Der Prophet Hosea (13) - Der moralische Zustand des Volkes und die Umkehr in großer Drangsal (Hosea 5,1-7)

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I:      Anklage gegen die Führer des Volkes

II:     Ankündigung des Gerichts

I: Anklage gegen die Führer des Volkes (V. 1-7)

Das Gericht der Führer (V. 1.2)

Im vorherigen Kapitel hatte der Prophet sich an das Volk als Ganzes gewandt, nämlich an die „Kinder Israel“ (Hos 4,1). Nun gilt seine Botschaft eher den Führern. An diese hat er eine ernste Botschaft zu richten: „Euch gilt das Gericht“ (Hos 5,1). Das betraf die Führer:

  • im religiösen Bereich (Priester) und
  • im zivilrechtlichen Bereich (Haus des Königs).

Dabei richtete sich das angekündigte Gericht nicht nur an die Führer Israels. Auch die Führer von Juda hatten Gericht zu erwarten (vgl. Hos 5,5).1 Überall herrschte Gottlosigkeit und moralische Finsternis.

Mit der Ankündigung des Gerichts über die Führer wird zudem deutlich, dass mittlerweile alle gesellschaftlichen Schichten vom Götzendienst durchzogen waren. Keine „Klasse“ war mehr davon ausgeschlossen. Sowohl im Volk als auch im Führerregiment gab es Versagen.

Das Versagen der Führer

Die Ursache des Gerichts über die Führer lag indessen in deren listigen und sündigen Verhalten: „Denn ihr seid eine Schlinge in Mizpa geworden und ein ausgebreitetes Netz auf dem Tabor“ (Hos 5,1). Diejenigen, die mit gutem Beispiel hätten vorangehen sollen und die Aufgabe besaßen, dass Volk auf den „Steigen des Rechts“ zu führen (Spr 8,20), waren durch ihr eigenes sündhaftes Leben im Götzendienst dem Volk zu einem Fallstrick geworden. Durch sie wurde das Volk von Gott abgezogen und wie durch eine Schlinge oder einem Netz in die Sünde der Abgötterei verstrickt und festgehalten. Daher hatten auch sie Gericht zu erwarten.

Die Priesterklasse hatte dabei die größte Schuld auf sich geladen, da sie in besonderer Beziehung zu Gott stand. Henri Rossier merkt an: „Die Schuldigsten sind immer die, welche durch ihre Stellung in die nächsten Beziehungen zu Gott gebracht sind. Sie werden mit vielen Schlägen geschlagen werden (vgl. Lk 12,47).“2

Führer heute - Vorbilder!

Wie es damals Führer unter dem Volk gab, gibt es auch heute solche, denen Gott Autorität gegeben hat, die Herde Gottes zu hüten. Petrus schreibt den Ältesten: „Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist, indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führt, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, sondern bereitwillig, nicht als solche, die über ihre Besitztümer herrschen, sondern indem ihr Vorbilder der Herde seid“ (1. Pet 5,2.3).

Ein wesentliches Merkmal ist dabei die Vorbildfunktion, die ein Führer aufweisen muss. Diese spiegelt sich im täglichen Glaubensleben und unter den Gläubigen wider. Timotheus wird gesagt: „Sei ein Vorbild der Gläubigen in Wort, in Wandel, in Liebe, in Glauben, in Keuschheit“ (1. Tim 4,12). Nur wenn Führer im praktischen Leben das verwirklichen, was Gottes Wort sagt, haben sie die moralische Voraussetzung, andere zum Gehorsam zu ermahnen und die Herde nach Gottes Gedanken zu leiten.

„Geistliche“ Orte werden zu „fleischlichen“ Stätten

Die Orte, an denen das Volk in das Böse verstrickt wurde, werden ebenfalls genannt. In Kapitel 4 hatte der Prophet Gilgal und Bethel erwähnt und die Bewohner von Juda gewarnt, sie aufzusuchen. Nun entlarvt er Mizpa und Tabor ebenfalls als Orte, die zu Opferstätten fremder Götter wurden.

Mizpa

Es ist naheliegend, dass der genannte Ort Mizpa das Mizpa ist, das im Stammesgebiet von Benjamin lag (Jos 18,26; 1. Kön 15,22; Neh 3,7).3 Mizpa bedeutet: „Wachturm“. Daher zeigt dieser Ort, wie wichtig es ist, beständig wachsam zu sein. Der Feind schläft nicht, und wenn wir nicht wachsam sind, gelingt es ihm leicht, uns zu Fall zu bringen.

An diesem Ort hatte sich das Volk auch immer wieder versammelt, um sich vor Gott zu demütigen und zu Ihm zurückfinden, wenn es nicht wachsam gewesen war und fiel (1. Sam 7,5.6). So zeigt dieser Ort auch, dass Gott ein Gott der Gnade und des Vergebens ist.

Doch gerade da, wo das Volk sich in der Vergangenheit versammelt und sich gedemütigt hatte, wo es Gottes Gnade erlebte und Vergebung erfuhr, lebte es – durch die Führer in die Irre geführt - in moralischer Finsternis im Götzendienst, ohne ein Bewusstsein zu entwickeln, wie gottlos ihr Verhalten war.

