Hier geht es nicht darum, was das Wort war, sondern was es wurde. Er war Gott; er wurde Fleisch und wohnte unter uns, voller Gnade und Wahrheit. Es war keine vorübergehende, wenn auch bedeutsame Vision wie auf dem heiligen Berg. Sie konnten seine Herrlichkeit betrachten, die seinen Zeugen geschenkt wurde, nicht die eines irdischen Eroberers, auch nicht einmal messianisch, sondern die Herrlichkeit eines Eingeborenen vom Vater.
Kein Schwert hat Er umgegürtet. Es handelt sich nicht um einen Ritt zum Sieg. Es geht um keine schrecklichen Dinge, die Er in Gerechtigkeit hätte durchsetzen wollen: Das fleischgewordene Wort wohnte unter uns, voller Gnade und Wahrheit.
Das ist Der, der im Anfang war, also immer, und so erkannt wurde. Zweifellos war Er der König. Aber so wird Er hier nicht dargestellt. Er ist unendlich viel mehr als König, sogar Gott, aber Gott auf der Erde, ein Mensch, der unter den Menschen wohnt, voller Gnade und Wahrheit.
Nur so konnte Gott dargestellt werden, es sei denn, es handelt sich um Gericht, das keine Hoffnung lässt, sondern nur bis zum bitteren Ende sofort und rückhaltlos zerstört.
Nein, damals Er war zu völlig anderen Zwecken gekommen, wie dieser Abschnitt erklärt, da Er das allgemeine Böse des Menschen vollkommen kannte und fühlte. Er wohnte unter uns voller Gnade und Wahrheit. Es war weder ein Besuch noch eine Theophanie, wie es im Alten Testament der Fall war. So offenbarte Er hier in vollkommener Weise Gott, der Liebe ist. Aber die Gnade ist mehr: Sie ist die Liebe inmitten des Bösen, die sich über das Übel erhebt, unter es hinabsteigt und es mit dem Guten überwindet.
Und so war Jesus auf der Erde voll Wahrheit; denn sonst wäre die Gnade keine Gnade mehr, sondern eine elende Imitation, aber höchst verderblich sowohl für Gott als auch für den Menschen.
Nein, Jesus war nicht so, sondern voll von Gnade und Wahrheit, und auch in dieser Reihenfolge. Denn die Gnade bringt die Wahrheit ein und befähigt die Menschen, die Wahrheit zu empfangen und zu ertragen, selbst als Sünder, die durch sie gerichtet werden.
Er, und nur Er, war voll von Gnade und Wahrheit. Um sie bekannt zu machen, um Gott selbst so bekannt zu machen, ist Er gekommen. Denn wie die Gnade das Wirken der göttlichen Liebe inmitten des Bösen ist, so ist die Wahrheit die Offenbarung aller Dinge, wie sie wirklich sind, von Gott selbst und seinen Wegen und Ratschlüssen bis hinunter zum Menschen und jedem Gedanken und Gefühl sowie Wort und Werk des Menschen - ja, von jedem unsichtbaren Wirken zum Guten oder zum Bösen durch alle Zeiten und durch die ganze Ewigkeit.
So wohnte Er unter uns, voll Gnade und Wahrheit.
Entnommen aus: Auslegung des Johannes-Evangeliums
Quelle: bibelpraxis.de/a7910.html