Die Ausgießung des Geistes zu Beginn des Friedensreiches (V. 1-5)
Gottes Gerichte in der Drangsalszeit (V. 3.4)
In den Versen 1 und 2 hatte der Prophet von der Ausgießung des Geistes über alles Fleisch gesprochen zu Beginn des Tausendjährigen Reiches. Die Verse 3 und 4 bilden nun einen Einschub. Darin richtet Joel den Blick auf die Gerichte Gottes, die in der Drangsalszeit über die Erde kommen werden, noch bevor der Herr Jesus sein Tausendjähriges Reich aufrichten und den Heiligen Geist über alles Fleisch ausgießen wird (Joel 3,1.2). Die Einschaltung ist als bewusster Rückblick des Propheten zu verstehen, bevor er in Vers 5 den Fokus erneut auf das Reich lenkt. Dass die Verse 3 und 4 zeitlich vor dem Beginn des Friedensreiches einzuordnen sind, wird durch die Formulierung deutlich: „Ehe der Tag des Herrn kommt, der große und furchtbare“ (Joel 3,4).1
Der überraschende Einschub in den Versen 3 und 4 wirft Fragen auf – insbesondere danach, warum der Prophet an dieser Stelle eine Rückschau hält und auf die Zeit der Drangsal zurückblickt (Joel 3,3.4). Die Antwort lautet: Gott möchte einen Gegensatz deutlich machen zwischen:
- der himmlischen Gabe des Heiligen Geistes zu Beginn des Reiches, die die Buße und Befreiung des jüdischen Überrests begleiten wird, und
- den Erschütterungen, die als Ausdruck des Gerichts des HERRN über das abgefallene Volk hereinbrechen und dem Reich vorausgehen.
Die Zeit der Gerichte Gottes
Inhaltlich knüpfen die Verse 3 und 4 an Kapitel 2,10 an, wo zum Teil dieselben Zeichen genannt werden: „Der Himmel erzittert; Sonne und Mond verfinstern sich, und die Sterne verhalten ihren Glanz“. Dieser Vers 10 wird noch vor dem mächtigen Einfall des Assyrers geschildert (Joel 2,11-17). So sind die Zeichen des Gerichts aus Joel 3,3.4 vor dem Einfall des Assyrers einzuordnen, der kommt, um Juda und Jerusalem zu verwüsten. Diese gewaltigen Zeichen finden sich in ähnlicher Form auch in Offenbarung 6 wieder (Off 6,12-17; vgl. Off 8,7–9; 9,2). Daher ist es wahrscheinlich, dass sie noch in der ersten Hälfte der Drangsalszeit über die Erde hereinbrechen werden, nachdem die Versammlung entrückt worden ist bzw. die Heiligen des Alten Testaments auferweckt worden sind.
Gerichte im Himmel und auf der Erde – eine interessante Umkehrung
Die Gerichte Gottes in Joel 3 betreffen Himmel und Erde. Gott kündigt in Vers 3(a) an, „Wunder am Himmel und auf der Erde“ zu wirken. Die Reihenfolge ist dabei zuerst der Himmel, dann die Erde. In der anschließenden Ausführung in Vers 3(b) wird diese Ordnung umgedreht. Der Prophet beginnt darin mit den Ereignissen auf der Erde: Er spricht von Blut, Feuer und Rauchsäulen – Bilder des Gerichts und der Verwüstung. Erst danach richtet sich der Blick zum Himmel: Die Sonne wird sich verfinstern und der Mond verwandelt sich in Blut.
Die Umkehrung ist nicht zufällig. Sie unterstreicht eine Perspektive, in der das, was die Menschen auf der Erde betrifft und erschüttert, zunächst in den Vordergrund rückt. Sie stehen für eine ernste Mahnung an den Unglauben des Menschen, vor allem des Juden. Erst danach folgen in der Beschreibung die Zeichen im Himmel.
Die Gerichte Gottes auf der Erde – Gewalt, Krieg, Zerstörung
Bei den Gerichten auf der Erde ist von Blut und Feuer die Rede, sowie von Rauchsäulen. Bildlich deuten Blut und Feuer auf Blutvergießen und Krieg hin als Teil des Gerichts Gottes. Die Rauchsäule kann als möglicher Hinweis auf den Rauch brennender Städte gedeutet werden, die aufgrund des Krieges niederbrennen.
Die Gerichte Gottes im Himmel – Zusammenbruch der Regierungen und Autoritäten
Danach spricht der Prophet von den Gerichten im Himmel. Die Verfinsterung und das Erlöschen der Lichter des Himmels (Sonne, Mond und Sterne) werden häufig entweder als Vorboten des herannahenden Gerichts oder als dessen Anbruch gesehen (vgl. Joel 2,2.10; 4,15; Jes 13,10; 34,4; Jer 4,23; Hes 32,7 f.; Amos 8,9; Mt 24,29; Mk 13,24; Lk 21,25). Bei den Zeichen im Himmel handelt es sich nicht um natürliche Naturphänomene, sondern um ein direktes Eingreifen Gottes zum Gericht, um die Ankunft des Herrn Jesus (Erscheinung) vorzubereiten.
