Wenn eine Prüfungsphase verlängert wird

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Seit nunmehr fünf Wochen gibt es mehr oder weniger deutschlandweit einen „Shut down". Das öffentliche Leben ist nahezu zum Erliegen gekommen. Auch die Kirchen dürfen ihre Gottesdienste nicht mehr öffentlich ausrichten. In vielen Kirchen gibt es nunmehr Livestreams und andere virtuelle Formen, um den Christen und Interessenten etwas anzubieten. Auch die lange herbeiersehnten Entscheidungen der Regierungen unsres Landes haben aktuell die Lage nicht stark verändert.

Der Regierung gehorsam sein

Viele Gläubige haben an ihren Orten in den vergangenen Wochen miteinander gerungen, wie sie mit der aktuellen Situation umgehen. Auf der einen Seite haben wir den klaren Auftrag des Herrn:

„Jede Seele sei den obrigkeitlichen Gewalten untertan; denn es gibt keine Obrigkeit, außer von Gott, diejenigen aber, die bestehen, sind von Gott eingesetzt. Wer sich daher der Obrigkeit widersetzt, widersteht der Anordnung Gottes; die aber widerstehen, werden ein Urteil über sich bringen. Denn die Regenten sind nicht ein Schrecken für das gute Werk, sondern für das böse. Willst du dich aber vor der Obrigkeit nicht fürchten? So übe das Gute aus, und du wirst Lob von ihr haben; denn sie ist Gottes Dienerin, dir zum Guten. Wenn du aber Böses verübst, so fürchte dich, denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; denn sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe für den, der das Böse tut. Darum ist es notwendig, untertan zu sein, nicht allein der Strafe wegen, sondern auch des Gewissens wegen" (Röm 13,1-5).

Gott mehr gehorchen als Menschen

Das Gewissen ist hier ein zentraler Punkt, denn wenn sich die Regierung zwischen das persönliche Gewissen und den Herrn stellt, gilt auf der anderen Seite ein Wort, das wir zweimal in der Apostelgeschichte finden:

„Und als sie sie gerufen hatten, geboten sie ihnen, sich durchaus nicht in dem Namen Jesu zu äußern noch zu lehren. Petrus aber und Johannes antworteten und sprachen zu ihnen: Ob es vor Gott recht ist, auf euch mehr zu hören als auf Gott, urteilt ihr; denn uns ist es unmöglich, von dem, was wir gesehen und gehört haben, nicht zu reden" (Apg 4,18-20). „Wir haben euch streng geboten, in diesem Namen nicht zu lehren, und siehe, ihr habt Jerusalem mit eurer Lehre erfüllt und wollt das Blut dieses Menschen auf uns bringen. Petrus und die Apostel aber antworteten und sprachen: Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen" (Apg 5,28.29).

Mit anderen Worten - in diesen Fällen war den Aposteln trotz Lebensgefahr (Apg 5,33) klar, dass sie in ihrem Gewissen nicht gegen den konkreten und klaren Auftrag des Herrn handeln konnten. Sie wollten, ja sie mussten Gott mehr gehorchen als Menschen.

Man muss äußerst behutsam sein, wenn man Apostelgeschichte 5 anwendet. Dieser Vers und der aus Kapitel 4 sind kein Freifahrtschein, sich gegen Regierungsentscheidungen aufzulehnen. Erst recht nicht, nach eigenen Vorstellungen zu handeln. Man kann diese Verse nur dann für sich in Anspruch nehmen, wenn es wirklich darum geht, dass Regierungen etwas gebieten, was von uns fordert, dem Herrn Jesus ungehorsam zu sein. Dann und nur dann gilt dieser Vers.

Das Gewissen des anderen achten und respektieren - gilt auch umgekehrt!

Nun kann und darf keiner über das Gewissen des anderen richten. In manchen Fällen ist es in Deutschland aktuell noch möglich, in kleinstem Kreis privat zusammen zu sein. In anderen Fällen und in anderen Ländern ist das so kaum oder nicht möglich. Da muss jeder für sich die Frage beantworten, ob er in diesem Fall Gott mehr gehorchen muss als Menschen.

Es ist sehr ermutigend festzustellen, dass es in den letzten Wochen mehr und mehr Gläubige gibt, die erkennen, dass ein Zusammenkommen in Häusern sowohl in der Apostelgeschichte als auch in den Lehrbriefen eine feste Grundlage in Gottes Wort hat, wenn es in Einmütigkeit mit den Gläubigen am Ort geschieht. Und die entsprechend auch dazu gekommen sind, sich in kleiner Zahl in Häusern zu versammeln, um am Tisch des Herrn das Brot zu brechen.

Und man kann nur dankbar sein, wenn diejenigen, die für sich keine Freiheit des Gewissens sehen, sich in Häusern zu versammeln, diese Freiheit des Gewissens anderen Gläubigen am Ort nicht verwehren wollen, sondern es ermöglichen, auf der Grundlage von Gottes Wort zusammenzukommen.

Risikogruppen

Jetzt wird diese Frage, diese Prüfungszeit verlängert. Jeder wird für sich neue überdenken, welche Bibelstellen für die aktuelle Zeit Wegweisung geben. Vielleicht fassen Gläubige Mut, in dieser Zeit besonders auf den Herrn zu vertrauen und seinem Wunsch, seiner Aufforderung nachzukommen: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!"?

