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„Propheten aber lasst zwei oder drei reden" (1. Kor 14,29). Auch wenn sich die Prophetengabe an dieser Stelle in erster Linie auf Propheten bezieht, die nach 1. Kor 2,10.13; 14,30 eine Offenbarung auf mündlich inspirierte Weise bis zur Vollendung des Wortes Gottes weitergaben - was es heute nicht mehr gibt - so besteht doch der Dienst der Propheten weiter fort. Und auch für diesen Dienst der Weissagung (Prophezeiung) dürfen wir die Anwendung machen, dass „zwei oder drei" reden sollten.

Wie kann man Weissagung gemäß 1. Kor 14 auf unsere Zeit anwenden? „Wer aber weissagt, redet den Menschen zur Erbauung und Ermahnung und Tröstung" (1. Kor 14,3). Der Prophet ist dadurch gekennzeichnet, dass er Worte Gottes spricht - wenn er auch nicht in Anspruch nehmen kann, inspiriert zu sein. Aber als Prophet ist er gerade das Sprachrohr, welches Gott benutzt, um eine bestimmte Botschaft einem bestimmten Personenkreis in einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu überbringen, indem er das Gewissen und das Herz seiner Zuhörer anspricht und in das Licht des Herrn stellt. Das kann er nur, wenn er wie Elia vor dem Angesicht des HERRN steht, also aus der Gegenwart Gottes selbst spricht. Kernpunkt der Weissagung ist eine Botschaft des Herrn.

Warum zwei oder drei?

Warum ordnet der Apostel Paulus in 1. Kor 14 für eine Versammlungsstunde zur Erbauung nun aber nicht den Dienst von einem, sondern von „zwei oder drei" Brüdern an?

Die Geschwister in Korinth waren in großem Maß durch Unordnung gekennzeichnet. Im 14. Kapitel erkennen wir, dass die Brüder in den Zusammenkünften vor allem diejenigen Gaben ausübten, die äußerlich großen Eindruck machten. Wenig geschätzt wurde dagegen offenbar das Weissagen. Aus den Versen 26-40 dieses Kapitels lernen wir zudem, dass auch in bezug auf die äußere Ordnung bei den Zusammenkünften der Korinther einiges nicht den Gedanken Gottes entsprach. Für unser Thema sind dabei zwei Dinge von Wichtigkeit:

In Korinth sprachen mehrere Brüder (und offenbar auch Schwestern, vgl. Vers 34-35) gleichzeitig, so dass die Zuhörer überhaupt nicht mehr richtig verstehen konnten, was der Einzelne sagte. Besonders diejenigen, die in Sprachen reden konnten, taten sich hervor.

Anlass für dieses Durcheinander war unter anderem, dass sich der Bruder, der als erster aufstand, nicht wieder hinsetzte; er hörte nicht mehr auf zu reden, bis die Stunde zu Ende war. Dadurch war es anderen Brüdern unmöglich, einen Beitrag zu leisten, es sei denn, gleichzeitig mit diesem Bruder.

Die Ausübung der Sprachengabe wird beschränkt

Paulus korrigiert dieses Fehlverhalten, indem er u.a. deutlich macht, dass höchstens drei Brüder in Sprachen reden durften. Paulus schränkt also die Ausübung von Gaben ein. Während bei der Ausübung der Sprachengabe jedoch ausdrücklich gesagt wird, dass es sich um „zwei oder höchstens drei" handeln darf, heißt es beim Dienst der Weissagung schlicht „zwei oder drei". Ein Grund mag darin liegen, dass sich die einschränkenden Aspekte dieses Abschnittes bei den Propheten nicht einfach auf die Anzahl der sich Beteiligenden beziehen, sondern auf den Redenden selbst. Er selbst muss sich beschränken, denn „lasst zwei oder drei Propheten reden". Die außerordentliche Autorität über das Gewissen, die mit der Ausübung des Dienstes der Weissagung verbunden ist, will Gott nicht einer Person allein überlassen.

In Korinth mögen nach den Ermahnungen von Paulus insgesamt sogar bis zu 9 Personen am Dienst beteiligt gewesen sein, wenn wir davon absehen, dass darüber hinaus ein Bruder noch zur Erbauung der Geschwister ein Lied singen konnte (einen Psalm in Vers 26), eine Lehre hatte etc.: 3 Brüder konnten in Sprachen reden, dann mussten 3 Ausleger sprechen, und es konnten 3 Propheten dienen. Dem können wir entnehmen, dass der normale Zustand auch heute wohl eher bei „zwei oder drei" liegen mag.