Die Bedeutung der Himmelskörper
- Die Sonne, „das große Licht zur Beherrschung des Tages“ (vgl. 1. Mo 1,16), ist das Symbol von höchster Regierungsgewalt und Autorität.
- Der Mond, „das kleine Licht zur Beherrschung der Nacht“, ist das Symbol von abgeleiteter Autorität.
- Auch die Sterne sind zur Beherrschung der Nacht gegeben. Sie reden von untergeordneter Autorität.
Sonne
In den schrecklichen Tagen vor der großen Drangsalszeit werden die Regierungen dieser Erde erschüttert werden („es geschah ein großes Erdbeben“, Off 6,12) und ihre Funktion nicht mehr wahrnehmen. Weltweite Revolutionen werden die existierenden Mächte auf der Erde zu Boden werfen. Es wird einen Zusammenbruch der höchsten Regierungsgewalt geben, wodurch staatliche Ordnungen zu einem gewaltsamen Ende finden. Dass die „Sonne“ in Finsternis verwandelt wird, redet von der schnellen und zunehmenden verfinsternden Macht Satans, der dann nichts mehr entgegensteht.
Mond
Die Verwandlung des „Monds“ in Blut, weist darauf hin, dass alle abgeleitete Gewalt und Autorität den Tod finden wird (Symbol des Blutes).
Sterne
Zwar werden Sterne in Joel 3 nicht ausdrücklich erwähnt, wohl aber in der Offenbarung. Da sie sinnbildlich für untergeordnete Autoritäten stehen, nehmen wir sie mit in die Betrachtung auf. Die Sterne weisen darauf hin, dass untergeordnete politische wie kirchliche Autoritäten sittlicherweise von ihrer hohen Stellung herabfallen werden: „Die Sterne des Himmels fielen auf die Erde, wie ein Feigenbaum, geschüttelt von einem starken Wind, seine unreifen Feigen abwirft“ (Off 6,13).
Der Zorn des Lammes
Die Tage der Drangsalszeit, die auf die Entrückung folgen werden, werden ernst sein. So ernst und aussichtslos, dass sich die Großen und Reichen ebenso wie die Knechte und die Freien in Höhlen verbergen und zu den Felsen und Bergen sagen werden: „Fallt auf uns und verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes; denn gekommen ist der große Tag seines Zornes, und wer vermag zu bestehen?“ (Off 6,15-17).
Fazit
Die Verse 3 und 4 beschreiben Erschütterungen, die in der Zeit der Drangsalszeit über die Welt kommen werden – Ereignisse, die dem Tausendjährigen Reich vorausgehen. Es sind Gerichte Gottes, die sowohl die Menschheit im Allgemeinen als auch das Volk Israel im Besonderen treffen werden. Gott selbst wird dafür sorgen, dass Ordnungen und Autoritäten zerstört werden und sittliche Unordnung zurückbleiben wird. Diese Erschütterungen stehen im starken Gegensatz zu der Zeit des Segens, die die Treuen Juden im Reich erleben werden.
Der Christ und die Drangsalszeit
Christen erwarten nicht die Drangsalszeit, sondern das Kommen des Herrn Jesus zur Entrückung (vgl. 1. Thess 4,15–18). Die Bibel macht deutlich, dass diese Zeit der Gerichte erst nach der Entrückung über die Erde hereinbrechen wird. Die Kinder Gottes bleiben davon verschont. Sie werden zuvor entrückt, dem Herrn entgegen in die Luft, um für immer bei Ihm zu sein (vgl. Offb 3,10; 1. Thess 1,10). Eine überaus wichtige und tröstliche Wahrheit!
Wer hingegen (irrtümlich) annimmt, durch die Drangsalszeit hindurchgehen zu müssen, wird kaum wahre Freude und inneren Frieden im Herzen finden. Solch eine Sichtweise hat unmittelbare Auswirkungen auf das geistliche Leben. Wer jedoch in der lebendigen Hoffnung auf die baldige Entrückung lebt – im Vertrauen darauf, dieser schrecklichen Zeit nicht begegnen zu müssen – darf mit Freude, Ruhe und einer himmlischen Gesinnung seinen Weg zur Ehre und Verherrlichung Gottes gehen.
Fußnoten
- 1 Das „ehe“ in Vers 4 („ehe der Tag des Herrn kommt“) kommt zeitlich gesehen also vor dem „danach“ in Vers 1 („Und danach wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgießen werde“). Anders ausgedrückt: Die Verse 3 und 4 „Und ich werde Wunder geben …“ gehen zurück und reden von dem, was geschehen wird, ehe der Tag des Herrn kommt. Vers 1 dagegen zeigt, was danach, nämlich nach der Wiederherstellung Israels, sein wird.
Quelle: bibelpraxis.de/a9408.html