Versammlungen“ in der Stadt oder von ihr.

Einheit – der Leitgedanke zur Versammlung

Einheit ist der Leitgedanke nach dem Willen unseres Herrn, des Hauptes der Versammlung. Darauf zielt sein Wort ab, das nicht aufgelöst werden kann. Dass sich alle Gläubigen einer Stadt unter einem Dach versammeln müssten, ist eine menschliche Vorstellung.

Die Gegenwart und Kraft des Geistes erhebt sich grundsätzlich und völlig über die Tatsache, dass man an verschiedenen Orten der Stadt zusammenkam. Allerdings ist es unabdingbar, dass alle als Leib Christi zu seinem Namen hin in der Freiheit und Einheit des Geistes versammelt sind.

Rom

Aus Römer 16,3-5 scheint hervorzugehen, dass Aquila und seine Frau in Rom waren, als der Apostel von Korinth aus seinen großen Brief an die Heiligen in Rom verfasste (57–58 n. Chr.). Wir lesen dort wieder von der Versammlung „in ihrem Haus“. Man kann zweifellos sagen, dass die Gläubigen in Rom durchgängig als „Heilige“ angeredet werden und die Schrift nie von der „Versammlung in Rom“ spricht.

Ich für meinen Teil bewundere die Vollkommenheit der Schrift und die Weisheit Gottes, dass Er genau so redet. Aber die Schlussfolgerung, dass die Heiligen dort nicht die Versammlung Gottes gewesen wären, weil so nicht von ihnen gesprochen wird, ist sowohl menschlicher Natur als auch als Argument schwach. Man denke nur an die Gläubigen in Philippi oder Kolossä, in Bezug auf die niemand so kühn wäre, ihnen den Charakter einer (örtlichen) Versammlung abzusprechen.

Heilige – Versammlung: Philippi, Kolossä, Ephesus

Man kann sich fragen: Warum wurden die Gläubigen an diesen Orten nicht „die Versammlung“ genannt? Natürlich ist das nicht so, weil sie es nicht gewesen waren. Denn solch eine Leugnung wäre geradezu lächerlich angesichts dessen, dass wir etwa in Philippi von Aufsehern und Dienern lesen (Phil 1,1). Bei ihnen lag eine Fülle vor im Blick auf die örtliche Ordnung, die viele wahre Versammlungen zu dieser Zeit vielleicht noch gar nicht besaßen (vgl. Apg 14,23; Tit 1,5).

Die im Philipperbrief gelehrte Wahrheit hob besonders die persönliche Erfahrung und das christliche Leben hervor. Um kirchliche Beziehungen geht es in diesem Brief weniger. Ebenso ist das Thema des Kolosserbriefes nicht die Ordnung in der Versammlung, sondern der Weckruf an die Heiligen, Christus als Haupt festzuhalten. Sie standen in Gefahr, das tiefe Bewusstsein seiner Herrlichkeit zu verlieren.

Selbst die Gläubigen in Ephesus werden als die „Heiligen und Treuen in Christus Jesus, die in Ephesus sind“, angeredet. Wir lesen nicht, dass sie als „die Versammlung“ angesprochen werden, obwohl wir wissen, dass sie das schon lange waren (Apg 20,17.28). Der Grund liegt darin: Die Versammlung wird in diesem Brief zwar von ihrer erhabensten Seite betrachtet, also auch im vollen Ausmaß ihrer Vorrechte. Dennoch behandelt der Apostel zunächst mit größter Sorgfalt vor allem die persönlichen Segnungen der Heiligen in Christus. Das führt ihn dazu, sie auch in ihrem persönlichen Charakter in der Anrede anzusprechen.

Das Thema des Römerbriefes

Noch offensichtlicher ist die Erklärung für die Anrede im Römerbrief. Sie entspricht dessen Charakter als Darlegung der weiten und tiefen Grundlage göttlicher Gerechtigkeit im Evangelium. Damit verbindet der Geist Gottes die Darstellung von Schuld und Sünde des Menschen, der Grund, warum dieses Werk Gottes in Christus nötig wurde. Der Apostel behandelt daher nicht die kirchliche Ordnung, wohl aber die Vereinbarkeit des Evangeliums mit den besonderen Verheißungen an Israel. Schließlich belehrt Paulus die Gläubigen über das praktische Christenleben, das aus den Belehrungen über das Evangelium hervorgeht und zu diesem gehört (Kap 1-8; 9-11; 12-16).

