Gabe des Nicht-Heiratens

Lesezeit: 5 Min.

Frage:

In diesen Tagen wurde ich mit einer Frage konfrontiert, die offenbar sehr selten gestellt wird, denn ich konnte keinen Artikel zu diesem Thema finden. Die Frage lautet: Wie erkenne ich, ob ich die Gabe des Ledigseins nach 1. Kor. 7,7 und 37 habe? Es gibt manche Artikel zum Ledigsein, aber meistens mit der Frage: Wie kann ich aus dieser Situation, die ich mir nicht selbst ausgesucht habe, mit der Hilfe des Herrn das Beste machen? Was aber, wenn man viel glücklicher alleine ist? Viel besser seine geistlichen Aufgaben ohne Partner ausüben kann und möchte? Ist das schon der Beweis der Gabe? Wie kann man sie abgrenzen von einer eventuell nicht geistlichen Einstellung wie z.B. (möchte lieber mein eigenes [geistliches] Leben führen, unabhängig sein – bzw. nur vom Herrn abhängig sein, mein Beruf gefällt mir besser als das Hausfrauen Dasein ...). „Verpflichtet" diese Gabe zum vollzeitigen Dienst im Werk des Herrn bzw. zum „Zeltmacherdienst"? Was genau bedeutet der „eigene Wille" in 1. Korinther 7,37? Kann ich aus dem Vorhandensein dieser Gabe schlussfolgern, dass sich der Bruder, der mir einen Heiratsantrag gemacht hat, bezüglich des Willens des Herrn getäuscht hat?

Antwort:

Es handelt sich tatsächlich um ein Thema, das eher selten behandelt wird, weil es heute vielleicht selten der Fall ist, dass jemand darüber nachdenkt, aus dem von Dir genannten Grund nicht zu heiraten. Ich glaube auch nach wie vor, dass es der „Normalfall" ist, dass ein Mensch heiratet. Immerhin gilt 1. Mose 2: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ (V. 18). Es ist also wirklich eine Gnadengabe nötig für das Nichtheiraten in diesem Sinn. Aber wie erkenne ich sie bei mir? Wie erkenne ich überhaupt eine Gnadengabe, z. B die eines Lehrers, eines Hirten etc.? Die erste Voraussetzung ist sicherlich, dass ich mir klar werde, welche Aufgabe(n) der Herr für mich hat. Diese legt der Herr mir oft in greifbare Nähe. Und wenn ich dann anfange, diese Aufgaben auszuführen, werde ich selbst merken, dass der Herr mich dafür entsprechend befähigt hat. Auch andere werden das merken: „Aha, der Herr hat ihn befähigt zu lehren, Hirtendienste zu tun etc.“ Sicher wird man nicht sogleich alles perfekt durchführen. Man wird immer zurückblicken und denken, wie stümperhaft man angefangen hat. Und das wird einem im Rückblick alle paar Jahre nicht anders gehen.

Die Gnadengabe, unverheiratet zu bleiben, ist – wie alle anderen – eine vom Herrn Jesus geschenkte (vgl. z. B. Eph 4,11), auch wenn sie nicht direkt geistlicher Natur ist. Sie ist immer persönlich. Oft merken andere eher als man selbst, was man für eine Gnadengabe hat. Sie ist immer etwas Besonderes. Aber Gnade und Gabe verpflichten auch. Denn die Gnadengabe ist zum Dienst und damit zum Nutzen und zur Erbauung der Gläubigen gegeben (vgl. 1. Kor 12,7; 1. Pet 4,10), auch die des „Nicht-Heiratens“. Und wenn sie nicht direkt das Wohl der Versammlung betrifft, dann verpflichtet sie doch, sie im Sinn Gottes zu benutzen.