Gott möchte die Vielfalt in der Einheit

Wenn der Apostel Paulus in dem 12. Kapitel von der Vielfalt in der Einheit und von der Einheit in der Vielfalt spricht, dürfen wir das sicherlich auch auf die praktische Ausübung der Gaben in 1. Kor 14 anwenden. Der Herr möchte gerade unsere Zusammenkünfte benutzen, um die Vielfalt Seiner Gaben, Seiner Gedanken und Seiner Antworten auf unsere Bedürfnisse deutlich zu machen. Zweifellos berücksichtigt Er unsere Aufnahmemöglichkeiten, so dass die Stunde nicht zu einem einzigen Aufstehen und Hinsetzen von Brüdern ausartet. „Die Geister der Propheten sind den Propheten untertan."

Nichtsdestoweniger wird jeder Diener demütig anerkennen, dass er allein nicht die Bedürfnisse aller Anwesenden stillen kann - wiewohl der Herr auch das in Seiner Souveränität z.B. in kleinen Versammlungen schenken kann. Wer wäre so kühn zu behaupten, dass obwohl der Herr eine Vielfalt gegeben hat, er an einer Zusammenkunft nur einen - mich - zum Stillen aller Bedürfnisse gebrauchen will? Wir alle wissen aus Erfahrung, dass die Bedürfnisse vielfältig sind, so dass der Herr für mich häufig einen anderen Bruder benutzt als für meinen Nächsten. Jeder, der Geschwistern in einer Stunde dienen darf, wird demütig gespannt sein, welche anderen Brüder der Herr benutzen möchte, und wie Er über den eigenen Dienst hinaus den Bedürfnissen der Geschwister begegnet. Es ist für jeden Diener eine Freude, das Wirken des Herrn auch darin zu sehen, wie Er mehrere Brüder dazu benutzt, allen Bedürfnisse der Geschwister zu begegnen, gerade dann, wenn sich die Dienste auf göttliche Weise ergänzen.

Was ist eigentlich der Dienst der Weissagung?

Vielleicht besteht zuweilen ein gewisses Missverständnis darüber, was der Dienst der Weissagung in der konkreten Verwirklichung bedeutet. Viele meinen, dass ein mehr oder weniger langer Bibeltext einer mehr oder weniger detaillierten Wort-für-Wort-Auslegung bedarf. Nun wird keiner daran zweifeln, dass die Weissagung in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes sein muss und dass ihr auch ein Wort aus der Bibel zugrunde liegen wird. Nicht von ungefähr richtet sich die Aufforderung von Paulus an Timotheus und damit auch an uns: „Predige das Wort" (2. Tim 4,2). Auch haben nach 1. Kor 14, 6.26 Lehre und Auslegung in der Stunde zur Auferbauung ihren Platz.

Der Kern der Weissagung ist allerdings eine Botschaft. Das zeigt sich an vielen Beispielen von Weissagungen, die wir in der Schrift finden. Selten ist zum Verkünden dieser Botschaft eine Vers-für-Vers-Auslegung notwendig. Wenn ein Bruder jedoch nach Verlesen des Bibeltextes die ihm vom Herrn gegebene Botschaft weitergibt, braucht er dafür in der Regel keine ganze Stunde. Und selbst wenn er zwei oder drei Botschaften hat, wird er sich nach 10 (oder 20 etc.) Minuten wieder hinsetzen können. Denken wir nur an Elia, dessen Botschaft in 1. Kön 17 keine Minute benötigte und deren innere Kraft auch heute noch überwältigend ist.

Der Herr wünscht, dass wir weissagen

Natürlich sollte man an dieser Stelle nicht übersehen, dass alle in der Bibel niedergeschriebenen Weissagungen inspirierter Natur sind. Diese Autorität und damit auch Kraft besitzt heute kein Bruder. Und doch lernen wir gerade aus diesen Schriften und Weissagungen für unser praktisches Verhalten. Man denke an die fünf Weissagungen im Propheten Haggai: Sie wurden nicht an einem einzelnen Zeitpunkt gemacht. Wenn sich nun der Herr - und das sage ich in aller Ehrfurcht vor Seiner Person - sogar bei solchen inspirierten Weissagungen so kurz fasst, sollten nicht auch wir dann so demütig sein, uns kurz zu fassen?

Der Geist Gottes scheint durch 1. Kor 14 die Korinther und damit auch uns ermuntern zu wollen zu weissagen.

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