Das Brotbrechen in Zeiten des Corona-Virus

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Mir scheint wichtig, dass wir bei der Beurteilung dieser Frage verschiedene Grundsätze/Aspekte bedenken, von denen ich mal einige aufzähle, die mir wichtig erscheinen:

Grundsätze aus Gottes Wort

  1. Die Schrift legt nur einige Punkte (im Blick auf das Brotbrechen) fest, daher gibt es im Rahmen dessen, was die Schrift sagt, eine gewisse Freiheit, die dazu führen kann, dass man an Ort A anders handelt als an Ort B.

  2. Es ist gut, in der aktuellen Lage nüchtern und besonnen (nicht panisch) zu reagieren (1. Tim 3,2.11; Tit 1,8; 2,2.56.12), dabei aber nicht unsensibel zu werden (2. Kor 7,15; Phil 2,1; Lk 7,13).

  3. Es gilt zu unterscheiden, wo der Einzelne („jede Seele") der Obrigkeit untertan sein soll (Röm 13) bzw. wo es gilt, Gott mehr zu gehorchen als Menschen (Apg 5,29).

  4. Die Empfindungslage unter Gläubigen ist unterschiedlich. Da darf nicht derjenige, der keine Angst hat, andere verachten und seine Meinung durchsetzen, und derjenige, der Angst hat, den anderen richten/verurteilen und seine Meinung durchsetzen (Röm 14). Wir sollten die Unterschiedlichkeit der Gläubigen respektieren, ja wertschätzen und dabei nicht vergessen, dass auch wir selbst oft „anders" sind unsere Mitgläubigen.

  5. Wir suchen den Frieden am Ort und ein einmütiges Miteinander in dieser Frage (Heb 12,14; 1. Pet 3,11), nicht den Streit (1. Tim 3,3; 2. Tim 2,24). Wir wollen über dieses Thema unter keinen Umständen eine Streitfrage machen, sondern versuchen, einander zu verstehen und aufeinander zuzugehen.

  6. Gottes Wort gibt besonders in Mt 26, Mk 14, Lk 22, 1. Kor 10 und 11 Hinweise zu den Abläufen und zum Charakter des Mahls/des Tisches des Herrn. Es ist gut, diese Belehrungen bei allen Entscheidungen zu bedenken. Mit anderen Worten: Wir wollen aufpassen, dass die nachvollziehbaren gesundheitlichen Fragestellungen nicht dazu führen, dass man nicht mehr den Worten und Handlungen des Herrn entspricht und der eigentliche Charakter des Mahls und der geistliche Inhalt, der diese Zusammenkunft prägt, verloren geht.

  7. Als Himmelsbürger (Phil 3,20) ist unser Herz und unser Geist mit dem Himmel verbunden; mit den Füßen und unserem Körper leben wir noch auf der Erde und unterliegen, wie alle Menschen, den Folgen des Sündenfalls (Krankheit; Röm 8,18-39). Wir sollen keineswegs leichtfertig mit unserer Gesundheit umgehen (vgl. 1. Tim 5,23), aber die Gesundheit ist nicht der Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns (1. Tim 4,8). Das sollte für uns nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, sondern unsere Überzeugung und damit auch unsere Entscheidungen prägen.

  8. Die Ungläubigen haben nichts anderes als das Leben im Diesseits (vgl. Phil 3,19). Wir aber rechnen bei allem mit Gott, an dessen Angesicht alles vorbeigeht, was auf uns zukommt. Wir vertrauen auf seine gute Hand (Esra 8,22).

Wenn man diese Hinweise der Schrift auf die einzelnen Fragestellungen bezieht, die uns aktuell beschäftigen, bin ich sicher, dass örtliche Brüderschaften unter Gebet und auf der Grundlage des aufgeschlagenen Wortes Gottes zu einer Lösung kommen, die diesem Wort entspricht und für die Geschwister am Ort nachvollziehbar und ein stückweit beruhigend ist.

Konkreter

  1. Um etwas konkreter zu werden: Es gilt nach meinem Verständnis zu unterscheiden, was wir tun können, um den Empfehlungen (und womöglich irgendwann: Anordnungen) der Obrigkeit im Blick auf Reinlichkeit und Versammlungsgröße zu entsprechen, ohne Gottes Wort aufzugeben. Gottes Wort gibt Freiheit, auch in Häusern und nicht mit 200 Geschwistern zusammenzukommen. Andererseits müssen wir uns vor dem Herrn fragen, ob die Aufforderung, „Tut dies zu meinem Gedächtnis" in Verbindung mit Stellen wie Apostelgeschichte 20,7 nicht Vorrang hat vor einem „Verbot".

