Ist die Todesstrafe christlich? (FMN)

Lesezeit: 8 Min.

Liebes FMN-Team!

Als ich in den Archiven eurer Zeitschrift gestöbert habe, bin ich auf einen interessanten Artikel zu einem aktuellen Thema gestoßen - Todesstrafe (Heft Januar 2014). In dem es hauptsächlich darum ging, ob es der Wille Gottes sei, dass der Staat Menschen zum Tode verurteilt. Nach dem Lesen kam dann in mir die Frage auf, ob ein Christ, also eine Einzelperson, mit all seinen christlichen Werten überhaupt die Todesstrafe befürworten darf und was die Bibel (sowohl im Alten als auch im Neuen Testament) zu dieser Thematik sagt? Und wann ist ein Christ überhaupt ein Christ? Was macht einen Christen aus? Was sind christliche Werte?

Mit freundlichen Grüßen

L.

Liebe L.,

herzlichen Dank für Deine Mail! Wir freuen uns, dass Du nicht nur an neuen, sondern auch an älteren Artikeln Interesse hast. Das Thema der Todesstrafe bleibt durch die Hinrichtungen in den USA, den Vorstoß des ungarischen Ministerpräsidenten vor einiger Zeit und durch manche andere Vorkommen aktuell.

1. Todesstrafe - etwas Unchristliches?

Wie in Heft 1/2014 geschrieben, hat Gott Regierungen nach Römer 13 auch in der christlichen Zeit „das Schwert" übertragen. Wofür diente zur Zeit des Apostels Paulus das Schwert? Es war eine Waffe, mit der jemand getötet wurde. Daher liegt es nahe, beim Erwähnen des Schwertes in Römer 13,4 die Todesstrafe als staatliche Handlungsmöglichkeit mit einzubeziehen: „Sie [die Regenten, die Obrigkeit, die Regierung] ist Gottes Dienerin, dir zum Guten. Wenn du aber Böses verübst, so fürchte dich, denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; denn sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe [wörtlich: zum Zorn] für den, der das Böse tut" (Röm 13,4).

Gott hat der Regierung dieses Mittel bis heute gegeben, um Böses zu bestrafen. Damit gibt es ein Abschreckungs- und ein Vergeltungsmittel, das auch heutige Regierungen gegen Böses, das heißt gegen Mörder (vgl. 1. Mo 9,6) einsetzen können. Dabei ist natürlich zu bedenken, dass leider viele Regierungen dieses Recht ganz falsch benutzen oder auch, dass viele Fehlurteile gefällt werden. Deshalb sollten wir auch in diesem Sinn für die Personen in Regierungs- und Entscheidungspositionen beten. Aber diese Missbräuche ändern nichts an der grundsätzlichen Machbefugnis und -anweisung, wie sie Gott gegeben hat.

Gott ordnet das so an. Dürfen wir als Christen das dann nicht ebenfalls so sehen? Wir sollten alle Dinge so bewerten, wie Gott sie beurteilt. Genau das ist christlich. Das heißt nicht, dass ein Christ „ausführendes Instrument" der Todesstrafe sein möchte. Denn für unser persönliches Leben gilt, dass wir an Christi statt bitten: „Lass dich versöhnen mit Gott" (vgl. 2. Kor 5,20). Wir geben den Menschen die gute Botschaft vom Kreuz weiter. Daher werden wir sicher, wenn eben möglich, vermeiden, tatsächlich das „Schwert" der Regierung zu tragen. Allerdings verbietet uns Gottes Wort das nicht.

Sollte der Christ für die Todesstrafe demonstrieren?

In jedem Fall halten wir das für gerecht, was Gott in seiner Weisheit den Regierungen aufträgt. Wer dieses Mittel grundsätzlich ausschließt, nimmt Gottes Wort in diesem Punkt nicht ernst.

Wir werden als Erlöste in Deutschland, wo die Todesstrafe abgeschafft worden ist, allerdings nicht für diese demonstrieren. Denn Christen sollten als Himmelsbürger keinen aktiven Einfluss auf die Verantwortung des Staates nehmen. In Römer 13 werden wir nicht aufgefordert, dafür öffentlich auf die Straße zu gehen oder Petitionen zu unterschreiben, dass der Staat seine Aufgaben wahrnimmt. Wir haben den Auftrag, uns diesen von Gott gegebenen staatlichen Gewalten unterzuordnen. Wir mischen uns zudem nicht in Angelegenheiten ein, für die wir nicht verantwortlich sind: „Dass doch niemand von euch leide ... als einer, der sich in fremde Sachen mischt" (1. Pet 4,15).

