Gebetsnächte

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Antwort:

Es gibt neben dem Lesen des Wortes Gottes sicher nichts, was wichtiger ist als das Gebet des Gläubigen. Gerade durch diese beiden Tätigkeiten zeigen wir, dass wir uns von Gott abhängig fühlen und daher auch im Gehorsam und im Vertrauen Ihm gegenüber leben wollen. Daher kann man nur dazu ermutigen, bewusst das Gebet zu suchen und intensiv und ausdauernd, wiederholt zu beten.

Wer gedanklich, konzentrationsmäßig und von seiner Einstellung dazu in der Lage ist, eine ganze Nacht zu beten, der darf dies in Abhängigkeit vom Herrn und in der Kraft Gottes tun. Was sollte dagegen sprechen? Wir können nicht genug beten. Zugegeben – ich könnte das nicht, weil ich mich nicht so lange auf das Beten konzentrieren kann und gedanklich leicht abschweife. Jeder sollte sich selbst gegenüber daher nüchtern und ehrlich bleiben. Aber wer in der Lage ist, lange und intensiv zu beten, darf diese besondere Fähigkeit nutzen. Wir dürfen in diesem wie in anderen Bereichen des Glaubenslebens allerdings nicht meinen, geistlicher zu sein als andere, weil wir etwas intensiver, länger oder besser können. Das muss mit dem geistlichen Zustand nichts zu tun haben.

Nicht darüber reden!

Nun zeigt uns Matthäus 6 in drei verschiedenen Beziehungen, dass man besondere Hingabe für den Herrn nicht öffentlich zeigen sollte. Nehmen wir das Gebet: „Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler; denn sie lieben es, in den Synagogen und an den Ecken der Straße stehend zu beten, um sich den Menschen zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn schon empfangen“ (Mt 6,5).

Mit anderen Worten: Wenn jemand Gott gemäß eine solche „Gebetsnacht“ verbringen möchte, wird davon kein anderer erfahren. Er verbirgt das, was er für den Herrn tut – er tut es ja nicht vor und für Menschen. Sonst hat er seinen Lohn bereits durch Menschen erhalten, denen er von „seiner Gebetsnacht“ erzählt hat.

Eine Frage kommt natürlich auch auf: Warum muss es eine Gebets-Nacht sein? Sind wir nicht viel wacher und konzentrierter bei einem Gebets-Tag? Jeder prüfe für sich selbst seine Motive. Es wäre nicht gut, dass man deshalb die Nacht wählt, weil es etwas Besonderes sein soll. Vielleicht kann man besondere Hingabe gerade dadurch zeigen, dass man sich einen Tag freinimmt für das Gebet. Dann ist man nicht am nächsten Tag, wenn man arbeiten oder der Familie oder am Sonntag dem Herrn und der Versammlung zur Verfügung stehen soll, zu müde. Grundsätzlich gilt ja: Wir können jederzeit beten.

Wie Fastende

Gerade, wenn es um Nächte geht, denken wir an die Fastenden: „Salbe dein Haupt und wasche dir das Gesicht, damit du nicht den Menschen als Fastender erscheinst“ (Mt 6,17.18). Das ist natürlich nach Gebetsnächten eine echte Herausforderung. „Warum bist du so müde? Warum geht es dir heute nicht so gut? Was hast du denn die ganze Nacht gemacht? Usw.“ Die Antwort nach Matthäus 6 sollte dann nicht lauten: „Weil ich eine Gebetsnacht hinter mir habe.“ Oder: „Weil ich an einer Gebetsnacht teilgenommen habe …“ Das zeigt, was für eine Gratwanderung solch eine Gebetsnacht darstellt. Denn es soll keiner außer dem Herrn etwas davon wissen. Warum teilt man es sonst jemand mit?

Motivation

Jeder muss sich fragen, warum er sich gerade für eine Gebetsnacht entscheidet. Nochmals: Wir dürfen jederzeit zu Gott beten, auch nächtelang! Niemand darf etwas dagegen sagen, wenn jemand das für sich als seinen persönlichen Weg erkannt hat! Es wäre Sünde, das negativ zu sehen oder zu bewerten.

Es gibt natürlich noch eine andere Seite, die zu bedenken ist. Wir könnten leicht fasziniert sein von einer Gebetsnacht, weil uns erzählt wird, wie gesegnet so etwas ist. Auch das ist ja eine Gratwanderung, denn eigentlich kann mir das ja keiner erzählen, weil es im Verborgenen geschieht …

Achtung vor Gesetzlichkeit

Hinzu kommt, wie beim Fasten, dass hier die Gefahr einer gesetzlichen Haltung sehr nahe liegt. Das könnte einer der Gründe sein, warum wir in den Briefen nicht aufgefordert werden zu fasten.