Wir wissen, dass es viele Gläubige gibt, die zur Risikogruppe gehören und wegen des fehlenden Impfstoffes und fehlender Medikamente menschlich gesprochen schutzlos dastehen. Wir denken an sehr alte Gläubige und solche, die eine Reihe von Vorerkrankungen haben. Gott ist ein Gott aller Gnade (1. Pet 5,10). Er weiß natürlich auch um die örtlich sehr unterschiedlichen Gegebenheiten, die es manchmal schwierig machen, hier zu gemeinsamen Entscheidungen zu kommen. Und weiter gilt: Jeder Einzelne von uns steht mit seinem Gewissen ganz persönlich vor dem Herrn.

Der Einzelne - der Engel der Versammlung (Gemeinde)

Eine besondere Verantwortung liegt auf dem „Engel der Versammlung" (Off 1-3). In 4. Mose 10 lesen wir beispielsweise, dass Gott angeordnet hat, dass für Fürsten im Volk Israel nur eine Posaune geblasen werden musste. Dann wussten sie, was Gott von ihnen wollte.

So kann der Herr auch heute von solchen erwarten, die in Verantwortung stehen, dass sie die Stimme der Posaune, also das Wort Gottes, hören und verstehen. Sie sind dadurch geprägt, dass sie Gottes Wort kennen und in ihrem persönlichen Leben wirklichen. So sind sie in der Lage, Gottes Wort auch für uns gemeinsam in der rechten, ausgewogenen Weise anzuwenden.

Sterne und Engel

Zurück zum Engel der Versammlung: Wir denken an das „verantwortliche Element" einer örtlichen Versammlung. Man kann unter ihnen solche verstehen, die Verantwortung übernehmen am Ort. Und bei ihnen steht nicht so sehr ihr eigenes Gewissen im Vordergrund. Sie haben eine zweifache „Ausrichtung":

1. Sie werden als „Sterne" bezeichnet (Off 1,16.20; 2,1): Das heißt, sie sollen himmlisches Licht verbreiten. Sie haben die Verantwortung, die göttliche Wahrheit - beispielsweise über die Versammlung Gottes - am Ort zu verbreiten. Der Herr, der Sohn des Menschen, der in Offenbarung 1 in richterlicher Weise gesehen wird, macht sie dafür verantwortlich, dass sie das, was Er in seinem Wort deutlich macht, auch in der örtlichen Versammlung treu verwalten und offenbaren.

2. Sie werden als „Engel" bezeichnet (Off 1,20; 2,1.8 usw.): Das heißt, sie sind Stellvertreter der örtlichen Versammlung vor dem Herrn Jesus. Sie stehen für den geistlichen Zustand der örtlichen Versammlung und werden für diesen, für das, was am Ort geschieht (oder nicht geschieht) verantwortlich gemacht. Sie sind der Ansprechpartner des Herrn, wenn Er als Sohn des Menschen, der inmitten der sieben goldenen Leuchter (Versammlungen) wandelt, etwas zu loben oder zu tadeln hat. In Ephesus sagt der Herr dem Engel: „Ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verslassen hast. Gedenke nun, wovon du gefallen bist, und tu Buße und tu die ersten Werke; wenn aber nicht, so komme ich dir und werde deinen Leuchter von seiner Stelle wegrücken, wenn du nicht Buße tust" (Off 2,4.5).

Das zeigt, was für eine bedeutsame Stellung diejenigen haben, die am Ort Verantwortung tragen. Sie müssen den Auftrag des Herrn erfüllen und dabei abwägen, was für die Herde am Ort nützlich und zum Segen ist. Sie achten darauf, dass es der Herde innerlich und - wenn möglich - äußerlich gut geht. Sie achten darauf, dass die Wahrheit des Wortes Gottes bewahrt wird. Sie kennen den Gott, der Licht und Liebe ist, und ermuntern und ermahnen die Gläubigen, in Gemeinschaft mit diesem Gott zu leben, der ihr Vater ist, und auch in Gemeinschaft (soweit möglich) mit den Gläubigen.

Die Chance der Verlängerung

Schenke Gott uns in dieser schwierigen Zeit Herzen, die für Ihn schlagen und für die Herde. Die den Frieden suchen und die Wahrheit verwirklichen. Die die Einheit des Geistes in dem Band des Friedens bewahren, in Demut und Sanftmut und Liebe.

Der Herr sucht solche, die Ihn an die erste Stelle setzen und zugleich das Wohl der Versammlung suchen. Eine wirklich herausfordernde und zugleich lohnende Aufgabe. Der Herr wird diejenigen reichlich belohnen, die im Sinne des Herrn und zum Segen der Gläubigen tätig werden, bis Er kommt.

„Wir dürfen die Gläubigen nicht in so ein Dilemma bringen"

Zum Schluss noch ein bemerkenswertes Zitat des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann aus einem Interview, das er der Zeitschrift „Der Spiegel" gegeben hat. Dort sagt er:

„Die Religionsfreiheit gehört zu den wichtigsten Grundrechten, die wir erkämpft haben ... Das Verbot von Gottesdiensten ist ein tief greifender Einschnitt. Deshalb haben wir das intensiv mit allen Betroffenen besprochen ... Wir haben das im Dialog mit den Kirchen und allen anderen Religionsgemeinschaften umgesetzt.

Es gibt immer Bewährungsproben, auch für die Religionsgemeinschaften. Aber es muss der Anspruch des modernen Verfassungsstaates sein, dass er den Bürger nicht vor die Frage stellt: Muss ich jetzt Gott mehr gehorchen als den Menschen? Der Staat darf die Gläubigen gar nicht in so ein Dilemma bringen."

Ein interessanter Satz des römisch-katholischen Regierungschefs, der zeigt, wie er selbst diese Situation einschätzt für Christen. Offenbar ist ihm bewusst, dass er Christen genau in dieses „Dilemma" gebracht hat ... Wie gut, wenn man sich bewusst ist, dass man nicht zu einer Religionsgemeinschaft gehört!

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