Manche „leiden" deswegen, weil sie an einer Demo gegen staatliche Handlungsweise teilnehmen und dabei von Regierungsbeamten weggetragen oder in Gewahrsam genommen werden. Wenn das einen Christen betrifft, handelt er im Widerspruch zu den Worten des Petrus und damit dem Wort Gottes.

Seit wann gibt es die Todesstrafe?

Regierungen haben schon seit Noah die Aufgabe, das Böse zu verurteilen und zu richten, wenn nötig mit dem Schwert. Noah wurde nach der Flut gesagt: „Euer Blut, nach euren Seelen, werde ich fordern; von jedem Tier werde ich es fordern, und von der Hand des Menschen, von der Hand eines jeden, seines Bruders, werde ich die Seele des Menschen fordern. Wer Menschenblut vergießt, durch den Menschen soll sein Blut vergossen werden; denn im Bild Gottes hat er den Menschen gemacht" (1. Mo 9,5.6).

Das zeigt, dass Gott sogar will, dass selbst Tiere getötet werden, wenn sie Menschen getötet haben. Das zeigt Er später in entsprechenden Vorschriften im Gesetz erneut. Besonders aber ging es Gott auch damals schon um Menschen, die andere umbringen. Diese Verantwortung des Richtens hat Gott seit diesem Zeitpunkt menschlichen Regierungen übertragen. Das betrifft sowohl die Zeit des Alten als auch die des Neuen Testaments, denn zur Zeit Noahs gab es das Gesetz vom Sinai noch nicht, unter dem wir als Christen heute nicht stehen. Hätte Gott uns im Neuen Testament nicht eine Änderung seines Prinzips offenbart? Er hat das Gegenteil getan und in den genannten Stellen diesen Grundsatz bestätigt.

Steht die Todesstrafe im Widerspruch zu christlichen Werten?

Diese Frage hat also nichts mit „christlichen Werten" oder damit zu tun, in welcher Zeit man lebt. Denn Regierungen sind nicht Teil des christlichen Glaubens, sondern haben von unserem Schöpfer-Gott Aufgaben in der (natürlichen) Schöpfung zugeteilt bekommen. Das gilt unabhängig davon, ob sie in der christlichen Zeit oder in einer früheren Epoche Regierungsgewalt besaßen. Wir sind ja nicht nur Christen, sondern zugleich auch Geschöpfe Gottes. Als solche ordnen wir uns den Regierungen unter und „befürworten" alles, was Gott eingerichtet hat.

Die Frage der Todesstrafe hat somit damit zu tun, dass wir Geschöpfe Gottes sind. Sie ist unabhängig davon zu beantworten, ob man in der christlichen Zeit oder einer vor- bzw. nachchristlichen Zeit lebt.

2. Was macht das christliche Leben aus?

Du fragst weiter, wann ein Christ wirklich Christ ist, oder anders ausgedrückt: Was macht einen Christen aus? Interessanterweise finden wir den Ausdruck „Christ" in Gottes Wort nur dreimal.

Christen in der Bibel

  1. In Apostelgeschichte 11,26 lesen wir, dass die Jünger zuerst in Antiochien Christen genannt wurden. Früher habe ich gedacht, dass diese Bezeichnung daher rührt, dass man im Leben dieser Gläubigen viel von Christus sehen konnte. Aber das kann nicht richtig sein. Denn Antiochien war eine Stadt, die weit entfernt von Jerusalem lag. In ihr wohnten im Wesentlichen Heiden, die den Herrn Jesus überhaupt nicht kannten und daher auch nicht in der Lage waren, das Leben dieser Gläubigen mit dem von Christus zu vergleichen. Nein, diese Erlösten wurden deshalb Christen genannt, weil sie immer wieder vom Herrn Jesus erzählt haben (und einen solchen Lebensstil hatten, der auch in den Augen der Ungläubigen vorbildlich war). Vermutlich war „Christen" daher zunächst einmal ein Spottname.
  2. Mit Agrippa verwendet erneut ein Ungläubiger diesen Begriff im Blick auf einen Erlösten. Er sagt zu Paulus: „In kurzem überredest du mich, ein Christ zu werden" (Apg 26,28). Er meint damit, dass er fast dazu gebracht worden ist, zu dieser verachteten Gruppe zu gehören.
  3. Petrus schreibt dann in seinem Brief davon, dass jeder von uns bereit sein soll, „als Christ" zu leiden (1. Pet 4,16).

