Ägypten, Israel und Europa: Was passiert eigentlich im Nahen Osten?

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Wer hätte vor einem halben Jahr gedacht, dass es in Ländern wie Tunesien, Ägypten, Jemen, Jordanien, Syrien usw. möglich sein könnte, dass eine Bewegung weg von einer Diktatur bzw. Autokratie (Selbstherrschaft) hin zu einer Art Demokratie von Erfolg gekrönt wäre? Wir wissen nicht, was am Ende durch diese von einer breiten Masse getragenen Aufstände herauskommen wird. Jedenfalls hat es den Anschein, dass sich die politischen Strukturen in dieser Region dramatisch verändern werden. Allerdings kann man sich kaum vorstellen, dass es dort dauerhaft zu demokratischen Verhältnissen kommen wird.

Das ist für uns als Christen von Interesse. Als Himmelsbürger geht es uns nicht darum, die Politik zu analysieren. „Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten“ (Phil 3,20) – unser Bürgertum ist nicht auf der Erde. Aber diese Region in und um den Nahen Osten liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Israel. Und jeder aufmerksame Bibelleser weiß, dass Israel das Herzstück der biblischen Prophetie ist. Nicht von ungefähr bezeichnet Gott sein Volk Israel als seinen „Augapfel“ (5. Mo 32,10; Sach 2,8) und Israel als den „Nabel der Erde“ (Hes 38,12).

Der nahe Osten – die ganze Erde

Zum Nahen Osten zählt man heute die folgenden Staaten: Israel, Palästina [kein Staat, sondern Region/Autonomiegebiet], Jordanien, Libanon, Syrien, Ägypten, Iran, Türkei, Irak, Kuwait, Bahrain, Oman, Katar, Saudi Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Jemen. In den vergangenen Jahren standen Israel und Palästina ständig im Mittelpunkt des Interesses. Nun aber sind, ausgehend von den Unruhen und Umwälzungen in Tunesien, Veränderungen in Ägypten, in Jemen, in Jordanien und Syrien ausgelöst worden, die das Gefüge in dieser Region nachhaltig verändern dürften.

Wenn man sich mit der Prophetie beschäftigt, gilt ein wichtiger Grundsatz: Das Kennen der Prophetie hilft uns, aktuelle politische Ereignisse und Entwicklungen besser einzuordnen und zu verstehen. Wer Prophetie kennt, liest die Tageszeitung gelassener. Aber Vorsicht: Nicht die Ereignisse erklären die Prophetie, sondern die Prophetie erklärt die Ereignisse. Dabei ist immer Vorsicht geboten, zu aktuellen Ereignissen passende Schriftstellen zu suchen. Denn die alttestamentliche Prophetie bezieht sich nicht auf die Versammlung (Gemeinde) und auch nicht auf die Zeit ihrer Existenz auf der Erde – sie war ein Geheimnis in der Zeit des Alten Testaments.

Wer mit diesem Bewusstsein die aktuellen Ereignisse betrachtet, ist auf der sicheren Seite. Wir wissen nicht, wann die „Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird“ (Off 3,10), beginnen wird. Diese „Stunde der Versuchung“ betrifft nicht Israel speziell, sondern Europa, Asien, Amerika und Afrika insgesamt. Davon unterschieden wird in der Bibel eine „große Drangsal“ (Mt 24,21) bzw. „eine Zeit der Drangsal für Jakob“ (Jer 30,7), die speziell und mit unvorstellbarer Intensität über das Land Israel und die dort wohnenden Juden kommen wird.

Diese Gerichte Gottes über sein Volk, das seinen eigenen König, den Herrn Jesus, verworfen und ans Kreuz gebracht hat, werden so furchtbar sein, dass der Herr Jesus zu seinen Jüngern sagen musste: „Wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Fleisch errettet werden“ (Mt 24,22).

Ägypten, Assyrien und Israel im Fokus

Warum sind die aktuellen Verwerfungen im Nahen Osten in dieser Hinsicht von Interesse? Auf der einen Seite sehen wir, dass Ägypten derzeit eine wichtige Funktion als eine Art Verbündeter Israels einnimmt. Davon ist in der Bibel allerdings keine Rede. In der Zeit des Alten Testaments war Ägypten einer der Hauptfeinde Israels. Und diese Ereignisse gelten immer wieder als prophetische Hinweise auf das, was in der Zukunft passieren wird, nachdem der Herr Jesus uns, die wir an Ihn glauben, und Gott unsere Sünden bekannt haben, in den Himmel geholt haben wird (vgl. Off 3,10; 1. Thes 4,15 ff.).

