Feindesliebe unter Geschwistern (Folge mir nach - Heft 6/2005)

Lesezeit: 5 Min.

Liebe Folge-mir-nach-Redaktion!

Heute bitte ich Euch, mir eine Frage bezüglich der Bergpredigt zu beantworten. Da diese Frage im täglichen Leben eine Rolle spielt, wäre eine Veröffentlichung vielleicht gut.

Vielen Dank! Im Herrn verbunden grüßt Euch herzlich, M.

„Feindesliebe unter Geschwistern?“

Frage

Es gibt wiedergeborene Geschwister, die so etwas wie Feinde gegeneinander sind. Gilt für sie die Anweisung in Matthäus 5 über die Feindesliebe? Wie kann einem Gläubigen, der Feindbilder gegen seine Mitgeschwister aufgebaut hat, am besten geholfen werden?

Matthäus 5,43-45

Lieber M., herzlichen Dank für Deine Mail und Deine Frage zum Thema Feindschaft unter Christen. Du schneidest damit ein Thema an, das es eigentlich unter Christen nicht geben soll, das aber leider sehr aktuell sein kann:

Zunächst will ich den Vers, auf den Du anspielst, zitieren: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters werdet, der in den Himmeln ist; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Matthäus 5,43-45).

Ungläubige als Feinde

Dieser Vers gehört zu der sogenannten Bergpredigt, die wir in Matthäus 5-7 finden. In ihr fasst der Herr Jesus die Regierungsgrundsätze seines Königreiches zusammen, das Er eigentlich bei seinem damaligen Kommen auf diese Erde beginnen lassen wollte. Da die Juden den Herrn Jesus jedoch an das Kreuz gebracht und ermordet haben, wird diese „Verfassung“ erst im Hinblick auf das kommende 1000-jährige Reich Wirklichkeit werden.

Nach der Entrückung der Versammlung (Kirche, Gemeinde) wird es auf dieser Erde schlimme Gerichte und sehr viel Drangsal geben. Und dann wird Feindschaft in besonderem Maß existieren. Aber wo immer es einen Bereich gibt, in dem der Herr Jesus regiert, gibt es auch solche, die sich Christus und damit auch seinen Jüngern entgegenstellen. Und das erleben wir auch heute. Insofern leben wir auch heute in diesem Königreich des Herrn. Er ist unser Herr - wir sind seine Jünger. Diese haben Feinde. Und diese Feinde sollen die Gläubigen lieben; für sie sollen wir beten und auf ihre Bedürfnisse eingehen. Aber Vers 45 macht ganz deutlich, dass diese Feinde Böse bzw. Ungerechte sind. Es geht also um das Verhalten Ungläubigen gegenüber. Und ihre Feindschaft sollen wir mit Liebe beantworten.

Feinde oder Brüder?

Wenn es um (echte) Gläubige geht, spricht die Bibel nicht von Feinden, sondern von Brüdern. So schreibt beispielsweise Johannes: „Hieran haben wir die Liebe erkannt, dass er für uns sein Leben hingegeben hat; auch wir sind schuldig, für die Brüder das Leben hinzugeben“ (1. Joh 3,16). Wir lieben nämlich nicht nur unsere Feinde, sondern in viel intensiverer Weise unsere Geschwister (vgl. 1. Joh 4,20; 5,1.2). Für sie sollen wir sogar bereit sein, unser Leben hinzugeben.

Und dennoch kann ich Deine Frage gut verstehen. Manchmal benehmen sich Christen gegenüber anderen Christen, als ob sie deren Feinde wären. Aber damit widersprechen sie letztlich dem Charakter ihres eigenen Lebens: „Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er gesehen hat, wie kann der Gott lieben, den er nicht gesehen hat?“ (1. Joh 4,20). Es ist absolut unnatürlich, ja eigentlich unmöglich, dass ein Bruder seinen Bruder hasst und anfeindet.

Feind und Bruder?