Mit geistlichem Verständnis ist sofort klar, dass Paulus einen solchen Brief nicht an „die Versammlung“ in Rom senden konnte. Dieser Ausdruck stünde nicht im Einklang mit der behandelten Wahrheit. Dass Paulus als berufener Apostel alle Gläubigen in Rom als berufene Heilige anredet, ist in jeder Hinsicht angemessen. Nicht, weil sie nicht die Versammlung dort gebildet hätten, denn das waren sie. Nein, die so gewählte Anrede steht vollkommen in Übereinstimmung mit dem Inhalt des Briefes.

Die Gläubigen in Rom als „die Versammlung“ anzusprechen wäre gerade nicht passend zum Thema das Briefes. Es wäre in der Tat seltsam gewesen, hätte der inspirierte Apostel sich anders ausgedrückt. Dass sie deshalb nicht die Versammlung in Rom wären, ist eine haltlose Schlussfolgerung und eine fremde Lehre.

Eine Versammlung – mehrere Zusammenkommen

Dass man in dieser großen Stadt Rom schon damals an mehreren Orten zusammenkam, ist keineswegs unwahrscheinlich: Römer 16,14.15 scheint genau darauf hinzuweisen.

Darüber hinaus führt dieses Kapitel noch viele weitere Namen an, die nicht mit diesen beiden Zusammenkommen noch mit dem in Vers 5 in Verbindung stehen, wo wir ausdrücklich von der Versammlung im Haus von Priska und Aquila lesen.

Der Vergleich mit Jerusalem, um von keiner anderen Versammlung zu sprechen, lässt nicht nur die Schlussfolgerung zu, sondern macht sie geradezu erforderlich, dass ungeachtet der Zahl einzelner Zusammenkommen in Rom alle Heiligen dort gemeinsam die Versammlung in Rom bildeten. Natürlich war es „die Versammlung“ in diesem Haus und „die Versammlung“ in jenem. Aber die Heiligen insgesamt bildeten „die Versammlung in Jerusalem“ oder Ephesus, Rom usw. Sie alle standen auf einer gemeinsamen göttlichen Grundlage. Und dies bleibt auch für uns wahr.

Hätte es „Versammlungen“ (Mehrzahl) in Jerusalem gegeben, die nicht gemeinschaftlich handelten, hätte nicht „die“, sondern „eine“ Versammlung hier und eine andere dort gehandelt. Es wäre nicht Einheit, sondern Unabhängigkeit gewesen. Das wäre ein Prinzip gewesen, das den Grundsätzen von Gottes Versammlung am meisten entgegensteht.

In (gr. en) oder nach, in Beziehung auf, einschließend, zugehörend (gr. kata)

Noch deutlich wird dieses Thema durch Kolosser 4,15 auf den Punkt gebracht und bewiesen: „Grüßt die Brüder in Laodizea und Nymphas und die Versammlung, die in seinem [oder, nach einigen sehr alten Handschriften: in ihrem (Mehrzahl)] Haus ist.“

Es ist sinnlos, anzunehmen, dass es in Laodizea nur dieses eine Zusammenkommen gab. Genau genommen deutet der Ausdruck schon auf das Gegenteil hin. Denn hätte es sich um das einzige Zusammenkommen in dieser Stadt gehandelt, hätte der Apostel sie die Versammlung „in [en] Laodizea“ und nicht „im [kata: gemäß, nach, entsprechend, in Beziehung auf] Haus“ von Nymphas genannt.

Beispiel: Laodizea (Kol 4,15)

Man könnte natürlich einwenden, dass wir in Vers 13 von denen in Laodizea lesen, als ob es einige einzelne Heilige gegeben hätte, die gar nicht zusammenkamen. Aber für eine solche Spekulation gibt es wirklich keinen Platz, denn in Vers 16 lesen wir von der „Versammlung der Laodizeer“, so wie wir von der Versammlung der Londoner sprechen könnten und damit die gesamte Versammlung in London meinen.

Der Artikel vor „Laodizeer“ fehlt im Grundtext zu Recht, er wäre an dieser Stelle nicht passend. Ebenso fehlt der Artikel bei der Versammlung „der“ Thessalonicher (1. Thes 1,1 und 2. Thes 1,1).

Diese Ausdrucksweise ist deshalb von Bedeutung, weil sie uns einen klaren Hinweis der Einheit der Versammlung in einer Stadt liefert. Diese Einheit steht im Gegensatz zur Überzeugung, in einer Stadt könnten die verschiedenen Zusammenkommen unabhängig voneinander handeln. Der Apostel identifiziert die Versammlung in Nymphas' Haus keineswegs mit der Versammlung der Laodizeer. Er spricht auch nicht von „Versammlungen“, sondern von „der Versammlung der Laodizeer“, was ein gemeinsames und kein getrenntes Handeln deutlich macht.

