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Vorrecht

Welch ein Vorrecht ist es, wenn wir gläubige Eltern, Kinder oder weitere Verwandte haben! Wenn uns nahestehende Familienangehörige das Evangelium früh verkündigt und ein Leben für Gott vorgelebt haben, können wir Gott nicht genug dafür danken. Es kann für das ganze Leben positiv prägend sein und Timotheus ist dafür ein gutes Beispiel (vgl. 2.Tim 1,5). Paulus freute sich ebenfalls über gläubige Verwandte, die er in Rom grüßen ließ (Röm 16,7.11.21).

Verwandtschaftliche Beziehungen sind sehr stark, da man in der Regel gegenseitiges Vertrauen zueinander hat und sich gerne hilft. Der Herr Jesus selbst drückt die Besonderheit und Stärke solcher Beziehungen in einer Aussage indirekt aus, wenn er davon spricht, dass die Gläubigen des zukünftigen jüdischen Überrests sogar von Eltern, Brüdern oder Kindern überliefert werden. Das wird für diese Gläubigen sehr schmerzhaft sein, da es widernatürlich, also entgegen der eigentlichen festen Bindung geschehen wird (Mk 12,12.13).

Bürde für den Herrn

Bei allem Segen können verwandtschaftliche Beziehungen auch eine Bürde und ein Hindernis sein. Selbst unser Herr musste mitteilen, dass er „in seiner Vaterstadt und unter seinen Verwandten“ ohne Ehre war (Mk 6,4). Natürliche Beziehungen können sogar den Glaubensblick trüben bzw. das Urteilsvermögen negativ beeinflussen. Einerseits wollten die Verwandten Jesu sein Wirken stoppen, da sie meinten, er sei „außer sich“, als Er lehrte und Heilungen vollbrachte (Mk 3). Andererseits drängten sie Ihn, sich der Welt zu zeigen, damit Er öffentlich bekannt würde (Joh 7,4). In beiden Extremen handelten sie nicht nach Gottes Gedanken und betrübten den Herrn Jesus.

Probleme für biblische Persönlichkeiten

Ein weiteres lehrreiches Beispiel finden wir bei Barnabas. Er liebte seinen Neffen Markus so sehr, dass er ihn trotz dessen Versagens, wodurch der junge Diener sich als noch unbewährt erwies, unbedingt auf die zweite Missionsreise mitnehmen wollte, obwohl Paulus deutlich gemacht hatte, dass er sich das nicht vorstellen konnte. Hier war Barnabas sein Neffe wichtiger als sein treuer Mitarbeiter, so dass zwischen ihm und Paulus eine Erbitterung entstand (Apg. 15).

Der Prophet Samuel handelte ähnlich, als er im Alter seine Aufgabe als Richter an seine Söhne delegieren wollte, die jedoch nicht dafür geeignet waren. Sein Urteilsvermögen war anscheinend im Blick auf seine Söhne getrübt und führte zu fatalen Folgen (1.Sam 8,1-5).

Zur Zeit Nehemias war der Hohepriester Eljaschib mit Tobija, einem ammonitischen Knecht verwandt (Neh. 2,19; 13,4). Tobija hatte Nehemia manches Böse zugefügt (Neh. 3,35; 6,12.17-19), aber die verwandtschaftlichen Beziehungen brachten Eljaschib später dazu, Tobija in Abwesenheit Nehemias eine Zelle in den Höfen des Hauses Gottes zu machen (Neh. 13,7). Es kann also soweit kommen, dass man für verwandtschaftliche Beziehungen göttliche Maßstäbe missachtet, indem man Unreines mit Reinem vermischt, sogar als Hohepriester.

Gefahr für uns

Doch was Barnabas, Samuel oder Eljaschib getan haben, kann grundsätzlich auch von uns verübt werden – wenn wir uns nicht nahe beim Herrn aufhalten. Dann können uns unsere Verwandten so wichtig werden, dass unser Urteil im Blick auf ihr Verhalten getrübt ist und wir bei ihnen manches tolerieren, was Gott verunehrt und was wir sonst bei Geschwistern durchaus klar beurteilen. Oder wenn gläubige Familien unterschiedliche christliche/kirchliche Wege gehen bzw. beginnen zu gehen, kann es passieren, dass uns natürliche Zuneigungen oder der Drang nach „familiärem Frieden“ aufgrund des Zugehörigkeitsgefühls dazu verleiten, Gottes Maßstäbe aufzuweichen und Taten oder Ansichten nicht mehr „so streng“ zu bewerten, wie wir es vorher getan haben. Besonders traurig wird es, wenn wir beim höchsten Ausdruck christlicher Gemeinschaft nicht mehr nach Gottes Maßstäben handeln und mit den Verwandten, die normalerweise nicht am Tisch des Herrn das Brot brechen, bereit sind, Abendmahlsgemeinschaft zu praktizieren, um familiären Herausforderungen aus dem Weg zu gehen.

Fazit

Lassen wir uns anspornen, den Herrn auch in dieser Hinsicht nachzuahmen, der nicht auf seine Brüder hörte, als sie ihn drängten, sich der Welt zu zeigen (Joh 7,4-9), und der auf den öffentlichen Aufruf, mit seiner Mutter und seinen Brüdern zu sprechen, sagen konnte, dass diejenigen seine Mutter, seine Schwestern und seine Brüder seien, die Gottes Willen tun.

Möge uns daher – wenn es darauf ankommt, dem Herrn treu zu sein oder nicht – die Beziehung im Herrn und die Gemeinschaft mit denen, die Gottes Willen tun, wichtiger sein als jede familiäre Bindung. Nur dann können wir für den Herrn im Dienst uneingeschränkt brauchbar sein und viel Frucht für den Vater bringen.

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