Ägypten wird dann sicher nicht mehr an der Seite Israels stehen. Ich habe allerdings nicht den Eindruck, dass Ägypten eine überragende Rolle in der Endzeit spielen wird. Wir lesen nämlich, dass der Assyrer – das sind, wenn man das frühere assyrische Reich mit heutigen Landesgrenzen vergleich, vielleicht die Staaten Syrien, Irak, Jordanien, Libanon und Teile der Türkei und des Iran, wobei man offen lassen muss, ob man sich streng nach diesen alten Grenzen richten muss – Israel besetzen und von dort aus auch Ägypten überrollen wird (Dan 11,42.43). Assyrien (Assur) wird also neben Europa und Israel in der Endzeit eine wichtige Funktion ausüben. Welche Rolle wird Ägypten spielen?

Aus Daniel 11,40 kann man schließen, dass der König des Südens, Ägypten, gegen den Assyrer, den König des Nordens, ankämpfen wird. „Und zur Zeit des Endes wird der König des Südens mit ihm [dem König des Nordens] zusammenstoßen, und der König des Nordens wird gegen ihn anstürmen mit Wagen und mit Reitern und mit vielen Schiffen, und er wird in dies Länder eindringen und wird sie überschwemmen und überfluten. Und er wird ins Land der Zierde eindringen, und viele Länder werden zu Fall kommen“ (Dan 11,40.41).

Offenbar treffen sich Ägypten und Assyrien im Land der Zierde, also in Israel. Da aber der Assyrer stärker sein wird als Ägypten, werden die Ägypter geschlagen und ins eigene Land zurückgedrängt, während der Assyrer Israel besetzen wird. Das zeigt, dass Israel das Zentrum aller Kämpfe in dieser zukünftigen Zeit sein wird. Zugleich sehen wir, dass sowohl Assyrien als auch Ägypten in diesen Kämpfen eine wesentliche Rolle spielen werden. Aus anderen Stellen (u. a. Off 19,17–21) wissen wir, dass auch Europa zu den zentralen Kriegsteilnehmern gehören wird.

Während Assyrien und Europa zunächst sehr erfolgreich sein werden, bis sie vom aus dem Himmel kommenden Herrn Jesus Christus besiegt werden, scheint Ägypten relativ schnell besiegt zu werden. In jedem Fall wird Israel Anlass und letztendliches Ziel aller Angriffsbemühungen sein. Alle führenden Kriegsparteien werden sich am Ende in Israel oder in der Nähe dieses Landes befinden: Europa zusammen mit dem Antichristen (Off 19,19 ff; 16,12 ff.), der Assyrer (Dan 11,44.45) und sogar die Mächte aus dem Osten, vielleicht China (Off 16,12).

Assyrien überrollt Israel und Ägypten

Eine der zahlreichen Stellen, in denen davon die Rede ist, dass Assyrien in der Endzeit gegen Israel (und andere Nationen) in furchtbarer Weise vorgehen und besonders Jerusalem belagern wird, findet sich in Jesaja 10: „Er [Assur, Vers 24] kommt gegen Aijat, zieht durch Migron; in Mikmas legt er sein Gepäck ab. Sie ziehen über den Pass, in Geba schlagen sie ihr Nachtlager auf: Rama bebt, Gibea Sauls flieht. Schrei laut, Tochter Gallims! Horche auf, Lais! Armes Anatot! Madmena eilt davon, die Bewohner von Gebim flüchten. Noch heute macht er Halt in Nob – er schwingt seine Hand gegen den Berg der Tochter Zion, den Hügel Jerusalems“ (Jes 10,28–32).

Diese minutiöse Beschreibung des Feldzugs Assyriens, der in Jerusalem einen ersten Endpunkt hat, ist beeindruckend. An anderen Stellen wird beschrieben, dass Assyrien wie ein Sturmwind und wie eine furchtbare Welle Israel und besonders Jerusalem überrollen und zerstören wird. Interessant, dass in Vers 24 der Angriff Assurs mit der Feindschaft Ägyptens verglichen wird.

Wie zur Zeit Nebukadnezars, als in der Zeit Jeremias viele Juden versuchten, vor dem babylonischen Herrscher nach Ägypten zu fliehen, dort aber von Nebukadnezar eingeholt und getötet wurden (Jer 41,16–43,13), werden auch in der künftigen Drangsalszeit viele versuchen, der Verwüstung Assyriens zu entkommen, indem sie nach Ägypten fliehen (vgl. Jes 30,1–6). Das werden vermutlich im Wesentlichen ungläubige Juden sein, auf die Jeremia 42,19 ff. hinweist. Diese Ungläubigen werden in ihr Verderben rennen, wenn sie meinen, in Ägypten Unterschlupf zu finden. Sie haben sich um den Preis ihrer Seelen getäuscht. Denn auch in Ägypten werden sie eingeholt werden, dieses Mal vom Assyrer und ihren Tod finden (vgl. Dan 11,42.43; Jes 19.20).

