Sola Scriptura (IGL)

Lesezeit: 7 Min.

Schon immer gab es zwei Gefahren im Blick auf den Umgang mit der Bibel:

  • Man kann zum Wort Gottes etwas hinzufügen.
  • Man kann vom Wort Gottes etwas wegnehmen.

Diesen beiden Gefahren begegnet Gottes Wort, indem es sich mehrfach gegen beide Methoden wendet. Vor beiden Ansätzen wird gewarnt, beide werden verurteilt. Interessanterweise finden wir entsprechende Bibelverse am Anfang, in der Mitte und am Ende von Gottes Wort:

  • „Ihr sollt nichts hinzutun zu dem Wort, das ich euch gebiete, und sollt nichts davon wegnehmen, damit ihr die Gebote des Herrn, eures Gottes, haltet, die ich euch gebiete" (5.Mo4,2).
  • „Das ganze Wort, das ich euch gebiete, das sollt ihr halten, es zu tun; du sollst nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen" (5.Mo13,1).
  • „Tu nichts zu seinen Worten hinzu, damit er dich nicht überführe und du als Lügner befunden werdest" (Spr30,6).
  • „Ich bezeuge jedem, der die Worte der Weissagung dieses Buches hört: Wenn jemand zu diesen Dingen hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen hinzufügen, die in diesem Buch geschrieben sind; und wenn jemand von den Worten des Buches dieser Weissagung wegnimmt, so wird Gott sein Teil wegnehmen von dem Baum des Lebens und aus der heiligen Stadt, wovon in diesem Buch geschrieben ist" (Off22,18.19).

Was ist das Problem des Wegnehmens?

Wenn ich anfange, Teile aus dem Wort Gottes zu „streichen", nehme ich diesem Wort die Autorität über das Glaubensleben. Größter „Begründer" dieser Vorgehensweise des Streichens ist die sogenannte Bibelkritik. Beispielsweise wollen Vertreter der Historisch-kritischen Methode seit dem 19. Jahrhundert selbst bestimmen, welche Teile der Bibel ursprünglich sind und wo es Hinzufügungen gibt. Da bei dieser Verfahrensweise jeder zu eigenen Entscheidungen kommt, hat man am Ende gar nichts mehr als objektiven Maßstab in Händen. Zwischen den Buchdeckeln der Bibel stünde am Ende nichts mehr, was als allgemeingültig anerkannt würde.

Aber das ist nicht der einzige Weg, Text aus dem Wort Gottes zu streichen. Die wenigsten von uns werden überhaupt mit der historisch-kritischen Methode zu tun haben. Aber jeder kennt vermutlich Bibelverse, die er als einengend und für das praktische Glaubensleben schwer zu verwirklichen empfindet. Diese streiche ich gewissermaßen für mich, wenn ich ihnen nicht gehorsam bin. Damit weiche ich den Bibelstellen aus, die mir nicht gefallen. Wenn aber ich mir das Recht herausnehme, Aussagen des Wortes Gottes auszuradieren, muss ich meinen Mitgläubigen dieselbe „Freiheit" einräumen. Das ist in letzter Konsequenz auch nichts anderes als die Handlungsweise der modernen Bibelkritik, durch die nichts mehr von Gottes Wort übrig bleibt. Denn wenn jeder aus seiner persönlichen Überlegung heraus etwas aus der Bibel streicht, bleibt ja am Ende nichts mehr übrig.

Ein Bibelausleger hat einmal geschrieben: „Wenn wir anfangen, Gottes Wort zu beurteilen, hört Gottes Wort auf, uns zu beurteilen." Und damit haben wir nichts mehr in Händen, was mit göttlicher Autorität behaftet ist. Jeder kann tun, was in seinen Augen gut ist. Das aber ist ein unbiblischer Grundsatz.

Zwei Beispiele

Wie leicht wir uns damit tun, vom Wort Gottes unmerklich Passagen wegzustreichen, illustrieren zwei Beispiele aus dem Leben von Männern und Frauen. Zuerst ein Beispiel, das unser sichtbares Leben betrifft, dann eines, was mehr die innere Seite behandelt (auch wenn diese natürlich äußerlich wahrnehmbar wird).