Jetzt zum konkreten Fall: Das freiwillige Ledigbleiben hat – im Vergleich zu den oben genannten Gnadengaben – noch eine besondere Ausrichtung, die in dem von Dir zitierten Vers erwähnt wird. Es geht um die Kraft der Enthaltsamkeit, die nicht der Neigung erliegt, ständig übers Heiraten und über das Bedürfnis sexueller Befriedigung nachzudenken. Mit Rückbezug auf Vers 9 ist das wohl die Bedeutung vom „eigenen Willen“ in 1. Korinther 7,37. Niemand sollte hier seine eigene Kraft überschätzen. Das rate ich insbesondere Männern, weil durch die sexuellen Reize heute fast niemand in der Lage ist, sich dauerhaft zu beherrschen (bestes Beispiel ist das Problem der Selbstbefriedigung, die heute gang und gäbe ist 1). Auch Frauen sollten realistisch und nüchtern bleiben. Bei Frauen ist es vielleicht mehr der Kinderwunsch als allein sexuelles Bedürfnis und der Wunsch nach Geborgenheit in einer Ehe. Das muss auch eine Frau trotz ihrer im Allgemeinen eher emotionalen Empfindsamkeit besonnen zu beurteilen suchen.

Zusätzlich bedarf es eines wirklichen Herzensentschlusses vor dem Herrn (V. 37). Das schließt ein, dass man seine Zeit nicht in dieser Welt (in einem säkularen Beruf) vollständig verausgabt, sondern für den Herrn einsetzt. Das muss nicht heißen, sich komplett aus dem Berufsleben freizumachen. Aber der ausgeübte Beruf wird einem die Zeit lassen, daneben und darüber hinaus aktiv für den Herrn und die Geschwister tätig zu sein. 1. Korinther 7,32 zeigt, dass Gott durch diese Gnadengabe die Voraussetzung schafft, dass ein Gläubiger sich stärker als andere um die Dinge des Herrn kümmern kann. Man hat schlicht weniger Verpflichtungen in Ehe und Familie, die einem die Zeit für einen umfangreicheren Dienst für den Herrn geben.

Hat sich ein Mann vertan im Willen des Herrn, wenn er eine Schwester fragt, die solch einen Herzensentschluss gefasst hat? Das können wir Menschen nicht eindeutig beantworten – erst recht nicht für andere. Ich kenne Brüder, die nicht nur einmal „vergeblich" eine Schwester gefragt haben und bei denen ich den Eindruck habe, dass sie ihren Weg mit dem Herrn gegangen sind, gemäß dem Licht, das sie haben und hatten. Es kann damit ja auch eine von Gott gewollte Prüfung in seiner Schule für die Frau oder für den Mann oder auch für beide verbunden sein. Auf jeden Fall sollte der Mann die Entscheidung der Frau, „nein“ zu sagen, respektieren, und sich ihr nicht aufdrängen. Eine Frau sollte sich wiederum klar werden darüber, ob sie ihren Dienst wirklich am besten allein ausführen kann oder als Ehefrau (Beispiel Priszilla). Als Ehefrau besteht natürlich ihre erste Aufgabe darin, ihrem Mann eine Hilfe zu sein. Und dass auch Kinder hinzukommen können, ist im Allgemeinen natürlich auch zu erwarten.

Wie immer gibt es keine Pauschalantworten. Ich finde es gut, wenn sich jüngere Gläubige diese Frage überhaupt einmal stellen (wobei es nur allzu natürlich ist, wenn der Wunsch nach einer Ehe sich in den Vordergrund drängt). Niemand sollte seine eigenen Kräfte überschätzen. Aber wenn eine Schwester oder ein Bruder sich beherrschen (enthalten) kann (1. Kor 7,9), ist das vielleicht ein Hinweis für einen Weg, dem Herrn in besonderer Weise zu dienen. Und dieser Weg steht unter einer besonderen Segensverheißung (vgl. 1. Kor 7,40).

„Wer heiratet, tut wohl, und wer nicht heiratet, wird besser tun“ (1. Kor 7,38).
(aus: Folge mir nach - Heft 4/2012)

Fußnoten

  • 1 Siehe dazu den sehr hilfreichen Artikel im FMN-Heft 1/2010.
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