Einheit

Entsprechend ist klar, dass der Ausdruck „die Versammlung der Laodizeer“ ausdrücklich über diejenigen hinausgeht, die sich im zuvor genannten Haus von Nymphas versammelten. Dennoch verhindert oder verneint die Einheit aller Heiligen in Laodizea in keiner Weise, dass die Gläubigen dort in verschiedenen Häusern zusammenkommen konnten.

Entspricht das nicht in wunderbarer Weise dem, was bislang unter uns dankbar aufrechterhalten wurde: die Einheit der Heiligen in einer Stadt, wobei sie an verschiedenen Orten dieser Stadt zusammengekommen sind?

Dass die Gläubigen einer Stadt, von außergewöhnlichen Anlässen einmal abgesehen, alle unter einem Dach zusammenkamen und dass die Einheit nur auf diese „materielle“ Weise bewahrt werden könne, ist ein Gedanke, der gerade denen naheliegt, die nicht daran glauben, dass man heute die Einheit des Geistes bewahren kann. In Wirklichkeit aber ist es eine haarsträubende Idee und menschliche Einbildung, dass man die Einheit des Geistes nur dann bewahren könne, wenn alle Gläubigen an einem lokalen Ort zusammenkommen. Dieser Gedanke steht im Widerspruch zu Gottes Wort.

Die Geschwister mögen sich im Haus dieses oder jenes Bruders versammelt haben. Zugleich aber handelte man nach der großen Wahrheit, dass es nur die Versammlung „der Laodizeer“ oder „in Laodizea“ gab (vgl. Off 3,14).

Jedes Zusammenkommen hatte zweifellos seine örtliche Verantwortung. Dennoch bestand die Einheit für alle in der Stadt. Und wie könnte man bezweifeln, wenn man etwas vom Wesen der Versammlung Gottes versteht, dass das, was sich in Kolosser 4,15.16 zeigt, auch wahr ist an allen anderen Orten, wenn es dort mehr als nur ein Zusammenkommen gab?

Die Versammlung im Haus Philemons

Es ist noch nötig, sich Philemon 2 anzusehen: „die Versammlung in deinem Haus“. Ein Vergleich mit Kolosser 4,9 neben anderen bestätigenden Hinweisen in beiden Briefen lässt keinen Zweifel aufkommen, dass Philemons Haus sich in Kolossä befand. Aber es wäre eine überaus ausgefallene Schlussfolgerung, zu glauben, dass dies das einzige Zusammenkommen in dieser Stadt gewesen wäre.

Es war eben die Versammlung in (gr. kata, nicht en) Philemons Haus. Aber es ist nicht möglich, dass es das einzige Zusammenkommen in Kolossä war. Sonst wäre es die Versammlung in (gr. en) Kolossä genannt worden. Es gab dort noch ein oder mehrere andere Zusammenkommen. Auch hier bei Philemon finden wir ohne Zweifel den Beweis eines örtlichen Zusammenkommens, verbunden natürlich mit der entsprechenden Verantwortung. Zugleich aber finden wir kein Wort, das die Einheit der Versammlung Gottes in dieser Stadt schwächen würde. Das Gegenteil ist der Fall: Wir lesen das, was diese Einheit ausdrücklich einschließt.

Keine „Versammlungen“ in einer Stadt – keine Unabhängigkeit

So sehen wir, dass jedes Beispiel der Versammlung in einem Haus den Gedanken an Unabhängigkeit oder an „die Versammlungen einer Stadt“ (Mehrzahl) widerlegt. Im Gegenteil, diese Beispiele bestätigen in Verbindung mit anderen Hinweisen in den Briefen, die der Heilige Geist sozusagen sorgsam vorbringt, als wolle Er jede Unabhängigkeit ausschließen, dass Einheit und zugleich örtliche Verantwortung von Gott gewollt ist. Es ist grundlegend wichtig für gesundes und geistliches Verständnis der Versammlung Gottes, beide Seiten festzuhalten.

Man kann A. Neander wohl kaum als einen sorgfältigen Ausleger der Gedanken Gottes über die Versammlung Gottes bezeichnen. Dennoch gibt er in ehrlicher Weise wieder, was er in Gottes Wort liest. Das tut er ehrlicher, als andere es im Allgemeinen getan haben, auch wenn Neander damit sein eigenes Luthertum genauso wie die übrige Christenheit in ihrer Auffassung und in ihrem Handeln verurteilt. Er bekennt, dass sich zwar Gläubige in einzelnen Häusern versammelten, sie sich dadurch allerdings nicht von der Gesamtheit trennten. Die Briefe des Apostel Paulus liefern, so Neander, den klarsten Beweis, dass alle Christen einer Stadt ursprünglich die eine gesamte Versammlung bildeten.