  • „Ich will nun, dass die Männer an jedem Ort beten" (1.Tim2,8). Wir Männer werden aufgefordert, an jedem Ort die Verantwortung für das hörbare Gebet zu übernehmen. Darum geht es an dieser Stelle, wo der Mann in einen Kontrast zur Frau gestellt wird. Warum gibt es dann so viele Männer, die man nie in den Zusammenkünften beten hört? Sie haben für sich unmerklich diesen Satz aus ihrer Bibel gestrichen, vielleicht nie darüber nachgedacht. Natürlich bedarf es eines gewissen Mutes, in einer größeren Zusammenkunft zu beten. Aber wenn Gott uns dazu auffordert, schenkt Er uns auch die nötige Kraft und Freude.
    „Ebenso auch [will ich], dass die Frauen sich in bescheidenem Äußeren mit Schamhaftigkeit und Sittsamkeit schmücken, nicht mit Haarflechten und Gold oder Perlen oder kostbarer Kleidung, sondern was Frauen geziemt, sie sich zur Gottesfurcht bekennen - durch gute Werke" (1.Tim2,9.10; vgl. 1.Pet3,3.4). Warum sieht man dann so viele gläubige Frauen mit Schmuck und wenig Sittsamkeit und Reinheit, was ihre Kleidung betrifft? Haben sie nicht unmerklich diese Sätze aus ihrer Bibel gestrichen?
  • „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch der Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat" (Eph5,25). Lieben heißt dienen und ist das Gegenteil von Herrschen. Warum lassen wir Männer uns dann so oft von unseren Frauen bedienen und herrschen über sie, anstatt ihre Bedürfnisse mit Hingabe, Energie und Zeit zu beantworten?
    „Ihr Frauen, ordnet euch euren eigenen Männern unter, als dem Herrn" (Eph5,22). Warum sehen wir, dass so viele Frauen zu Hause „die Hosen anhaben" und ihre Männer kommandieren, statt diesen die Entscheidungen für das Ehe- und Familienleben zu überlassen?

Es ist nicht schwer, ein scharfes und kritisches Auge für andere zu haben, die Gottes Wort beschneiden. Wir werden aber in erster Linie aufgefordert, selbst Gottes Anweisungen ernst zu nehmen. Wir sollten zunächst einmal jede Aufforderung, die sich an Christen richtet, für uns selbst als gültig erkennen. Das Versagen eines Mitgläubigen - und sei es der Ehepartner - berechtigt uns nicht, die an uns selbst gerichteten Aufforderungen aus Gottes Wort zu streichen.

Natürlich sind wir nicht so töricht, offen zuzugeben, dass wir Aussagen aus der Bibel streichen. Entscheidend aber ist nicht, was wir sagen, sondern was wir tun. Wie hatte denn das Volk Israel die Gebote des Herrn weggenommen? Indem sie sie nicht mehr beachtet haben. Das ist es, was Gott auch bei uns sieht und mit seiner Zucht begleitet.

Was ist das Problem des Hinzufügens?

Genauso böse wie das ungültig machen biblischer Aussagen, indem wir sie für uns aus dem Wort Gottes streichen, ist eine entsprechende Hinzufügung. Vermutlich fällt uns diese Gefahr weniger auf. Der Herr Jesus muss aber gerade diesen Punkt seinen jüdischen Zeitgenossen vorwerfen und in schärfster Weise verurteilen.

„Das Gebot Gottes habt ihr aufgegeben, und die Überlieferung der Menschen haltet ihr ... Geschickt hebt ihr das Gebot Gottes auf, um eure Überlieferung zu halten ..., indem ihr das Wort Gottes ungültig macht durch eure Überlieferung, die ihr überliefert habt" (Mk 7,8-13).

Die Juden hatten viele Traditionen, die sie dem Gebot Gottes hinzufügten. Dazu gehörten spezielle Waschungen, auch die Art, wie man sich vor dem Essen die Hände zu waschen hatte. Der Herr nennt an dieser Stelle zudem konkrete Gebote, die sie in ihre Traditionen aufgenommen hatten. Beispielsweise konnten Juden ihren Eltern die von Gott angeordnete Ehre verweigern.