Im Blick auf das 1.000-jährige Friedensreich sehen wir, dass die Ägypter „zittern und beben vor dem Schwingen der Hand des Herrn der Heerscharen, die er gegen sie schwingen wird. Und das Land Juda wird für Ägypten zum Schrecken sein. Sooft jemand es vor den Ägyptern erwähnt, werden sie beben wegen des Ratschlusses des Herrn der Heerscharen, den er über sie beschlossen hat“ (Jes 19,17). Im Königreich selbst wird es dann darauf ankommen, dass die Ägypter jedes Jahr nach Israel hinaufziehen, um gesegnet zu werden (vgl. Sach 14,18.19). Also auch dann spielt die Beziehung zwischen Ägypten und Israel eine wichtige Rolle.

Demokratie oder Diktatur?

Diese Ereignisse und solch eine brutale Vorgehensweise kann man sich kaum vorstellen unter der Führerschaft eines demokratischen Assyriens. Ich erinnere noch einmal daran, dass hier Staaten wie Syrien, Irak, Iran und Jordanien unter einer gemeinsamen Herrschaft gesehen werden. Das wird wohl nur mit einer (neuen) Diktatur möglich sein. Umso interessanter, was jetzt in diesen Ländern passiert und wie die Regierungen und Königsherrscher mit den demokratisierenden Bemühungen umgehen werden!

Wir wissen nicht, wie lange es noch dauern wird, bis diese Ereignisse so, wie in Gottes Wort beschrieben, stattfinden werden. Wir wissen, dass die Erlösten dann im Himmel sein werden – daher kann das alles noch nicht stattfinden. Aber nach der Entrückung kann alles sehr schnell passieren.

Und was wird in Europa geschehen?

Dann aber wird auch in Europa Dramatisches passieren. Das ist ein zweiter Grund, warum die aktuellen Ereignisse um Israel für uns von großem Interesse sind. Denn wir wissen, dass in Europa wieder eine Diktatur entstehen wird. Es ist anzunehmen, dass auch Deutschland Teil des wieder entstehenden Römischen Reiches sein wird. Dass es dieses Reich ein zweites Mal geben wird, machen Stellen wie Offenbarung 13,3 und 17,11 deutlich. Dort ist von der Heilung einer Todeswunde die Rede, denn dieses Königreich wird sozusagen aus dem Zustand des Todes wieder neu entstehen. Es wird sich um eine furchtbare Diktatur handeln, wie man Offenbarung 13 entnehmen kann.

Wie aber kann man sich vorstellen, dass aus einem solch „demokratischen Europa“, wie wir es heute erleben, eine derart furchterregende Diktatur entsteht, wo doch Europa und die USA heute bemüht sind, überall Demokratien einzuführen? Wir können natürlich keinen genauen Weg beschreiben, da Gottes Wort dazu keine Aussagen macht. Aber wenn wir die Geschichte unseres eigenen Landes anschauen, wissen wir, dass große Unzufriedenheit, vielleicht verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit oder sozialen Unruhen, den Ruf nach einem starken Führer sehr schnell hervorbringen kann.

Man muss nur den derzeitigen Hass auf den Staat, auf „Reiche“ und die Banken überdenken, in die viele Milliarden Euro gepumpt worden sind, während den sogenannten Hartz-IV-Empfängern 5 Euro Erhöhung auf ihren bisherigen Satz von 359 Euro pro Person angeboten wird. Dann kann man sich gut vorstellen, dass auch in solch stabilen Ländern wie Deutschland Unruhen entstehen können, von Ländern wie Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und Irland einmal ganz abgesehen, wo schon jetzt erhebliche Unruhe herrscht. Dass für Umwälzungen manchmal keine Zeitdauer von Jahren nötig ist, lernen wir gerade aus Tunesien, Ägypten und anderen im Nahen Osten liegenden Ländern.

Wir haben keine Zusage von Gott, dass nicht auch in Europa schon vor der Entrückung harte Zeiten für Christen anbrechen könnten. Wir wünschen diese nicht, auch wenn wir erkennen müssen, dass Christen in Verfolgungsländern oft treuer und offener zu ihrem Herrn stehen als wir, obwohl wir in Deutschland für Treue und einem Bekenntnis zum Herrn Jesus kaum leiden müssen. Wie gut, dass wir auch heute noch David mit ganzem Herzen beipflichten können: „In deiner Hand sind meine Zeiten“ (Ps 31,16).

Auf der anderen Seite sollten uns diese zu erwartenden Ereignisse anspornen, unseren Herrn umso intensiver zu erwarten. Wir warten nicht auf die Gerichtszeit, erst recht nicht darauf, heimzugehen. Wir warten darauf, dass der Herr Jesus seine Zusage einlöst: „Ich komme bald“ (Off 22,20). Auf diesen Augenblick warten wir und darauf dürfen auch junge Christen warten!

(aus: Folge mir nach - Heft 3/2011)

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