02.05.2003 Persönlicher Glaube | Fragen und Antworten | 1. Korinther
Sich übervorteilen lassen
Es gibt in der Heiligen Schrift Aussagen, die wir manchmal nur mit einiger Mühe miteinander in Einklang bringen. So wird in 1. Korinther 6, Vers 7, gesagt: "Warum lasst ihr euch nicht lieber unrecht tun? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen?" Nach Matthäus 18, Vers 15, und 3. Mose 19, Vers 17 (Anmerkung), soll jedoch ein Gläubiger "Sünde auf dem Bruder nicht ertragen". Selbst wenn man auch zwischen diesen beiden Stellen der Schrift keinen Widerspruch voraussetzt, sondern wohl eher eine Ergänzung vermutet, bleibt doch die Frage bestehen: Wo ist im Einzelfall unseres praktischen Zusammenlebens die "Trennungslinie" zu ziehen zwischen "übervorteilen lassen" einerseits und "Sünde nicht auf dem Bruder ertragen" andererseits? |
Ertragen ist angesagt
Schriftstellen wie "Rächt nicht euch selbst, Geliebte" (Römer 12, 19) und "Widersteht nicht dem Bösen, sondern wer irgend dich auf deinen rechten Backen schlagen wird, dem biete auch den anderen dar; und dem, der mit dir vor Gericht gehen und deinen Leibrock nehmen will, dem lass auch den Mantel" (Matthäus 5, 39.40) weisen in dieselbe Richtung wie 1. Korinther 6, Vers 7. Von unserem großen Vorbild, dem Herrn Jesus, wird in 1. Petrus 2 gesagt: „Der, gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der recht richtet" (Vers 23).
Das Einnehmen dieser Grundeinstellung schließt jedoch nicht aus, dass wir -wenn die Natur des Falles es erfordert - dem Gedanken nähertreten müssen, ob wir nicht im Sinne von Matthäus 18 zu dem Bruder, der gegen uns gesündigt hat, hingehen müssen, um ihn von dem Bösen zu "überführen". Unmöglich kann er ja in dem Zustand, in dem er sich befindet, wirklich glücklich sein.
Überführen ist kein Recht verschaffen!
Doch dieses Überführen hat nichts damit zu tun, dass man sich Recht verschaffen möchte, sondern es hat das Gewinnen des Bruders zum Ziel (Vers 15). Die Korinther stritten dagegen um ihre Rechte und gingen damit sogar vor die weltlichen Gerichte. Diese Verhaltensweise muss der Apostel ernstlich tadeln; und er tut das dadurch, dass er ihnen die christliche Grundhaltung vorstellt: "Warum lasst ihr euch nicht lieber unrecht tun? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen (oder: berauben)?"
Solange man um sein vermeintliches Recht kämpft, ist man durchaus nicht in der Lage, den Bruder zu "gewinnen"; ja, es erheben sich Zweifel darüber, ob dann überhaupt ein Fall von "Sünde gegen den Bruder" vorliegt. Aber selbst wenn wir von derartigen Gefühlen persönlicher Rechtfertigung frei sind, müssen wir sorgsam prüfen, ob es sich wirklich um einen Fall von Sünde gegen uns handelt.
Gnade ist nötig
Wie leicht täuschen wir uns in dieser Beziehung! Manches beruht auf reinen Annahmen oder Vermutungen. Auch wird es m. E. viele Vorkommnisse geben, die, obwohl sie nicht gut waren, wegen ihrer Geringfügigkeit von uns nicht hochgespielt werden sollten. Solche Dinge sollten wir mit Langmut ertragen (Kol 3, 12). Wann und wo im Einzelfall die Grenze erreicht ist, dass man eben doch einen Dienst der "Fußwaschung" nach Johannes 13 ins Auge fassen muss, kann uns nur unser guter Herr und Meister selbst klarmachen. Wenn unsere Beweggründe lauter sind, wird Er es uns an der nötigen Klarheit, Weisheit und Kraft nicht fehlen lassen, sondern nächst dem Wollen auch das Vollbringen schenken (vgl. Phil 2, 13).
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1. Korinther 6,7Stichwort:
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