Christus und der Prophet Obadja

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„Und von Moses und von allen Propheten anfangend, erklärte er ihnen in allen Schriften das, was ihn betraf“ (Lukas 24,27). Sicherlich wäre jeder von uns gerne dabei gewesen, als sich der Herr Jesus nach seiner Auferstehung zu den beiden Jüngern gesellte, die nach Emmaus gingen. Dort erklärte Er Ihnen in allen Schriften das, was ihn selbst betraf. In seiner Weisheit hat uns der Heilige Geist von diesen Worten nicht eines mitgeteilt. Sollte dies nicht Ansporn sein, die herrliche Person unseres Retters und Herrn in den Büchern des Alten Testamentes zu suchen?

Aus den Worten unseres Herrn können wir schließen, dass Er durchaus nicht „alles“, was geschrieben war, auf sich bezog. Zwar ist Er der Mittelpunkt der ganzen Schrift; und doch ist es nicht so, dass wir jeden Vers oder Abschnitt auf Christus beziehen können. Zudem bezieht sich der Herr Jesus in Lukas 24 sicherlich auf die Stellen, die Ihn im Alten Testament in seinen Leiden und in seinen Herrlichkeiten ankündigen.

Gibt es davon auch eine Ankündigung in dem Propheten Obadja, der uns 21 Verse hinterlassen hat? Sein großes Thema ist das Gericht über Edom, die Nachkommen Esaus. Und tatsächlich kann man das unmittelbar mit Christus in Verbindung bringen. Denn Christus verherrlicht sich durch Gericht, im Ausüben des Gerichtes.

Der Tag des HERRN (Vers 15)

In Vers 15 heißt es: „Denn der Tag des HERRN ist nahe über alle Nationen: wie du getan hast, wird dir getan werden.“ Diese Aussage deutet schon an, dass der Tag des HERRN mit Gericht zu tun hat. Es geht nicht nur um den Zeitpunkt des Kommens des Herrn Jesus, wenn Er auf dem Ölberg stehen wird (Sach 14,4), um als der Messias das Volk Israel in Kraft und Macht vor den Feinden zu retten. Es geht vielmehr darum, dass der Herr Jesus, der einst hier auf der Erde verachtet, abgelehnt und an das Kreuz gebracht wurde, seine Rechte als Richter und Herrscher ergreifen wird. Dazu wird es einer ganzen Reihe von aufeinanderfolgenden Gerichten bedürfen, die der Herr Jesus zum Teil ganz persönlich (Offb 19,15) und zum Teil mittelbar durch seine Knechte, seien es Engel oder Menschen, über die Völker bringen wird. Insofern ist es ein Tag, der durch Gerichte über alle Nationen eingeleitet wird - darauf weist der Prophet Obadja hin.

Ein Kennzeichen dieses Tages ist, dass der HERR regiert, und dass sich ihm alles unterwerfen muss. Er wird dann eine unmittelbare Regierung durchführen. Sein Wort und seine Worte werden nicht mehr öffentlich verachtet, sondern man wird sich unter seine Autorität beugen. Wer dies nicht tut, wird sofort gerichtet - das bedeutet den ewigen Tod im Feuersee.

Es ist nicht meine Absicht, diesen Tag des HERRN ausführlich zu beschreiben. Es geht mir vielmehr darum, deutlich zu machen, dass er - ausgehend von Gerichten, die über diese Erde zur Reinigung kommen werden - deshalb ein Tag des Segens für die ganze Erde sein wird, weil Christus selbst in Macht und Herrlichkeit regieren wird. Er selbst wird auf diese Erde kommen und das Zepter der Regierung in seinen Händen halten. Dann wird zutreffen: „HERR, unser Herr, wie herrlich ist dein Name auf der ganzen Erde, der du deine Majestät gestellt hast über die Himmel“ (Psalm 8,1).

Wir dürfen uns angesichts dieser Herrlichkeit unseres Herrn freuen. Sie wird über der ganzen Erde erstrahlen. Sicher - wir kennen größere und schönere Herrlichkeiten unseres Herrn: Er ist ja der Sohn des Vaters. Aber seine persönliche Erhöhung auch auf dieser Erde und die Tatsache, dass ihm, der als der Verachtete in seiner Barmherzigkeit für den Sünder starb, Genugtuung zuteil wird, erwärmt unsere Herzen.

Das Reich gehört dem HERRN (Vers 21)

Das Königreich des HERRN steht in direkter Verbindung mit dem Tag des HERRN. „Und das Reich wird dem HERRN gehören“ (Vers 21). Letztlich handelt es sich um die gleiche Zeitperiode, die wir zuweilen 1000jähriges Reich nennen. Bei dem Ausdruck „Tag des HERRN“ stehen mehr die Rechte des Herrn und insbesondere die Gerichte im Vordergrund, die die Einhaltung dieser Rechte gewährleisten. Dadurch kann man unter diesen Tag auch die einleitenden Gerichte vor Beginn des Reiches und die Schlussgerichte im Anschluss an das 1000jährige Reich fassen. Bei dem Königreich des HERRN geht es mehr um den Charakter des Reiches als solches, in welchem Gerechtigkeit (Jesaja 32,1) durch den König, den Herrn Jesus, herrschen wird.