  2. Der Charakter des Tisches des Herrn ist, dass es ein gemeinschaftliches Mahl ist (1. Kor 10). Das wird unter anderem durch das Brot deutlich, das "wir brechen" und von dem wir alle essen. Wir müssen uns also fragen, ob man diesem gemeinschaftlichen Charakter entspricht, wenn jetzt jeder seinen eigenen Becher hat.
    Bei der Überlegung, wie man dem Rechnung tragen kann, fällt auf, dass nur in den Evangelien, die nicht den Charakter des Gedächtnismahls betonen (Mt, Mk) davon die Rede ist, das die Jünger alle aus dem (einen) Kelch getrunken haben (Mt 26,27 als Aufforderung; Mk 14,23 als Erfüllung). Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass wir nach dem Danken für den (einen) Kelch (es ist immer in der Einzahl von dem Kelch die Rede) den Inhalt auch auf mehrere Becher verteilen können, so dass solche, die besonders empfindsam sind, jeweils als erste daraus trinken können.
    Der Herr sah voraus, dass in späteren Zeiten nicht nur 12 Gläubige versammelt sein würden, wo man ohne Probleme (normalerweise) aus einem Becher trinken kann. Das lässt uns auch (wie bei der Frage nach Wein oder Traubensaft) offen, auch mehrere Becher zu nehmen.

  3. In Korinth tadelt der Apostel Paulus, dass jeder beim Essen sein eigene Mahl vorweg nahm (1. Kor 11,21), so dass manche hungrig waren, andere trunken. Das heißt, die Korinther verbanden ein Liebesmahl, wo man auch versammelt war in einem Raum und in gewisser Hinsicht Gemeinschaft pflegte (Apg 2,46), mit dem Gedächtnismahl des Herrn.
    Paulus unterbindet das und macht damit eine Unterscheidung. Er trennt ein Zusammensein, wenn man zwar versammelt ist, aber jeder für sich isst und trinkt, von dem Gedächtnismahl, wo man gemeinsam (nacheinander) von Brot und Kelch isst und trinkt und eben nicht jeder seine eigene Sache mit Teller und Becher vor sich hat.
    Im Fall der Korinther aßen und tranken sie durch diese Vermischung in unwürdiger Weise und wurden im Blick auf den Leib und das Blut des Herrn schuldig, weil sie es eben nicht von einer normalen Mahlzeit unterschieden. 1. Korinther 11,30 zeigt, dass im Fall der Korinther diese unwürdige Weise gravierende gesundheitliche Folgen hatte. Wir lernen daraus für uns, dass das Mahl des Herrn nicht eine normale gemeinschaftliche Mahlzeit ist, sondern das Mahl des Herrn, wo wir Ihm von Herzen gehorchen wollen, weil Er der Herr und Einladende der Mahlzeit ist.

  4. Es wäre schade und sicher nicht im Sinn des Herrn, wenn durch die aktuellen Ereignisse mehr die Form als der geistliche Inhalt in den Mittelpunkt der Blicke und Gedanken geraten würde. Wir wollen uns nicht durch die Panik unserer Gesellschaft anstecken lassen, für die das irdische Leben (fast) alles ist, während wir (hoffentlich auch jetzt glaubhaft) bezeugen können, dass wir Himmelsbürger sind und die Wege Gottes aus seiner Hand annehmen (ohne dass wir sorg- und verantwortungslos leben) sowie sein Kommen erwarten.

  5. Wir haben auch eine gewisse Fürsorgepflicht den sogenannten Risikogruppen gegenüber, wobei mir aufgefallen ist, dass diese Betroffenen oft weniger mit diesen Sorgen zu tun haben als wir anderen. Aber manche von ihnen mögen auch nicht ganz übersehen, was das wirklich für sie bedeutet ..., so dass wir für sie Fürsorge üben wollen.

