Wahre Jüngerschaft von William MacDonald – eine Buchbesprechung

Lesezeit: 8 Min.

In seinem Buch Wahre Jüngerschaft behandelt William MacDonald auf 128 Seiten viele wichtige Themen, die mit der unserem Leben als Jünger zu tun haben.

Inhalt

Das zeigt schon ein Blick in das Inhaltsverzeichnis. Der Autor geht nach einer Einleitung über die Wichtigkeit des Themas zunächst auf Bedingungen ein, die zu erfüllen sind, um Jünger Jesu sein zu können. Dann zeigt er die Konsequenz auf, die mit der Nachfolge hinter dem Herrn Jesus verbunden ist: allem entsagen. Es gilt auch, Hindernisse zu überwinden, die sich uns in den Weg stellen.

Ein Jünger ist dadurch geprägt, dass er manche Dinge tut und andere nicht tut. Wichtige Kennzeichen seines Lebens sind Eifer, Glaube, Gebet. Er darf sein Leben auch nicht aufteilen in einen Teil, in dem er dem Herrn nachfolgt, und einen anderen, in dem er für sich selbst lebt. So hat Jüngerschaft nicht nur mit Dienst, sondern genauso mit dem Bereich von Ehe und Arbeit zu tun.

William MacDonald ist es auch wichtig, dass man die Kosten der Jüngerschaft überschlägt. Zudem zeigt er, dass Gott uns reichlich belohnen wird, wenn wir dem Herrn treu nachfolgen. Zum Schluss warnt uns der Autor noch vor einem Richtgeist im Blick auf andere Jünger.

 

Positiv

Leider ist das Thema „Jüngerschaft“ auch heute noch unterbelichtet in unserer Wahrnehmung. Da ist es sehr hilfreich, dass es diesen Buchklassiker, der ja schon viele Jahre auf dem Markt ist, gibt, der sich mit diesem herausfordernden Thema beschäftigt.

MacDonald behandelt in diesem Buch zudem die wesentlichen Themen und Herausforderungen, die mit Jüngerschaft zu tun haben. Seine Zielrichtung ist, dass wir verstehen, dass man letztlich nur ganz oder gar nicht für den Herrn leben kann. Eine lauwarme Sache, wo man sich und dem Herrn zur Verfügung steht, ist verhängnisvoll. Diesen Anspruch des Herrn bringt William MacDonald sehr gut auf den Punkt. Er stellt uns damit vor die Entscheidung, wem wir leben wollen.

Beispielsweise spricht der Autor davon, dass es eine Schande für uns ist, dass offensichtlich mehr Eifer unter den Kommunisten und Sekten (und heute können wir hinzufügen: unter manchen Muslimen) zu sehen ist als unter den Christen. Ein trauriger Befund, der uns wachrütteln sollte.

Man könnte noch auf manche Einzelheiten zu sprechen kommen, die MacDonald dem Leser in hilfreicher und konsequenter Weise vorstellt. Dieses Buch ruft wirklich zu einer Entscheidung für ein Leben mit und für den Herrn auf. Das haben wir gerade heute nötig!

Geld und Finanzen

Jetzt kommen wir zu einem wesentlichen Punkt, leider auch Problem dieses Buches. Das ist eigentlich erstaunlich und nicht nachvollziehbar: Aber dieses Buch ist gewissermaßen eine Kopie des Buches von A.N. Groves Das Glück eines abhängigen Lebens (siehe die Buchbesprechung zu diesem Werk).

Große Teile von Wahre Jüngerschaft beschränken sich auf die Frage, wie ein Christ mit seinem Geld, mit seinem Vermögen umgehen sollte. Und hier vertritt (oder kopiert) MacDonald die Thesen von Groves. Ich muss hier nicht das wiederholen, was ich zu der Arbeit von Groves geschrieben habe. Aber so eindimensional ist das Thema Jüngerschaft einfach nicht. Und auch nicht so, wie die beiden in diesem Punkt schreiben.

Hänge ich an meinem Geld?‘

MacDonald hat natürlich vollkommen recht, dass ein Christ, der an seinem Geld, an seinem Vermögen hängt und sein Herz, seine Energie und seine Zeit in dessen Erhalt und Vermehrung steckt, kein echter Jünger ist. Diese Frage müssen wir uns sehr ernsthaft stellen und sie auch ehrlich beantworten.

Aber wie Groves übersieht der Autor, dass Gott den Reichen im Neuen Testament einfach nicht sagt, dass sie ihr Vermögen verkaufen und den Armen geben sollen. Das kann also nicht die Botschaft für uns aus der Frage des Herrn an den reichen Jüngling sein.