Apostelgeschichte 9,31

Eine andere Schriftstelle ist vorgebracht worden. Sie soll nicht beweisen, dass es in einer Stadt mehrere Versammlungen gab, die unabhängig voneinander handelten. Aber man will mit diesem Bibelvers das Gewicht des Artikels bei „die“ Versammlung in einer Stadt abschwächen.

Das Argument ist das folgende: Wenn sich der Ausdruck „die“ Versammlung in der Schrift sowohl auf ein Gebiet als auch auf eine Stadt bezieht, kann dieser Ausdruck nicht bedeuten, dass Einheit zu einem gemeinsamen Handeln in einer Stadt führen muss. Das sei ja in einer größeren Gegend unmöglich und nicht praktikabel.

Gibt es aber überhaupt ein einziges Beispiel einer solchen sprachlichen Übereinstimmung? Vorgebracht wird dazu Apostelgeschichte 9,31. Im Textus Receptus steht dort: „So hatten denn die Versammlungen [Mehrzahl] durch ganz Judäa und Galiläa und Samaria hin Frieden.“

Nun ist zwar wahr, dass es etliche Handschriften gibt, die Versammlungen (in der Mehrzahl) im Text stehen haben. Meine Meinung aber ist, dass man die Lesart „die Versammlung”, da sie die am besten und am frühesten bezeugt ist und ebenfalls etliche Handschriften auf sich vereinigt, als die richtige annehmen sollte. Sie wurde wahrscheinlich von Abschreibern, denen sie sonderbar vorkam und die ihre Bedeutung nicht verstanden, an Apostelgeschichte 16,5 angeglichen, wo die Mehrzahl richtig ist, während die Mehrzahl hier schwächer bezeugt ist als die Einzahl.

Der Text lautet also richtig: „So hatte denn die Versammlung durch (gr. kat' mit Genitiv) ganz Judäa und Galiläa und Samaria hin Frieden.“ Das ist eine Ausdrucksweise, die weit entfernt ist von dem, was diejenigen suchen, die ein getrenntes Handeln in einer Stadt wünschen. Die Stelle ist daher für den Zweck, für den sie benutzt werden soll von einigen, völlig wertlos. Die schlichte Aussage dieses Verses ist, dass die Versammlung, als Ganzes betrachtet, wo immer sie sich in diesen Gegenden ausbreitete, Frieden hatte.

Wäre die Ausdrucksweise gewesen „die Versammlung Judäas und Galiläas und Samarias“ oder „die Versammlung in Judäa“ usw., hätte sie tatsächlich rechtmäßig verwandt werden können, um die Formulierung zu relativieren, auf die mit Recht von denen ein solches Gewicht gelegt wird, die sich, was Lehre und Praxis betrifft, am geschriebenen Wort festklammern.

Versammlung in einer Stadt und Versammlungen in einer Gegend

So, wie Gott die Dinge hat aufschreiben lassen, macht der auffallende Unterschied zwischen der Versammlung einer Stadt und den Versammlungen einer Gegend sowie zwischen der Versammlung in (gr. kata) einem Haus und der Versammlung in (gr. en) einer Stadt die von Kritikern der Einheit gewünschte Anwendung zunichte. Der Sinn dagegen, der sich aus dem Wort und der Ausdrucksweise unwillkürlich ergibt, passt genau zu den Fakten und der Erklärung, die wir gerade gegeben haben.

Es handelt sich um die Versammlung, soweit sie damals bestand; die Versammlung innerhalb der genannten Landstriche; die Versammlung als Einheit in jener Gegend.

Diesen Sinn der einzelnen Formulierungen bestreitet niemand, wenn es um andere Themenbereiche geht. Es ist von größter Bedeutung, daran festzuhalten, auch wenn das jetzt nicht der strittige Punkt ist. Nur aus Unkenntnis kann man diesen Vers anführen, um die Ausdrucksweise „die Versammlung“ in einer Stadt oder „die Versammlungen“ in einer Gegend zu schwächen. Überall geht es in umfassenden Sinn um Einheit.

Ich bin dankbar für die Möglichkeit zu dieser kleinen Nachforschung im wunderbaren Wort Gottes, dessen Vollkommenheit dem Christen, der sich im Glauben darin vertieft, immer größer wird. Lasst uns jedes einzelne Wort darin zur Verherrlichung des Herrn Jesus in Tat und Wahrheit nutzen.

Herzliche Grüße in Ihm

W.K.

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