Insofern steht Christus hier nicht so sehr als Richter, sondern vielmehr als König und Messias in seiner majestätischen Würde im Vordergrund. Sicher ist Er für uns nicht König, sondern Herr. Und doch ist es ein erhabener Gedanke, unseren Erretter in dieser königlichen Würde zu sehen - wir werden ihn nicht nur begleiten, sondern sogar seine Herrlichkeit erhöhen dürfen (2. Thess. 1,10) - in welcher ihn die ganze Erde bewundern wird. Er ist der Herr der Herren und der König der Könige, und das wird in diesem Reich jeder anerkennen (müssen). Christus ist der Mittelpunkt dieses Reiches, Er bestimmt den Charakter, Er ist der Eigentümer dieses Reiches.

Über diese beiden direkten Hinweise auf die Herrschaft unseres Herrn, die mit seiner Verherrlichung in Verbindung steht, finden wir jedoch im Propheten Obadja weitere Verse, deren Beschäftigung uns auf die Person unseres Herrn hinlenken.

So spricht der Herr (Vers 1)

Wie ernst und feierlich ist es, wenn der Herr ein Wort an sein Volk - oder durch den Propheten Obadja ein Wort an Edom richtet! Wie ernst und feierlich ist es ebenso, wenn der Herr auch heute ein Wort an uns richtet! Er tut dies durch sein vollendetes Wort, also auch durch den Propheten Obadja. Aber Er tut es nach wie vor durch Seine Diener, die Er als Instrumente in seiner Hand benutzt.

Dann steht Christus in seiner Größe, Erhabenheit und Herrlichkeit, in seiner Liebe und in seinem Licht persönlich vor uns. Denn Er ist letztlich der Redende. Wohl dem, der dann in Ehrfurcht und voller Aufmerksamkeit spricht: „Rede Herr, denn dein Knecht hört“ (1. Sam 3,9).

Hochmut (Vers 3)

Es gibt wohl keinen Charakterzug Edoms, der stärker in diesem Buch herausgestellt wird als der Hochmut. „Der Übermut deines Herzens hat dich verführt, der du in Felsenklüften, auf hohem Sitz wohnst und in deinem Herzen sprichst: Wer wird mich zur Erde hinabstürzen?“ (Ob 3). Die Antwort des HERRN im nächsten Vers lautet: „Ich werde dich von dort hinabstürzen, spricht Jehova.“ Gott hasst den Hochmut, so wie wir es auch in 1. Petrus 5,5 lesen: „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade.“

Der Herr Jesus selbst war daher durch und durch von Demut gekennzeichnet: „Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig“ (Matth 11,29), kann Er seinen Jüngern sagen. So war Er „nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen“ (Mark 10,45). Zugleich machte Er den Jüngern und den Volksmengen deutlich: „Wer irgend aber sich selbst erhöhen wird, wird erniedrigt werden; und wer irgend sich selbst erniedrigen wird, wird erhöht werden“ (Matth 23,12). Er hat es vorgelebt, sich selbst zu erniedrigen, und zwar bis zum schändlichen Tod am Kreuz von Golgatha. Um so mehr ist Er - damals und heute - der Richter derjenigen, die sich wie Edom durch Hochmut auszeichnen. In seinen Regierungswegen hat der HERR einst den Hochmütigen hinabgestürzt - und Er wird es auch heute tun. Er ist Liebe, aber Er ist auch Licht und als Richter unbestechlich.

Menschliche Weisheit (Vers 8)

Obadja hat als Mund des HERRN auch ein Urteil über die Weisen in Edom auszusprechen (Vers 8): „Werde ich nicht an jenem Tag, spricht der HERR, die Weisen aus Edom vertilgen und den Verstand vom Gebirge Esaus?“ Warum war dieses Gericht notwendig? Weil sich die Bewohner Edoms einbildeten, eine höhere Einsicht zu haben als das Volk Israel und damit als Gott selbst. Sie verwarfen bewusst die Weisheit des HERRN Israels und bildeten sich etwas auf ihr eigenes Wissen ein.

