Der Prophet Hosea (26) - Hosea 11,1-7: Die Liebe Gottes

Lesezeit: 6 Min.
  • Einleitung Kapitel 11-14

Mit Kapitel 11 beginnt der letzte Teil des Propheten Hosea (Hos 11-14). Im ersten (Hos 1-3) und zweiten Teil (Hos 4-10) haben wir die Untreue des Volkes gesehen, die das Ankündigen von Buße und Gericht notwendig machte.

Im letzten Teil werden wir verstärkt die Liebe Gottes erblicken, die Hoffnung auf eine zukünftige Wiederherstellung gibt, die Er seinem Volk verheißt. Davon ist Kapitel 14 ein besonders schönes Zeugnis.

Von Segen und Herrlichkeit hatte der Prophet auch in den ersten beiden Teilen gesprochen (vgl. Hos 2,16-25; 3,5; 6,1-3; 10,12). Dort waren es jedoch nur vereinzelte Lichtblicke, auf die er nun im dritten Teil verstärkt eingeht. Dennoch, Hosea bleibt ein „Bußprophet“, der auch weiterhin das Versagen des Volkes vor Augen hat und Gericht predigt - jedoch nicht mehr in dem Umfang, wie bisher.

Kurzüberblick Kapitel 11

Nach den Kapiteln des Gerichts bricht sich die Gnade und Barmherzigkeit Bahn. So gleicht das elfte Kapitel einem Denkmal, das an die Liebe erinnert, die Gott Israel erwiesen hat und künftig wieder erweisen wird (Hos 11,3.4.8.9). Auf Grundlage der Gnade wird dem Volk Rückkehr und Segen im Friedensreich verheißen, die der Prophet insbesondere den 10 Stämmen in Aussicht stellt (Hos 11,10.11).

Das Kapitel ist jedoch nicht nur ein Monument der Liebe Gottes, sondern auch ein trauriges Beispiel für die Herzenshärte des Volkes, das den liebevollen Zuneigungen kalt gegenüberstand (Hos 12,2), sodass Hosea neben göttlichen Verheißungen auch Gericht ankündigt, das Israel wegen seiner Untreue zu erwarten hat (Hos 11,5-7). Das Kapitel umfasst den Zeitraum der Erlösung in Ägypten bis ins Tausendjährige Reich.

Henri Rossier merkt an: „Im 11. Kapitel entfernt sich das Gewitter, aber es ist noch nicht vollständig vorüber. Hier und da erinnert ein Grollen des Donners, ein zuckender Blitz daran, dass noch nicht alles beendet ist. Aber schon bricht von Zeit zu Zeit ein Sonnenstrahl durch die dunklen Wolken, und der bisher in starken, abgebrochenen Stößen dahinbrausende Sturm hat einem sanften Hauch Platz gemacht, der das Erscheinen der neuen Zeit als nicht mehr fern ankündigt.“

I: Liebe und Strafe (V. 1-7)

Gottes Liebe und Macht (V. 1)

Zu Beginn des Kapitels blickt Gott auf den Anfang der Geschichte Israels in Ägypten zurück, um das Volk an seine Liebe und Macht zu erinnern: „Als Israel jung war, da liebte ich es, und aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen“ (Hos 11,1).

In diesem Rückblick enthalten sind zwei „Komponenten“, die der Prophet vor Augen führt. Die eine ist geschichtlicher Natur, die andere prophetischer Art. Beide enthalten eine wichtige Botschaft für das Volk, die es zu unterscheiden gilt.

Die geschichtliche Komponente

Gott hatte Israel von Beginn seiner Geschichte an mit ewiger Liebe geliebt (5. Mo 7,8; Jer 31,3). Diese Liebe offenbarte sich in der Beziehung, die Er zu diesem Volk hatte und in der Er das Volk als seinen Sohn anerkannte. Davon zeugen die Worte: „Mein Sohn, mein erstgeborener, ist Israel“ (2. Mo 4,22.23)!1

Als der Zeitpunkt gekommen war, das Volk zu erlösen, rief Er es wie seinen Sohn aus Ägypten, um sie aus dem Haus der Knechtschaft zu befreien. Das zeugt von seiner Macht, die in der Erlösung des Volkes tätig wurde.

Die vergangene Liebe und Macht Gottes werden angeführt, da sie implizieren, was Gott in der Zukunft für das Volk imstande ist zu tun. So wie es damals seine Liebe und Macht erfuhr, als Er sie aus Ägypten befreite, um unter seiner Herrschaft zu leben, wird es auch künftig wieder seine Liebe und Macht erfahren, wenn Er es (Juda) aus allen Bedrängnissen in der Drangsalszeit befreien wird, um es im Tausendjährigen Reich unter seine Herrschaft zu stellen.

Der Rückblick auf die Geschichte Israels ist also ein „Hoffnungsstrahl“ für das Volk, dessen Gott sich künftig noch einmal erbarmen wird, um ihnen seine Liebe und Macht zu erweisen, durch die es Rettung erfahren wird.

Die prophetische Komponente

Neben der geschichtlichen Linie, enthält der Ausspruch Hoseas auch eine prophetische Komponente, in der er vorrausschaut: auf Christus! „Und er blieb dort bis zum Tod des Herodes, damit erfüllt würde, was von dem Herrn geredet ist, der spricht: „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen“ (Mt 2,15).