Unabhängig davon, ob ein zusätzliches Gebot direkt im Widerspruch zu einem anderen Gebot stand oder nicht, war es eine Hinzufügung zum Gesetz. Damit wurde es zu einer Entwertung dessen, was Gott angeordnet hatte. Denn wenn Gott ein bestimmtes Gebot nicht gegeben hatte, wie konnte ein Mensch meinen, dass es dennoch notwendig wäre, es zu halten? Damit zerstörte der Mensch Gottes Anweisungen.

Das gilt auch uns heute. Es ist nichts gegen persönliche Gewohnheiten einzuwenden, wenn sie nicht mit Gottes Wort kollidieren. Im Leben Jesu finden wir auch solche Gewohnheiten (Lk 4,16; 22,39). Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass Er der Gesetzgeber ist und derjenige, der das Wort Gottes verfasst hat. Was uns betrifft, dürfen wir beispielsweise die Gewohnheit haben, morgens zu lesen und zu beten. Aber wenn wir das zu einer Pflicht machen für die Gläubigen, die man einhalten muss, um beispielsweise getauft werden zu können oder am Brotbrechen teilnehmen zu dürfen, fügen wir Gottes Wort etwas hinzu.

Jedes auferlegte Gebot, das nicht von Gottes Wort gedeckt ist, ist eine Hinzufügung und kann das Wort Gottes ungültig machen. Genau das hat der Herr Jesus den Juden gemäß Markus 7 gesagt. Wenn uns das mehr bewusst wäre, würden wir vorsichtiger mit Traditionen umgehen, die in sich selbst nicht verkehrt oder böse sein müssen. Aber sie werden es, wenn wir ihnen Autorität geben über andere, wenn wir von Gläubigen fordern, solche Überlieferungen einzuhalten.

Notwendige Schlussfolgerungen aus Gottes Wort

Allerdings gilt es noch eines zu bedenken, wenn man über Hinzufügungen nachdenkt. Denn es gibt Schlussfolgerungen, die wir aus Gottes Wort ziehen müssen, die keine Beifügung darstellen. Nehmen wir den Hinweis des Herrn in Matthäus 19,9. Der Herr sagt, dass „wer irgend seine Frau entlässt, nicht wegen Hurerei, und eine andere heiratet, Ehebruch begeht". Diese Aussage des Herrn führt zu der notwendigen Schlussfolgerung, dass jemand, der seine Frau entlässt, weil sie Hurerei begangen hat, keinen Ehebruch begeht, wenn er danach eine andere Frau heiratet. Solche Schlussfolgerungen stellen keine Tradition oder menschliche Meinung dar, sondern müssen von uns gezogen werden, wenn wir den Herrn richtig verstehen wollen.

Das gilt auch beispielsweise auch für 1. Korinther 5,10.11. Die Tatsache, dass in Vers 11 drei weitere Sünden (bzw. Charakterzüge von Sünden im Menschen) genannt werden, die in Vers 10 nicht zu finden sind, macht deutlich, dass diese Liste nicht vollständig ist. Eine notwendige Schlussfolgerung ist somit, dass man sich nicht auf bestimmte Sünden beschränken darf, wenn es um einen sündigen Zustand geht, dessentwegen jemand aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen werden muss (Vers 13). Es geht dem Apostel um den (sündigen) Zustand als solchen. Diese Schlussfolgerung ist somit notwendig und keine Hinzufügung zu Gottes Wort.

Zusammenfassung

Gott Wort ist vollkommen und abgeschlossen. Jeder, der meint, etwas zu diesem Wort hinzufügen zu müssen, sagt damit letztlich, dass Gott Fehler gemacht hat und Dinge in seinem Wort vergessen hätte. Umgekehrt sagt jemand, der Dinge als überflüssig ansieht, dass Gott Dinge in sein Wort aufgenommen hat, die unnötig sind.

Nein, wir halten daran fest: „Alle Rede Gottes ist geläutert" (Spr 30,5). Mit David sagen wir: „Die Worte des Herrn sind reine Worte - Silber, das geläutert im Schmelztiegel zur Erde fließt, siebenmal gereinigt" (Ps 12,7). Gottes Wort muss nicht ergänzt werden. Es muss nicht gekürzt werden. Es ist und bleibt ewig vollkommen und vollständig gültig. Gott hat uns dieses Geschenk gemacht und dafür danken wir Ihm von Herzen, auch indem wir Ihm gerne gehorsam sind.

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