Auch diesem Hochmut begegnet der HERR, Christus, mit Gericht. Aus seinem Leben wissen wir, dass Er das Evangelium gerade den Kleinen, den Unwissenden und Unbedeutenden verkündete. Er sagte: „Ich preise dich Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und verständigen verborgen hast, und hast es Unmündigen offenbart. Ja, Vater, denn also war es wohlgefällig vor dir“ (Matth. 11,25.26). Die Antwort von Christus auf das Streben nach Weisheit in dieser Welt ist für diese Welt eine Torheit - in Gottes Augen jedoch göttliche Weisheit: das Kreuz von Golgatha - Jesus Christus als gekreuzigt (1. Kor. 1,23).

Schon in einem anderen Propheten hatte der Herr deutlich gemacht: „Siehe, ich will fortan wunderbar mit diesem Volk [Israel] handeln, wunderbar und wundersam; und die Weisheit seiner Weisen wird zunichte werden, und der Verstand seiner Verständigen sich verbergen“ (Jes 29,12). Wenn nun die Antwort des HERRN damals war, die Weisen, die auf ihre eigene Weisheit und nicht auf den HERRN vertrauten, zu richten, dann sehen wir aus dem ersten Kapitel des 1. Korintherbriefes, dass es auch heute nicht anders ist. Unser Herr möchte uns die Weisheit und Einsicht eins Agurs schenken, der leer von sich selbst war.

Es ist Sein Volk (Vers 13)

Es ist immer wieder beeindruckend, wie sich der HERR mit seinem Volk verbindet. „Du solltest nicht in das Tor meines Volkes einziehen am Tag seiner Not“ (Ob 13). Der HERR muss dies Edom vorhalten, denn der zweite große Charakterzug Edoms war, sich über das Missgeschick des Volkes der Juden zu freuen. Hier begegnet der HERR mit Gericht. Ähnliches sehen wir bei dem Propheten Bileam, der das Volk Israel verfluchen sollte (4. Mo 22). Gott ließ das nicht zu, weil es sich um Sein Volk handelte. Und das, obwohl das Volk durchaus in keinem guten Zustand war - weder in der Zeit von Obadja, noch in der Zeit von Bileam.

Hier erkennen wir in der Tat eine besondere Herrlichkeit unseres Herrn. Er macht sich auch mit dem gläubigen Überrest des Volkes Israel eins. Daher dürfen wir aus vielen Psalmen, die eigentlich die Sprache des Überrestes in seinen Leiden wiedergeben, die Stimme unseres Retters heraushören, der am Kreuz genau diese Leiden auf sich genommen hat - nicht nur für, sondern auch mit dem gläubigen Überrest leidend.

Gilt das auch heute? Eine Antwort auf diese Frage finden wir in Offenbarung 2,9 im Sendschreiben an Philadelphia: „Siehe, ich gebe aus der Synagoge des Satans von denen, welche sagen, sie seien Juden, und sind es nicht, sondern lügen; siehe, ich werde sie zwingen, dass sie kommen und sich niederwerfen vor deinen Füssen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.“ Treue Gläubige werden hier von falschen Jüngern angefeindet und verworfen. Christus wacht jedoch darüber, dass genau diese Menschen später nicht nur erkennen müssen, dass sie damit Christus verworfen haben. Nein, sie müssen sich sogar vor diesen Treuen niederwerfen!

Schenke uns der Herr, dass wir treu sind - und dass wir uns nie zu einem Instrument machen lassen, gegen das Volk Gottes und gegen Diener des Herrn aufzustehen. Denn dann stehen wir gegen Christus auf.

Der HERR hat geredet (Vers 18)

Wie ernst ist es, dass es Augenblicke gibt, wo der Richter Christus, der Sohn des Menschen, nur noch ausrufen kann: „Denn der HERR hat geredet“ (Vers 18). Es handelt sich um den fest beschlossenen Ausruf und Ratschluss über Edom. Christus ist barmherzig. Er begegnet seinem Volk und auch den Menschen dieser Welt mit einem Ausharren, dass für uns unvorstellbar ist. Aber dieses Ausharren hat nach 2. Petrus 3 ein Ende - und zwar ein plötzliches. Das macht der Prophet auch Edom hier ganz deutlich.

Wenn es so weit gekommen ist, muss die Sünde des bzw. der Betroffenen in ihrem Maß voll geworden sein. Dann hat der Herr zuvor gewarnt, und das mehrfach, wie wir in bezug auf Ninive und Assyrien durch den Propheten Jona wissen. Dann kommt jedoch die Stunde, in der der Richter, der Herr der Herrlichkeit, einen Beschluss fasst, der unwiderruflich ist. Auch das macht seine Herrlichkeit aus.

Wie gewaltig gross ist Christus! Wir bewundern unseren Retter, den Herrscher des Universums und Erhalter aller Dinge, der zugleich der Richter der Erde ist. Nur Gott kann vollkommen seine Herrlichkeit wertschätzen. Aber Gott selbst wünscht, dass wir mehr von der Größe und Erhabenheit des Sohnes des Menschen, des Sohnes Gottes, in unseren Herzen bewahren.

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