Es ist nicht das Merkmal von Jüngern, dass sie ihr Vermögen komplett aufgeben (obwohl es für einen persönlich diesen Weg geben kann). Aber verallgemeinert ist diese Aussage falsch und irreführend. Interessanterweise geht MacDonald auf die Verse ein, wo Reiche angesprochen werden. Aber während er bei den Versen, wo Reiche sofort negativ behandelt werden, diesen Aspekt betont, übergeht er die Tatsache, dass sie gerade nicht aufgefordert werden, alles zu verkaufen. Es ist schlicht unredlich, das zu suggerieren.

Wer sich mit diesem Thema ausführlicher beschäftigen möchte, mag die Rezension des Buches von Groves lesen. Einen Punkt muss ich jedoch herausgreifen. Dieses Argument wurde mir nämlich kürzlich vorgetragen und ich war erstaunt, wie unkritisch der Schreiber diesen Punkt von MacDonald einfach übernommen hat, ohne ihn an Gottes Wort (und guten Kommentaren) zu überprüfen.

Das (falsche) Argument aus Philipper 4,12

In Philipper 4,12 schreibt Paulus: „Ich weiß sowohl erniedrigt zu sein, als ich weiß Überfluss zu haben; in jedem und in allem bin ich unterwiesen, sowohl satt zu sein als zu hungern, sowohl Überfluss zu haben als Mangel zu leiden.“ MacDonald wendet sich klar gegen die Auffassung, das würde sich auf das Leben des Apostels in früherer Zeit beziehen. Er meint, der Vers in Philipper 4,18, wo Paulus von einer Gabe spricht, die er im Gefängnis erhalten hatte, mache deutlich, dass Paulus sich auch in Vers 12 auf seine Zeit im Gefängnis beziehe.

Natürlich ist es nicht richtig, Vers 12 als eine Begründung zu nehmen, sein Leben in Saus und Braus zu führen, wie William MacDonald mit Recht schreibt. Aber mit dem Argument, weil sechs Verse später auf das Gefängnis Bezug genommen wird, zu behaupten, auch schon Vers 12 beziehe sich auf das Gefängnis, ist verkehrt. Als ob der Überfluss von Paulus kein Überfluss gewesen wäre, sondern nur eine subjektive Darstellung von einer besseren Zeit im Gefängnis. Auf diese Weise die Möglichkeit, dass ein Christ Überfluss haben kann, einfach auszuradieren, ist unredlich. Interessanterweise behauptet MacDonald das auch nicht in seinem Kommentar zum Philipperbrief, wohl aber in diesem vorliegenden Buch. Wir müssen schon im konkreten Kontext bleiben und nicht unsere Ideen in einen Text hineinlegen.

Paulus hat also wirklich in seinem Leben (vor dem Gefängnis!) Überfluss erlebt (jetzt auch im Gefängnis, wie Vers 18 zeigt). Und es ist wahr: Gerne hätte ich gewusst, was Paulus als Überfluss bezeichnet, weil sein Überfluss aus unserer Sicht heute sehr wahrscheinlich großer Mangel wäre. In diesem Sinn ist es gut und richtig, sich die Frage ins Gewissen zu schreiben, wie sehr ich in meinem Herzen an Geld und Besitz hänge. Diese Frage aber geht durch die extreme und überzogene Argumentation von Groves und MacDonald leider verloren.

Wichtig aber ist, dass wir diese Stelle stehen lassen, wie sie steht, und dass wir nicht um unserer Meinung willen, ein Christ dürfe keinen Überfluss haben, diese Aussage in eine Gefängnissituation hineindefinieren, wo es im objektive Sinn gar keinen Überfluss gibt.

Wenn C.T. Studd angeführt wird, der sein ganzes Vermögen Christus hingab, ist das ein beeindruckendes Beispiel von einem Glaubensmann. Aber es ist töricht, diese persönliche Glaubensentscheidung als allgemeinen Maßstab vorzustellen. Gott jedenfalls tut das nicht.

Falsche Argumentationsketten

Manche Argumente, die in diesem Zusammenhang vom Autor formuliert werden, sind nicht haltbar oder widersprechen anderen Gedanken. Beispielsweise, wenn die reichen Gläubigen dann ihr Vermögen hingeben würden, könnten morgen mehr Bibeln gedruckt werden.

Richtig ist, dass es einen solchen Einmaleffekt am Tag X geben würde. Aber morgen gibt es ja keine Reichen mehr, die das Werk des Herrn unterstützen könnten, außer den wenigen, die womöglich morgen zum Glauben kommen könnten, die dann auch solche Jünger, die wie sie (ab diesem Zeitpunkt) nichts mehr haben, unterstützen könnten.