Wenn ich nun meinen Bruder anfeinde und hasse, handle ich ungehorsam, im Widerspruch zu meiner eigentlichen Beziehung zu Gott als Kind und zu diesem Menschen als meinem Bruder. Wenn ich jedoch auf der anderen Seite gehasst werde, soll ich auf einen solchen Hass nicht fleischlich reagieren und „zurückschlagen“. Nein, ich soll in Übereinstimmung mit Matthäus 5 und 1. Johannes 4 meinen Gegenüber lieben und ihm alles erdenklich Gute erweisen. Dann kann ich meinen Mitbruder gewinnen. Wir reden an dieser Stelle nicht von Irrlehrern! Denn diese darf ich nach 2. Johannes 10.11 nicht einmal grüßen, selbst wenn es sich um Christen handeln sollte.

Wie kann ich nun jemandem, der mich anfeindet, am besten helfen? Zunächst einmal dadurch, dass ich ihn nicht „zurückhasse“. Dennoch darf ich das Böse nicht übergehen, denn ein solcher Hass ist ja Sünde vor Gott. Aber ich soll sein Tun nicht herumposaunen, sondern in der Stille mit ihm reden: „So geh hin, überführe ihn zwischen dir und ihm allein“ (Matthäus 18,15). Ich werde also versuchen, einen solchen in der Stille zu überzeugen. Zugleich werde ich eine solche Person nach 1. Johannes 3 wirklich lieben. Denn ich will ihn gewinnen. Bis heute gilt: „Eine milde Zunge zerbricht Knochen“ (Sprüche 25,15).

Nicht immer ist es möglich, einen „Feind“, selbst wenn er ein Bruder ist, zu gewinnen. Auch David hat es nicht geschafft, Saul (von dem wir allerdings leider sagen müssen, dass er wohl ein Ungläubiger ist) auf Dauer zu gewinnen. Aber er hat alles in seiner Macht stehende getan, Saul auch spüren zu lassen, dass er ihm nicht Feind war. Das sollten wir tun, wenn uns jemand feind ist.

Das ist leichter geschrieben als in einem solchen konkreten Umstand verwirklicht. Falls Du mit einer solchen Person zu tun haben solltest, wünsche ich Dir viel Weisheit und Liebe im Umgang. Wir müssen uns dabei übrigens auch immer fragen, ob wir nicht einen gewissen Anlass für eine ablehnende Haltung bei unserem Gegenüber gegeben haben. Hier sollten wir in biblischem Selbstgericht uns selbst immer wieder in das Licht des Wortes Gottes stellen.

Feindbilder richtig abbauen

Wenn es nun um eine Person geht, die Feindbilder aufgebaut hat, so sollten wir einer solchen Person deutlich machen, dass sich ihr Handeln nicht nur gegen Menschen, sondern sogar gegen Gott richtet. Denn wenn ich den nicht liebe, der aus Gott geboren ist, kann ich auch Gott selbst nicht lieben. Denn seine Kinder besitzen ja seine Natur. Und wenn ich meinem Bruder vorstelle, dass der Herr Jesus auch für den gestorben ist, für den man nur ein Feindbild übrig hat, sollte man ihn gewinnen können. Vielleicht kann man auch durch ein Gespräch die tatsächlichen Sachverhalte klären - indem man zum Beispiel mit beiden „Parteien“ ein gemeinsames Gespräch sucht - und manche verzerrte oder eingebildete Meinung entkräften. Und dann kann der Herr auch neues, glückliches Miteinander schenken: „Seid aber zu einander gütig, mitleidend, einander vergebend, wie auch Gott in Christus euch vergeben hat“ (Eph 4,32). Solltest Du in diesem Bereich eine Aufgabe haben, wünsche ich Dir dafür viel Energie und Kraft.

Mit herzlichen Grüßen in unserem Herrn Jesus Christus grüßt Dich

Dein Manuel Seibel

(Folge mir nach - Heft 6/2005)

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