  6. Bei alledem bedenken wir, dass der Herr alles das voraussah, was im Laufe der christlichen Zeit an äußeren Einflüssen und Problemen auf seine Versammlung zukommen würde. Dennoch finden wir keinen Hinweis darauf, dass die Gläubigen dieses Mahl irgendwie einstellen sollten. Im Gegenteil spricht der Apostel Paulus davon, dass wir den Tod des Herrn verkündigen, „bis er kommt" (1. Kor 11,26). Und auch wenn es persönliche Hindernisse gibt, fügt der Apostel an: „Jeder aber prüfe sich selbst und so esse er von dem Brot und trinken von dem Kelch" (1. Kor 11,28). Er sieht weiter als wir und wir dürfen Ihm vertrauen, dass sein Weg für uns gut ist, selbst wenn er, wie wir aus Erfahrung wissen, nicht immer einfach und gefahrlos (für unsere Gesundheit) ist.

  7. In diesem Zusammenhang noch ein Wort zum Begrüßen. Man könnte einwenden, dass man doch auch hier dem Wort Gottes gehorchen muss. Das ist unzweifelhaft so. Wir werden aufgefordert: „Grüßt einander mit heiligem Kuss!" (Röm 16,16; 1. Kor 16,20; 2. Kor 13,12 usw.). Der Hinweis auf den „heiligen" Kuss macht deutlich, dass es dem Apostel darum geht, in was für einer Gesinnung wir einander begrüßen. Der Gruß soll herzlich und ehrlich, transparent, ungeheuchelt, von heiligen Motiven bewirkt sein. „Heilig" ist ein nicht-materieller Ausdruck. Wir haben hier also wie im Blick auf „heilige Hände" (1. Tim 2,8) und den „heiligen Ruf" (2. Tim 1,9) eine moralische Beschreibung einer Sache, in diesem Fall des Grüßens. Wir sind somit nach meinem Verständnis nicht auf die konkrete „Umsetzung" des Grußes festgelegt, aber wir sollen einander in einer heiligen Weise begrüßen.

Zeugnis vor der Welt

Ein Aspekt, den es ebenfalls zu bedenken gilt, ist unser Zeugnis vor der Welt. Hier müssen wir uns fragen, inwieweit wir eine Verantwortung haben vor Ungläubigen: „Seid ohne Anstoß, sowohl Juden als Griechen als auch der Versammlung Gottes" (1. Kor 10,32).

Dieser Vers ist insofern von Bedeutung für unser Thema, als er den Abschluss des Kapitels darstellt, das sich mit dem Tisch des Herrn beschäftigt. Dabei aber geht es nicht um das, was die Versammlung „intern" tut, sondern um das, was Einzelne in der Öffentlichkeit tun, wenn Ungläubige dabei sind, in diesem Fall auf dem Fleischmarkt. Mit anderen Worten: In der Öffentlichkeit, was unseren Umgang in beispielsweise größeren Veranstaltungen betrifft, halten wir uns an die Anordnungen und Empfehlungen der Obrigkeit, um kein Anstoß zu sein.

Aber an erster Stelle steht für uns die Ehre Gottes (1. Kor 10,31). Und das, was wir beim Brotbrechen machen, kann die Welt ohnehin nicht verstehen. Das ist für sie nicht nur unverständlich, sondern eine Torheit. Wir können ihr Verständnis somit nicht erwarten.

Bereits in vielen christlichen Kreisen gibt es nur einmal im Monate oder noch seltener dieses Brotbrechen. Wir wollen uns also das Vorrecht, das der Herr uns als Testament und Aufforderung (Befehl) mitgeteilt hat, nicht nehmen lassen, nur weil die Welt es nicht versteht und uns womöglich Dinge anlastet. Das hat sie auch in der Zeit des Apostels getan - und die Gläubigen haben es getragen. Ob wir dazu bereit sind, auch um des Namens und des Wortes des Herrn willen zu leiden?

Zum Schluss

Wenn wir dem Wort des Herrn gehorsam sein wollen in diesen Fragen, werden wir sicher (innerlich) bewahrt werden auf einem guten Weg. Wir haben keine Zusage, dass wir uns nicht anstecken. Gläubige werden genauso krank wie Ungläubige (Phil 3,26.27).

Nach allen Prognosen werden im Laufe der Zeit die meisten von uns durch dieses Virus infiziert werden, ob spürbar oder nicht, ob durch Brot und Kelch oder auf anderem Weg. Wenn wir im geschwisterlichen Umgang und im Blick auf diese Fragen, die uns aktuell beschäftigen, dem Frieden nachjagen, werden wir im Miteinander äußerlich und hoffentlich innerlich auf einem guten Weg bewahren. Und wir dürfen (am Ort) darauf vertrauen, dass der Herr uns seine Gedanken in diesen Einzelfragen, die uns beschäftigen, deutlich machen wird (vgl. Phil 3,15c.16).

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