Der Prophet Joel (5)

Lesezeit: 4 Min.

Joel 1 – Geschichtlicher Hintergrund

Was ist zu tun? In eigener Kraft handeln und mit allen Mitteln versuchen, Rettung zu schaffen? Die Haltung Joels ist eine andere und beeindruckt. Sie ist beispielgebend …

IV: Gebet (V. 19-20)

Die Verse 16-18 hatten sich zuletzt mit dem Gericht Gottes beschäftigt, einer Trockenheit, die Juda in eine dürre Wüste verwandeln ließ.1 Hervorgerufen wurde die Katastrophe durch eine brennende Hitze durch Sonne und Ostwind (vgl. 1. Mo 41,6), die der Prophet als „Feuer“ und „Flamme“ beschreibt (Joel 1,19). Beide Ausdrücke weisen auf den verheerenden Charakter hin, den das Gericht in sich trug. Wie die Kraft des Feuers alles verzehrt, verzehrte die Hitze die „Weideplätze der Steppe“ und „alle Bäume des Feldes“. Das Land wurde unfruchtbar. Lebensmittelvorräte verödeten, Ernten blieben aus. Sämtliche Grundlagen zur Herstellung von Nahrung im Volk und unter dem Vieh verdorrten. Die Katastrophe lässt Joel nicht unberührt. Er ruft zu Gott!

Der Prophet „ruft“

Offensichtlich hatte Joel in den umwälzenden Naturereignissen erkannt, dass keine natürlichen Wetterphänomene zu dieser Tragödie geführt haben, sondern Gottes züchtigende Hand hinter der Dürreperiode stand. Der verlorengegangene Segen und das daraus entwachsene Elend treibt den Prophet ins Gebet, um die Not dem HERRN vorzubringen (Joel 1,19). Zuvor hatte er einen dringenden Appell an die Priester und das Volk gerichtet, zu wehklagen und zum HERRN zu schreien (Joel 1,14). Nun wendet er sich selbst an Gott, um Rettung zu erflehen. Das beispielhafte Verhalten des Propheten lehrt uns, dass es für Gott ausreichend ist, wenn es einen Gerechten gibt, der zu Ihm schreit, um Hilfe zu bewirken (vgl. Amos 7,1–6).2 Die persönliche Haltung eines Einzelnen kann also Folgen für ein ganzes Volk haben. 

Es ist bemerkenswert, dass das einzige Mal, an dem der Prophet etwas von sich selbst erzählt, es sein Rufen zu Gott ist. Es zeigt uns etwas von seinem Innenleben und von seinem Vertrauen auf Gott. Dieses war notwendig. Denn unter menschlichem Gesichtspunkt waren die Nöte unüberwindbar. Materiell hatte das Volk seine Segnungen verloren. Geistlich war der Zustand niedrig und schwach. Für Joel gab es deshalb nur einen Weg, nur ein Mittel: Den HERRN! In Ihm liegt seine einzige Hoffnung, Hilfe zu erbeten. Darin ist er uns ein großes Vorbild, das wert ist, von jedem befolgt zu werden, der unter der „Trockenheit“ leidet, die unter dem Volk Gottes herrscht. Es ist zu hoffen, dass sich noch mehr solcher Fürsprecher für das Volk Gottes finden lassen, die zu Gott um Hilfe rufen!

Die Tiere „schreien“

In Vers 20 wird das Schreien der Tiere beschrieben, die unter den Folgen des Gerichts ebenfalls ächzten. Der Prophet sah das Vieh unter der sengenden Hitze und Dürre ermatten. Seine Wasserbäche waren vertrocknet, die Weideplätze verzehrt. Es gab keinen Ort der Erfrischung und Nahrungsaufnahme mehr für sie. Das veranlasst ihn, Gott auf die Not aufmerksam zu machen, der das Schreien der Tiere hört und Macht besitzt, sich über das Vieh zu erbarmen (Hiob 38,41; Ps 104,21.27).

Joel – ein wahrer Prophet

Im Verlauf des Kapitels haben wir in Joel einen treuen Diener gefunden, der als Sprachrohr Gottes das Wort des HERRN an Juda und Jerusalem verkündigte („fünf Appelle“). Am Ende des Kapitels erblicken wir in ihm einen treuen Beter, der demütig für das Volk zu Gott rief. Beides sind Kennzeichen eines wahren Propheten, der:

  • aus der Gegenwart Gottes zu seinem Volk spricht (Joel 1,1) und
  • für das Volk im Gebet vor Gott eintritt (1. Mo 20,7).

Rückblick: Der Schwerpunkt der Zucht in Joel 1

Die Gerichte über Juda (Heuschreckenplage und Dürre) waren eine Zucht Gottes, wodurch materieller Besitz dem Volk genommen wurde (Joel 1,5.7.10-12.16-20). Demnach liegt der Schwerpunkt in Kapitel 1 im Verlust irdischer, materieller Segnungen, die zugrunde gerichtet wurden – im Unterschied zu Kapitel 2, in dem das Gericht Menschen trifft (Joel 2,6.7.12.13.15-17.25-27).

Die Zucht offenbart einen Grundsatz

Die Gerichte der Heuschreckenplage und Dürre im ersten Kapitel des Buches Joel bilden die Regierungswege Gottes ab, die Er mit seinem Volk wegen seiner Sünden gehen musste. Sie offenbaren den Grundsatz, dass Gericht am Haus Gottes beginnt. Das hat auch uns etwas zu sagen. Denn heute handelt Gott in der Zeit der Christenheit in ähnlicher Weise. Im ersten Petrusbrief lesen wir: „Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes; wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen“ (1. Pet 4,17)! Eine Botschaft, die motiviert, unser Leben in Übereinstimmung mit Gottes Wesen zu führen, der Licht und Liebe ist.

Fußnoten

  • 1 Die Dürre im Land (V. 16-18) wie auch die Heuschreckenplage (V. 2-4) offenbaren Gottes Gericht an Israel, das ein schwacher Vorbote auf den Tag des HERRN ist, der mit furchtbaren und nicht vergleichbaren Gerichten eingeleitet wird.
  • 2 Es ist nicht eindeutig zu klären, ob das Volk dem Aufruf Joels nachgekommen ist und dann selbst zum HERRN rief. Die Tatsache, dass Joel zum HERRN rief, legt den Schluss nahe, dass sein Appell unter dem Volk keine Resonanz fand.
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