I: Israels Vergangenheit (V. 1-3)
In diesem Kapitel empfängt Hosea einen weiteren Auftrag: „Geh wieder hin, liebe eine Frau, die von ihrem Freund geliebt wird und Ehebruch treibt“ (Hos 3,1).1 Mit dieser symbolischen Handlung offenbart Gott dem Volk wieder seinen moralischen Zustand. Während es von Gott geliebt wird, treibt es Ehebruch, indem es Götzen nachlief und Traubenkuchen liebte.
Die Traubenkuchen stehen in enger Verbindung mit dem Götzendienst: „Und die Frauen kneten Teig, um Kuchen zu bereiten für die Königin des Himmels, und sie spenden anderen Göttern Trankopfer, um mich zu kränken“ (Jer 7,18; vgl. 44,19). Das Volk hatte gemeint, indem es den Herrn verließ, um sich falsche Götter zu wählen, könnte es sich Vorteile verschaffen (dargestellt in den Traubenkuchen, die Gott ihm verwährt hätte). Welch ein Irrtum!2
Hosea ist gehorsam. Er erfüllt den Auftrag Gottes, geht hin und kauft eine Frau für den halben Preis eines Sklaven, als Ausdruck dessen, wie gering ihr Wert eingestuft wurde (vgl. 2. Mo 21,32). Mit dem Erwerb dieser Frau besaß er das Recht über ihre Zukunft zu entscheiden: „Du sollt mir viele Tage so bleiben, du sollst nicht huren und keinem Mann angehören“ (Hos 3,3).3 Dann fügt er hinzu: „Und so werde auch ich dir gegenüber tun“ (vgl. Hos 3,3). Damit bringt er seine Beziehung ihr gegenüber zum Ausdruck, dass er ohne eheliche Zuneigung ihr gegenüber bleiben wird.
Diese Aussage stellt die zentrale Botschaft unseres Kapitels dar und bringt eine neue Tatsache ans Licht. Sie nimmt Bezug auf den gegenwärtigen Zustand des Volkes Israels: „Denn die Kinder Israel werden viele Tage ohne König bleiben und ohne Fürsten und ohne Schlachtopfer und ohne Bildsäule und ohne Ephod und Teraphim“ (Hos 3,4).4
II: Israels Gegenwart (V. 4)
Hosea offenbart in Vers vier also den gegenwärtigen Zustand Israels in seinem politischen und religiösen Zustand. Dieser Zustand umfasst die Zeit von „Lo-Ammi“ bis zur Erscheinung des Herrn Jesus in Macht und großer Herrlichkeit. In der gesamten Zwischenzeit steht das Volk unter politischem Gesichtspunkt ohne König und ohne Fürsten (Hos 3,4) und unter religiösem Blickwinkel ohne wahren Gottesdienst („Schlachtopfer“), ohne eine lebendige Beziehung zu Gott durch den Priesterdienst („Ephod“) und ohne Götzendienst5 („Bildsäule und Teraphim“) in dieser Welt dar.
Mit der Wegführung in die Assyrische Gefangenschaft im Jahr 722/721 v. Chr. erfüllte sich die Aussage an Israel, dem Zehnstämmereich, von der an sie „ohne König und ohne Fürsten und ohne Schlachtopfer und ohne Bildsäule und ohne Ephod und Teraphim“ blieben.
Anders war die Situation in Juda, dem Zweistämmereich. Zwar wurden auch sie aufgrund ihrer Untreue in Gefangenschaft geführt (606/605 v. Chr.), dennoch gab es nach der Zeit im Exil in Babel unter ihnen noch Fürsten und Statthalter, die eine Regierungsmacht innehielten (vgl. Esra 1,8; 8,20). Zudem hatte es noch eine gewisse Beziehung zu Gott bewahrt. Als Juda jedoch Christus gekreuzigt und verworfen hatte, nachdem Er auf die Erde gekommen war, um das Volk von seinen Sünden zu erretten (Mt 1,21), traf das Los Israels auch sie. Von da an standen beide Volksteile unter ähnlichen Bedingungen da: „ohne König und ohne Fürsten und ohne Schlachtopfer und ohne Bildsäule und ohne Ephod und Teraphim“.