Getrieben von der Morddrohung Herodes, der alle Kinder im Alter von bis zu zwei Jahren umzubringen suchte, flohen Joseph und Maria mit dem Kind Jesus nach Ägypten. Dort blieben sie bis zum Tod dieses grausamen Despoten. Dann zogen sie aus Ägypten herauf, nach Israel. Damit erfüllte sich die Jahrhunderte alte Prophezeiung Hoseas.

Auf diese wunderbare Weise identifizierte sich Christus mit seinem Volk. Er ging den Weg Israels noch einmal von Neuem, um die Grundlage zur künftigen Wiederstellung Israels zu legen.2 Dabei erduldete Er die Verfolgung in Ägypten (durch Herodes) und durchlebte die Versuchung in der Wüste (durch Satan), wie auch Israel diese Prüfungen durchlebte. Aus allen Erprobungen ging Er – im Gegensatz zu Israel – als Vollkommener hervor.

Fazit

Durch die geschichtliche Komponente gibt Gott dem Volk Hoffnung auf Widerherstellung. Durch die prophetische Komponente weist Er auf die Grundlage ihrer Wiederherstellung hin, durch die das Volk wieder in Beziehung zu Gott treten und ins Land geführt werden wird: Christus!

Übrigens: In Bezug auf Israel ist der Ausspruch Hoseas keine Prophezeiung, sondern Geschichte. Anders verhält sich mit dem Ausspruch in Bezug auf den Herrn Jesus. Hierbei handelt es sich um eine Prophezeiung, die aus heutiger Sicht erfüllt ist.

Gottes Treue und Barmherzigkeit (V. 2)

Nachdem das Volk an die Liebe und Macht Gottes erinnert wurde, kommt Hosea auf die Sendung der Propheten zu sprechen, die das Volk zur Buße aufriefen: „Sooft sie sie riefen, gingen sie von ihrem Angesicht weg“ (Hos 11,2). Wenn auch die Bemühungen der Propheten vergeblich waren und das Volk vor ihren Angesichtern flohen, um den Baalim zu opfern, ist ihr Auftreten dennoch ein fester Beweis der Barmherzigkeit und Treue Gottes dem Volk gegenüber, der es zur Umkehr bringen und an sein Herz zurückzugewinnen suchte.

Gottes Zartheit und Fürsorge (V. 3.4)

Darauf folgend erinnert Hosea das Volk an die Zartheit Gottes (vgl. 5. Mo 1,31; Apg 13,18), in der Er Israel das Laufen beibrachte (gängelte), sie bei Müdigkeit in seine Arme nahm, sie mit Seilen der Liebe zog und ihnen sanft ihre Nahrung gab.

Das ganze Bild ist dazu bestimmt, Herz und Gewissen des untreuen Volkes zu erreichen. Ephraim jedoch hatte kein Empfinden für die zarten und liebevollen Zuneigungen der Fürsorge Gottes: „Aber sie erkannten nicht, dass ich sie heilte“ (Hos 11,3).

Gottes Strafe: Gericht (V. 5-7)

Den vielen Liebesbeweisen Gottes begegnete das Volk jedoch mit Abwendung und Auflehnung, statt mit Buße und Umkehr. Davon zeugte das Leben des Volkes in der Wüste (Amos 5,25-27; Apg 7,42.43), das bereits dort fremden Göttern opferte (Abwendung) und sich nach Ägypten sehnte, dem Land der Knechtschaft (Auflehnung; vgl. 4. Mo 14,4). Doch nicht in Ägypten würde das Volk seinen künftigen Platz einnehmen, sondern in Assyrien: „Es wird nicht ins Land Ägypten zurückkehren; sondern der Assyrer, der wird euer König sein“ (Hos 11,5). Damit deutet Hosea die Gefangenschaft in Assyrien an, einem Land der Nationen, in dem das Volk unter der Herrschaft eines fremden Königs erneut in Knechtschaft käme. Dieser würde zugleich ihre Städte zerstören und sie in Schutt und Asche legen: „Und das Schwert wird in seinen Städten kreisen und seine Riegel vernichten“ (Hos 11,6).

Trotz Liebe und Macht, Barmherzigkeit und Treue, Zartheit und Fürsorge nahm das Volk das Angebot Gottes zur Rettung und Wiederherstellung nicht wahr. Weder in der Wüste noch im Land Kanaan. Sie verharrten weiter im Götzendienst und in ihrem verdorbenen Zustand, in Auflehnung und Abwendung. Deshalb würde Gericht kommen, unter dem das Volk keinerlei Anspruch auf eigene Rechte mehr geltend machen könnte, sodass es nicht nach Ägypten, sondern nach Assyrien deportiert werden würde.

Fußnoten

  • 1 Der Ausdruck „Sohn“ in Verbindung mit Israel bezieht sich auf das Volk in seiner Gesamtheit und darf nicht als persönliche Segnung verstanden werden. Er unterscheidet sich in Stellung und Umfang von der Segnung der Sohnschaft im Neuen Testament.
  • 2 Die Grundlage legte Christus nicht durch sein vollkommenes Leben, sondern durch seinen Sühnungstod am Kreuz.
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