Als Christ bekannt sein

Es gibt eine Voraussetzung, um Christ sein zu können: Das ist die persönliche Bekehrung. Als Christ bekannt zu sein beinhaltet aber mehr. Dazu ist es nötig, sich zu Christus zu bekennen. Das geschieht zunächst durch ein mündliches Bekenntnis und durch die Taufe, durch die ich mich auf die Seite des Herrn Jesus stelle. Dann aber soll mein Leben besonders durch zwei Dinge geprägt sein:

  1. Ein Christ lebt so, wie Christus gelebt hat. Der Herr Jesus ist sein Vorbild, den er nachahmt, dem er nachfolgt.
  2. Ein Christ erzählt anderen Menschen vom Herrn Jesus. Er weist auf seinen Retter und sein Vorbild hin (vgl. z. B. Mk 16,15; Apg 1,8; 17,30; Off 2,13). Dieses „Erzählen" beginnt mit einem Lebenswandel, indem wir uns als Lichter erweisen (vgl. Phil 2,15), so dass unser mündliches Zeugnis zum Herrn Jesus, das eingeschlossen ist, glaubwürdig sein kann. Das alles sollen wir in Weisheit tun, so dass unser Zeugnis annehmbar ist (Kol 4,5).

Konkret?

Auf diese Weise kann nur jemand leben, der „auf den Herrn Jesus sieht". Mose strahlte, als er vom Berg Sinai zurückkam, wo er mit Gott gesprochen hat und manche Herrlichkeit sehen durfte (vgl. 2. Mo 34,29). Wie geht das konkret? Wir können den Herrn Jesus sehen, wenn wir in der Bibel von Ihm lesen und im täglichen Leben immer wieder neu fragen: „Herr Jesus, was soll ich heute wann und wie tun?" Sei sicher, dass du Ihn dann praktisch „erleben" wirst, wie Er dich in Lebenssituationen lenkt.

3. Was sind christliche bzw. biblische Werte?

Zum Schluss fragst du noch nach christlichen Werten. Die gibt es tatsächlich, obwohl sich viele Denkanstöße und Handlungshinweise im Neuen Testament nicht grundsätzlich vom Alten Testament unterscheiden. Wenn wir zum Beispiel zur Gastfreundschaft aufgefordert bzw. ermahnt werden zu lieben, dann gab es das auch schon im Alten Testament. Das gilt für viele praktische Ermahnungen. Aber mindestens drei wesentliche Glaubensfundamente gibt es erst in unserer christlichen Zeit:

  1. eine vollbrachte Erlösung - durch den Herrn Jesus am Kreuz;
  2. einen verherrlichten Menschen im Himmel - Christus Jesus;
  3. den persönlichen Besitz des Heiligen Geistes, der in jedem Erlösten (und in der Versammlung Gottes) wohnt.

Nur Christen wissen, dass sie durch das Werk Jesu am Kreuz gerettet sind. Nur sie können Heilsgewissheit besitzen. Zudem besitzen sie durch den Heiligen Geist eine Kraftquelle, auf die sie sich stützen können. Und der Geist Gottes lenkt ihre Augen immer wieder auf den Herrn Jesus. Christus aber lebt nicht mehr auf der Erde, sondern ist im Himmel verherrlicht. Der Blick auf Ihn in der Herrlichkeit gibt ihnen für jeden Tag neue Kraft.

Licht und Liebe in konkreten Lebenssituationen

Dadurch sind die Erlösten heute in der Lage, „christliche Werte" zu verwirklichen. Petrus nennt das „Tugend" (2. Pet 1,5), ein Leben mit geistlicher Energie und Entschiedenheit. Johannes verbindet das christliche Leben mit dem ewigen Leben (1. Joh 2,25), das Gott uns im Herrn Jesus geschenkt hat. Paulus bezieht das auf den neuen Menschen, den wir angezogen haben (Kol 3,10).

Alle drei Schreiber verknüpfen das christliche Leben letztlich damit, dass wir Gottes Wesen offenbaren: Licht und Liebe (1. Joh 1,5; 4,8). Auf diese Wesenszüge kann man jeden anderen christlichen Wert zurückführen, der uns kennzeichnen soll, z. B.: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Langmut, einander ertragend und vergebend (Kol 3,12 ff.), Gehorsam, Gerechtigkeit (1. Joh 2,3 ff.).

Christliche Werte offenbaren also etwas von der Herrlichkeit und dem Handeln Gottes. Er hat das sichtbar gemacht durch den Herrn Jesus, der genau so gehandelt hat, als Er hier lebte. Wer daher den Fußspuren Jesu folgt, lebt christliche Werte aus.

Ich hoffe, dass diese Bemerkungen deine Fragen beantworten.

Herzliche Grüße im Herrn Jesus

Manuel

Folge mir nach – Heft 10/2018

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