Das Binden und Lösen (praktische Beispiele)

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Wie muss man sich das bei Petrus praktisch vorstellen? Wir finden in der Apostelgeschichte, dass Petrus in Apostelgeschichte 2,40.41 den Menschen, die in Aufrichtigkeit Buße getan hatten, eine Art Sündenvergebung zuspricht, und zwar allein für diese Erde. Das ist der Gedanke der Taufe. Darum wurden diejenigen, die sich von dem damals lebenden verkehrten Geschlecht retten ließen und zu dem Herrn Jesus wandten, getauft. Petrus hat keine Autorität über Sündenvergebung für den Himmel. Diese liegt allein bei Gott. Aber was die Erde betraf, bekam er von dem Herrn eine solche Autorität übertragen. Zugleich waren diese Menschen dadurch – was die Darstellung der Versammlung (Gemeinde, Kirche) Gottes betrifft – in praktischer Gemeinschaft mit den Gläubigen. Von einer speziellen Aufnahme (oder Zulassung), wie wir sie heute im Allgemeinen kennen, lesen wir in der Anfangszeit des Christentums noch nichts. Denn wer sich zu dem Herrn Jesus bekannte, wollte mit den Gläubigen zusammen den Herrn anbeten. Verschiedene kirchliche Wege, wie wir sie heute leider kennen, gab es damals noch nicht.

In Apostelgeschichte 3,17 verkündet der Apostel Petrus, dass die Juden den Herrn Jesus in Unwissenheit ans Kreuz gebracht hatten. Damit befreit er sie von dem Bann, mit erhobener Hand gesündigt zu haben (vgl. 4. Mo 15,30.22). Das wäre nämlich eine Sünde gewesen, für die es kein Opfer der Vergebung gab. Diese Autorität besaß nicht jeder Jünger. Petrus bekam sie hier vom Herrn speziell übertragen.

In Apostelgeschichte 5 sehen wir, dass Petrus einen Bann auf Ananias und seine Frau Sapphira bindet. Sie hatten den Heiligen Geist belogen, und Petrus bindet diese Sünde und ihre Folgen auf diese beiden Gläubigen. Wer hier die Frage der ewigen Errettung hineinbringt, kann weder das Handeln von Petrus verstehen noch das Handeln Gottes, diese Menschen zu töten (eine Sünde zum Tod, vgl. 1. Joh 5,16). Ein solcher Gedanke würde nur Verwirrung stiften, denn er versteht nicht, dass diese Zucht Gottes keineswegs bedeutet, dass Ananias und Sapphira nun ewig verloren wären.

Gerade diese Handlung von Petrus verdeutlicht übrigens sehr schön, was der Herr Jesus seinem Jünger hier sagt: Es würde im Himmel gebunden bzw. gelöst sein, was er auf der Erde band bzw. löste. Petrus bindet die Sünde auf diese beiden Personen. Der Himmel – das heißt der Vater im Himmel – erkennt dies an und bestätigt es, indem Er diese beiden Menschen von der Erde wegnimmt. Das, was Petrus tat, war auch im Himmel gebunden. So bestand die Autorität von Petrus im positiven wie im negativen Sinn mit weit reichenden Auswirkungen.

Ähnliches finden wir in Apostelgeschichte 8, wo der Zauberer Simon sich zwar äußerlich auf die Seite der Nachfolger des Herrn stellte, innerlich aber weit von Gott entfernt war. Sein einziges Ziel war es, große Machtwunder zu tun – jetzt im Namen des Herrn. Petrus bindet die Sünde an diesen bösen Mann und sagt: „Dein Geld fahre samt dir ins Verderben, weil du gemeint hast, dass die Gabe Gottes durch Geld zu erwerben sei! Du hast weder Teil noch Anrecht an dieser Sache“ (Apg 8,20.21).

In diesem Sinn kann man den zweiten Teil von Matthäus 16,19 auch als eine praktische Erklärung des ersten Teils verstehen, so dass man gar nicht weiter überlegen muss, was unter den Schlüsseln im Einzelnen zu verstehen sein mag. Zugleich zeigen uns diese praktischen Erwägungen, dass die Gedanken des Königreichs und der Versammlung zwar klar unterschieden werden müssen, letztlich aber nicht zu trennen sind.

Den Zusammenhang von Versammlung und Reich haben wir schon in Matthäus 13 gesehen, wo der Herr das Königreich der Himmel direkt mit der Perle, der Versammlung, verbindet. Hier in Matthäus 16 sehen wir es in Bezug auf die Offenbarung, die der Herr Petrus macht. Und wenn wir uns näher mit dem Thema „Versammlung“ beschäftigen, werden wir sehen, dass die göttliche Seite der Versammlung immer wieder neben die Seite unserer Verantwortung gestellt wird. Und dann sind wir sogleich bei dem Thema „Königreich der Himmel“.

Daher gehören die Belehrungen von Matthäus 16,19; 18,18 und Johannes 20,23 zu einem gemeinsamen Themenkreis. In Matthäus 16,19 führt der Herr den Gedanken des Bindens und Lösens ein und zeigt, dass in der Anfangszeit besonders Petrus diese Aufgabe übertragen bekam. Später würde dann nach Matthäus 18 die Versammlung dieses Binden und Lösen übernehmen. Nach dem Kreuz bestätigt der Herr, dass in der Anfangszeit gerade die Apostel Autorität zum Lösen und Binden bekamen (vgl. Joh 20,23). Denn die Versammlung war soeben erst gebildet worden und musste zunächst durch die Apostel belehrt werden, was Binden und Lösen eigentlich bedeutet.

Petrus und die anderen Apostel waren der Versammlung allerdings nur in der Anfangszeit gegeben. Heute gibt es keine Apostel mehr. Ihre Aufgaben werden nun im Blick auf die Versammlung nicht mehr von Einzelnen, sondern von der Versammlung insgesamt wahrgenommen. Es scheint, als ob Petrus in Matthäus 16 letztlich als Repräsentant der anderen Jünger gesehen wird, für die er ja dieses großartige Bekenntnis des Herrn Jesus ausgesprochen hat. Denn der Herr hatte nicht Petrus, sondern die Jünger insgesamt danach gefragt, was sie von Ihm zu sagen wussten.

Und die Jünger in Johannes 20,19-23 sind wiederum ein Bild der ganzen Versammlung, die nach ihrer Etablierung auf der Erde diese Aufgabe von den Aposteln übernehmen würde.

Im Blick auf Matthäus 16 halten wir fest, dass Petrus sicher stärker als die anderen Jünger die Aufgabe bekommen hat, regierende Verantwortung auf der Erde zu übernehmen. Später sehen wir, dass auch Paulus in dieser Autorität tätig war, indem er Menschen dem Satan überlieferte, wenn es notwendig war. Das war keine Aufgabe, die er sich wünschte. Aber wenn es notwendig war, so war er bereit, diese Autorität auszuüben. In 1. Korinther 5,5 schreibt er dies den Korinthern; in 1. Timotheus 1,20 schreibt er seinem Mitarbeiter Timotheus, dass er diese züchtigende Handlung ausführen solle.

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