Einzelheiten

An dieser Stelle folgen noch beispielhaft ein paar Einzelheiten, die mir in dem Buch (negativ) aufgefallen sind:

  1. MacDonald sieht in Matthäus 18,19 eine Zusage, dass, wenn zwei Gläubige (privat) übereinkommen, ihre Gebete erhöht werden. Darum geht es aber in Matthäus 18 nicht. Dort geht es um das Gebet der Versammlung (Gemeinde).
  2. Ein ganzes Kapitel widmet sich dem Thema Kriegsführung. Es ist erstaunlich, dass der herausgebende Verlag, der normalerweise stark gegen charismatische Einflüsse tätig gewesen ist, nicht eine andere Übersetzung gewählt hat. Denn gerade dieser Begriff ist in der charismatischen Bewegung in einer Weise benutzt worden, die mit nüchternem Bibelverständnis nichts zu tun hat. Auch in diesem Buch wird er irreführend für unser Leben in der Welt verwendet. Wir stehen hier einfach nicht in einem Kampf auf Leben und Tod. Epheser 6 bezieht sich auf den geistlichen Kampf in den himmlischen Örtern, nicht auf den Kampf eines Jüngers auf der Erde in der Nachfolge.
  3. Weltherrschaft: Seltsamerweise können wir nach Aussagen von MacDonald durch die Botschaft des Evangeliums die durch Adams Sünde verlorenen Rechte der Oberherrschaft in der Schöpfung wiedererlangen. Davon lesen wir aber in Gottes Wort nichts.
  4. Der Autor sagt, dass wir nicht zum Elektriker, Arzt oder Rechtsanwalt berufen seien, sondern wir sollten uns als Gesandte Gottes ansehen, denn alles andere bedeute nur eine Möglichkeit zum Lebensunterhalt. Die neutestamentlichen Schreiber aber zeigen, dass es zwar auch um den Lebensunterhalt geht, aber bei weitem nicht nur. Gerade in unserer Arbeit wirken wir für unseren Herrn (Kol 3). Gerade darin verherrlichen wir Christus. Leider hat diese Botschaft von MacDonald anscheinend dazu geführt, dass es einige Gläubige gibt, die meinen, dass ein geistlicher Christ nicht voll arbeiten könne, sondern seine Arbeitszeit reduzieren und in der übrigen Zeit für das Evangelium oder andere geistliche Dinge wirken müsse.
    Diese Botschaft steht im Widerspruch zu Gottes Wort. Der Herr mag den einen oder anderen in eine bestimmte Aufgabe berufen, derentwegen er seine irdische Arbeit nicht mehr wahrnehmen kann (einen allgemeinen Ruf in das „vollzeitige“ Werk des Herrn gibt es dagegen nicht, sondern immer in eine bestimmte Aufgabe – wenn diese erledigt ist, arbeiten wir natürlich wieder in unserer irdischen Aufgabe). Aber wir anderen arbeiten weiter in unserem irdischen Beruf, zu seiner Verherrlichung. Das ist der Normalfall – für einen geistlichen Christen.
  5. MacDonald schreibt, dass eine der wichtigsten Fragen eines Jüngers ist, ob Gott ihn zur Ehe oder zur Ehelosigkeit berufen hat. Das ist sehr seltsam ausgedrückt. Der Autor fügt auch sofort an, dass Gott als Normalfall die Ehe für den Menschen vorgesehen hat. Aber mit dieser zweiten Aussage stellt er die scheinbar wichtigste Frage bereits in Frage. Denn sie stellt sich für viele nicht, die den Hinweis für sich in Anspruch nehmen (dürfen), dass es nicht gut ist, dass der Mensch allein ist (1. Mo 2,18). Der Herr wird einem Jünger schon deutlich machen, wenn er nicht für diese „Norm“ geschaffen ist. Damit muss sich somit niemand ausführlich beschäftigen. Es klingt zwar sehr geistlich, sich darüber intensiv Gedanken zu machen. Aber im Allgemeinen merkt man, ob man allein bleiben kann und nicht durch sexuelle Kräfte oder Einsamkeit geplagt wird.

Resümee

Diese kritischen Punkte zeigen, dass ich dieses Buch von William MacDonald leider nicht empfehlen kann. Es geht in weiten Teilen des Buches am Kern wahrer Jüngerschaft vorbei und führt in einem wesentlichen Punkt ganz in die Irre. Inzwischen gibt es mit dem Buch über Jüngerschaft von Markus Furrer (Beröa-Verlag) eine empfehlenswerte Alternative, die ich jedem Leser gerne ans Herz lege.

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