Dieser Zustand hält seit etwa 2000 Jahren an – was Juda betrifft6. In dieser Zeit ist Gott jedoch nicht ohne Volk. Nach der Kreuzigung des Herrn Jesus hat Gott sich den Nationen zugewandt, aus denen er sich auf einer neuen Grundlage ein himmlisches Volk bildet (vgl. Mt 13).
Der gegenwärtige Zustand Israels in der aktuellen Zeit umfasst also drei Aspekte:
- ohne obrigkeitlichen Gewalten,
- ohne Gottesdienst und priesterliche Beziehung zum Herrn und
- ohne Götzendienst, dem sie sich ergeben hatten.
III: Israels Zukunft (V5)
Der treulose Zustand Israels wird in der Zukunft jedoch eine Wende erleben: „Danach werden die Kinder Israel wieder umkehren und den Herrn, ihren Gott, und David, ihren König, suchen; und sie werden sich zitternd zu dem Herrn und zu seiner Güte wenden am Ende der Tage“ (Hos 3,5). Die Kinder Israel, von denen der Prophet hier spricht, sind der künftige Überrest, der am Ende der Tage, den Herrn, seinen Gott, und David, seinen König, suchen wird. Dabei handelt es sich nicht um David selbst, sondern um den Sohn Davids, der zugleich auch die Wurzel Davids ist: Christus7 (Hes 37,23.24; Mt 1,1; Off 22,16). Ihn werden sie als König anerkennen und sich seiner Regierung und Herrschaft unterwerfen. Ihre Herzen werden dann zwei Dinge kennzeichnen: Gottesfurcht und das Bewusstsein seiner Liebe. In dieser inneren Haltung werden sie zum Herrn umkehren, während Er ihre Herzen in Güte zu sich zieht. Israel wird in dieser Zeit sowohl „politisch“ als auch „religiös“ wiedererwacht sein.8
Am Ende der Tage
Der Ausdruck „am Ende der Tage“ kommt in den prophetischen Büchern des Alten Testaments wiederholend vor9. Gemeint ist nicht die Zeit, die im Neuen Testament die „letzten Tage“ oder „schwere Zeiten“ genannt wird (vgl. 2. Tim 3,1; 2. Pet 3,3), d. h. die letzten Tage des christlichen Bekenntnisses auf der Erde. Gemeint sind auch nicht einfach die „künftigen Tage“ von denen Jakob spricht (1. Mo 49,1). Bei dem Ausdruck „Ende der Tage“ geht es um das Ende der Zeiten der Nationen, um die Zeit also, wenn Gott der Herrschaft, die Er den Nationen übergeben hat, ein Ende machen wird und das Reich unseres Herrn Jesus Christus auf dieser Erde seinen Anfang nimmt. Diese Zeit ist noch zukünftig.
IV: Überblick über Kapitel 1-3
In der Einführung des Propheten haben wir bereits bemerkt, dass das Buch des Propheten Hosea sich in drei Teile gliedern lässt. Mit Ende des ersten Teiles (Kapitel 1-3) mag eine kurze Rückschau angebracht sein, die die wesentlichsten Aussagen der ersten drei Kapitel wiedergibt und einen Überblick ermöglicht, als Israel unmittelbar vor seiner Auflösung durch die Gefangennahme des Assyrers stand:
Kapitel 1: Gott würde Israel (später auch Juda) aufgrund ihrer Untreue nicht mehr als sein Volk anerkennen („Lo-Ammi“). Gericht!