Tabor

Nicht anders stand es um Tabor, den zentralen Berg Israels, der im Gebiet der zehn Stämme lag und der ursprünglich zusammen mit dem Hermon dafür vorgesehen war, die Herrlichkeit Gottes zu erheben (Ps 89,13). Dieser Ort wird in der Bibel mit Lob verbunden, welches das Volk Gott hätte bringen sollen. Zu Anfang ihrer Erlösung war Israel eine Nation, die Gott lobte (vgl. 2. Mo 15). Doch mittlerweile war das Volk durch den Geist der Hurerei geprägt (Hos 5,4), der sie trieb, fremden Göttern zu dienen und ihnen „Anbetung“ zu bringen, anstatt den wahren und lebendigen Gott zu loben, der sie befreit und zu seinem Eigentumsvolk gemacht hatte. Für diese Fehlentwicklung trugen die Führer ein hohes Maß an Verantwortung, denn sie waren dem Volk zu einer Schlinge und zu einem ausgebreiteten Netz geworden, durch das sie von dem wahren und lebendigen Gott abgezogen und in den Götzendienst verstrickt wurden mit der Folge, dass das Lob für Gott verstummte.

Der Fall Israels und Judas - gottloses Verhalten hat Folgen (V. 3-5)

Gott nahm das gottlose Verhalten wahr. Er sah den Götzendienst, in dem sie verharrten (Hos 5,4), der eine Umkehr zu Gott verhinderte: „Ihre Handlungen gestatten ihnen nicht, zu ihrem Gott umzukehren“ (Hos 5,4). Zu einer echten Umkehr gehört, von der Sünde zu lassen und sich von ihr abzuwenden. Doch gerade dieser Schritt fehlte unter den Führern und unter dem Volk. Stattdessen verharrten sie in ihrer Sünde, die eine Umkehr verhinderte.

Das war jedoch nicht die einzige Folge ihres gottlosen Handelns. Die Abwendung von Gott, sowie das Verlassen des Gesetzes führten ebenfalls dazu, dass ihnen die Kenntnis Gottes verloren ging: „Und den Herrn kennen sie nicht“ (Hos 5,4). Gott kannte sie, aber sie kannten Ihn nicht. Es ist offensichtlich, dass das Volk den Götzendienst den vertraulichen Beziehungen zu Gott selbst vorzog und dabei übersah, wie weit sie sich von Ihm entfernt hatten.  

Trotz aller Ungerechtigkeit und Unkenntnis war das Volk dennoch voller Stolz (vgl. Hos 5,3.5). Doch: „Hochmut geht dem Fall voraus“ (Spr 16,18). Nicht mehr lange, dann würde Israel aufgrund des Götzendienstes und Hochmuts fallen, samt Juda: „Israel und Ephraim werden fallen durch ihre Ungerechtigkeit; auch Juda fällt mit ihnen“ (Hos 5,5). Juda hatte die Warnung Hoseas, die Untreue Israels nicht nachzuahmen, in den Wind geschlagen (vgl. Hos 4,15). Bald würde auch sie Gericht treffen - sie alle!

Die Reaktion auf Gericht - eine äußere Form von Religiosität (V. 6.7)

Das angekündigte Gericht würde unter dem Volk ein religiöses Handeln auslösen im Bringen von Opfergaben, die jedoch nur eine äußere Form darstellten. Durch diese suchen sie Gott zufrieden zu stellen und dem Gericht zu entkommen: „Mit ihrem Kleinvieh und mit ihren Rindern werden sie hingehen, um den Herrn zu suchen, und werden ihn nicht finden: Er hat sich ihnen entzogen“ (Hos 5,6). Für das Volk würde es dann zu spät sein, Gott mit Opfern zu suchen. Er hatte sich ihnen bereits entzogen. Er war nicht mehr in ihrer Mitte. So blieb eine religiöse Form bestehen im Bringen von Opfern, ohne dass Gott sie anerkennen, geschweige denn annehmen könnte. Ohnehin ist es nicht möglich, Gott mit ungerichteter Sünde zu nahen. Das angekündigte Gericht war nicht mehr abzuwenden, auch nicht mit äußeren Opfergaben.

Ähnlich wird es einmal der bekennenden Christenheit ergehen. Am Tag des Gerichts mag sie sich auf Vorrechte berufen, die sie einmal besaß. Doch alle religiösen Formen bringen sie nicht in Beziehung mit Gott. Die Formen sind zwar vorhanden, aber Gott ist nicht da.

Auch für uns Gläubigen der Gnadenzeit enthält dieser Abschnitt eine ernste Botschaft. Denn auch wir können bei Untreue und Versagen dazu neigen, Gott in einer äußeren Form zu nahen. So können wir äußerlich „aktiv sein“, vielleicht sogar in den Zusammenkünften „Opfer des Lobes“ aussprechen, ohne dass Gott das wertschätzen könnte, da wir Ihn nicht aus reinem Herzen anrufen. Nur wenn unser Herz rein ist, kann Gott unsere Anbetung und Hingabe in dem Maß anerkennen, wie es seiner Heiligkeit entspricht.

Zum Ende des Abschnitts hält der Prophet fest, dass Israel treulos gegen den Herrn gehandelt hat und aufgrund ihres heuchlerischen Gottesdienstes (Neumond), der nur eine äußere, eine religiöse Form war, mitsamt ihrer Erbteile verzehrt würde (Hos 5,7). Der Untergang des Volkes stand bevor!

 

Fußnoten

  • 1 Dabei gilt zu berücksichtigen, dass Juda das Gericht erst später treffen würde.
  • 2 Betrachtung über das Buch des Propheten Hosea
  • 3 Es gab neben diesem Mizpa einen weiteren Ort mit dem Namen Mizpa, der jedoch jenseits des Jordan lag und schon lange verlassen war.
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