Kapitel 2: Gott wird mit Israel, einem Überrest, eine neue Beziehung eingehen und sie in die Segnungen des Tausendjährigen Reiches einführen. Dabei wird das geteilte Volk zu einem Volk wiedervereint sein und im Land Israel wohnen. Wiederherstellung!
Kapitel 3: Das Volk bleibt viele Tage ohne König und ohne Gottesdienst. In der Zukunft wird das Volk jedoch Christus als König anerkennen, der über sie regieren wird. Segensherrschaft!
Fußnoten
- 1 Eine Reihe von Auslegern sieht Gomer in dieser Frau. Andere äußern sich nicht konkret dazu und lassen diesen Punkt offen.
- 2 Heute tun Christen dasselbe, wenn sie sich von Christus, der einzigen Quelle wahren Segens, entfernen. Dabei können weder die erlesenen Vergnügungen der Welt noch der Genuss der Sünde je das Herz erfüllen.
- 3 Hierzu macht der Bibelausleger William Kelly die Bemerkung, dass die Frau sich in dieser Zeit weder in der Sünde der Hurerei noch in einem rechtmäßigen Eheleben befand. (www.stempublishing.com)
- 4 Seit 1948 existiert Israel wieder als Staat. Auch leben viele Juden wieder im Land. Zudem besitzen sie eine eigene Regierung. Damit ist jedoch nicht das Ende „vieler Tage“ erreicht, von denen Hosea hier schreibt. Die aktuellen Ereignisse sind nur ein „Vorschatten“, allerdings nicht die Erfüllung und das Ende vieler Tage selbst. William Kelly fügt den Gedanken an: „Hosea 3 liefert den Beweis, dass die Erniedrigung Israels eine sehr ausgeprägte und einzigartige Trennung mit sich bringen würde, bei der es sich nicht um eine vorübergehende Strafe, sondern um einen anhaltenden Zustand handeln sollte, während die Gnade am Ende mehr denn je segnen würde“. (www.stempublishing.de)
- 5 Diese Tatsache bestätigt der Herr Jesus durch seine Worte im Matthäusevangelium. Dort spricht Er von einem unreinen Geist, der von dem Menschen ausgefahren ist (Mt 12,44). Der unreine Geist spricht vom Götzendienst, der Mensch von Israel. Seit der Rückkehr Judas aus der Gefangenschaft in Babel lesen wir nicht mehr, dass Israel Götzendienst praktiziert hätte. Dieser war sozusagen „von dem Menschen ausgefahren“. In der Zukunft wird Israel in der Zeit des Antichristen den Götzendienst jedoch wieder aufnehmen und praktizieren - in einer Form, wie es ihn zuvor nie gegeben hat: „Dann geht er hin und nimmt sieben andere Geister mit sich, böser als er selbst, und sie gehen hinein und wohnen dort; und das Letzte jenes Menschen wird schlimmer sein als das Erste“ (Mt 12,45).
- 6 Was Israel angeht, seit etwa 2700 Jahren.
- 7 Sowohl der Targum, eine aramäische, zur Umschreibung tendierende Übersetzung des Alten Testaments, als auch einige rabbinische Ausleger führen an, dass David hier tatsächlich den Messias meint.
- 8 Wie bereits angeführt ist die politische und religiöse Situation des aktuellen Staates Israels ein Vorschatten der Prophetie über Israel, aber nicht die Erfüllung selbst. Erst mit der zukünftigen Herrschaft des Herrn Jesus als Messias werden sowohl die „politischen“ als auch die „religiösen“ Vorrechte wiederhergestellt sein. Dazu ist jedoch sowohl eine innere Umkehr als auch Glauben im Herzen des Volkes notwendig. Beides ist noch nicht unter ihnen anzutreffen.
- 9 Vgl. z.B. Jes 2,2; Jer 23,20; 30,24; Hes 38,16; Hos 3,5; Mi 4,1
Quelle: bibelpraxis.de/a7835.html