Wie leicht meint man, dass Gott dann, wenn man fastet, auf jeden Fall eine Antwort geben muss. Denn man hat ja auf das eine oder andere verzichtet! Nein – diese Gesetzmäßigkeit gibt es nicht. Genauso nicht, wenn man sogar bereit ist, eine ganze Nacht zu beten. Lasst uns nie meinen (wir werden das womöglich nicht nach außen hin sagen, aber innerlich vielleicht erhoffen, denken), dass Gott doch antworten muss, einen besonderen Segen geben muss, wenn man so etwas auf sich nimmt.

Der Herr – in vielem Vorbild – in jeder Hinsicht anbetungswürdig – in jedem Fall einzigartig!

Der Herr hat das getan (Lk 6,12). Für die allermeisten (ich zweifle, dass es heute zahlreiche Gläubige gibt, die sechs Stunden lang ununterbrochen konzentriert beten, ohne abzuschweifen, ohne zu plappern, ohne Versuchungen zu erliegen) ist das ausdrücklich kein Vorbild.

Der Herr ist uns ein Vorbild darin zu beten. Aber niemand sollte seine Kräfte und seine Geistlichkeit überschätzen. Es ist gut, wenn wir – über den Tag verteilt – immer wieder bewusst ins Gebet gehen. Aber keiner sollte meinen, er sei ungeistlich, wenn er nicht länger als zehn Minuten am Stück beten und sich voll konzentrieren kann. Das ist: schlicht normal. Niemand sollte sich dadurch minderwertig vorkommen. Es ist auch gut und nüchtern, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein. Denn wer von uns wird 40 Tage und Nächte fasten? Es gibt viele Punkte, wo wir den Herrn nachahmen können und sollen. In jeder Hinsicht ist Er anbetungswürdig. Und in jede Fall ist Er einzigartig!

Gemeinsame Gebetsnächte

Wie ist das nun mit einer gemeinsamen Gebetsnacht? Auch dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden! Wenn der Herr es in das Herz von mehreren gibt, dass sie gerne längere Zeit im Gebet zusammenkommen – wer könnte dagegen etwas sagen? Es ist und bleibt natürlich die Frage, wie es zu einer solchen gemeinsamen Gebetsnacht kommt. Soweit ich das überblicke, finden wir kein konkretes Beispiel dafür im Neuen Testament.

Nur lasst uns auf der Hut sein vor Schwärmerei. Man hebt nicht in geistliche Sphären ab (positiv gemeint!) durch solche Gebetsnächte. Man muss ja nur Apostelgeschichte 12 lesen, als Petrus zu der Gebetsversammlung stieß, die anhaltend für ihn betete, wie schnell wir „falsch abbiegen“ können in solcher Hinsicht, obwohl der Herr auch diese Gebetsgemeinschaft zweifellos wertgeschätzt hat! Sie waren damals sogar in seinem Namen versammelt.

Besonnenheit ist bei diesen Themen gefragt. Von Daniel heißt es nicht, dass er die Nächte durchbetete, sondern dass er dreimal am Tag betete. Das ist sicher ein gutes Vorbild für uns alle.

Zusammenfassung

Summa Summarum: Wer meint, dass die Nacht für ihn der beste Zeitraum ist, zu beten, mag das unter der guten Hand Gottes tun. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man das persönlich für sich als richtig erkannt hat. Im Gegenteil! Jeder sollte nur die Hinweise des Herrn aus Matthäus 6 verwirklichen und mit niemandem darüber sprechen.

Wichtig erscheint mir auch, dass wir nicht versuchen sollten, solche Gebetstreffen zu inszenieren. Das finden wir so nicht in Gottes Wort. Man kann eine Erweckung nicht durch bestimmte Aktionen wie Gebetstreffen organisieren. Es gibt wunderbare Beispiele und Ermunterungen zu gemeinsamem Gebet! Wir finden das mehrfach, vielleicht oft in Gottes Wort. Das hat dann immer mit einem gemeinsamen Dienst oder Thema zu tun, den/das wir nüchtern und in angemessener Weise gemeinsam und hingebungsvoll ins Gebet bringen dürfen.

Aber niemand sollte dann, wenn er meint, selbst eine ganze Nacht durchbeten zu können, diese Handlungsweise anderen abverlangen. Er sollte sich auch bewusst sein, wie leicht ein „Mit-Läufertum“, zum Beispiel durch Faszination, entstehen kann, wenn es nicht aus dem eigenen Herzen kommt, durch Gott selbst bewirkt. Da nur absolute Ausnahmen dazu geistlich in der Lage sind, so etwas von der Konstitution und Konzentration, auch von der geistlichen Verfassung durchzustehen, werden wir solch eine Sache in erster Linie für uns persönlich ganz im Verborgenen tun.

Wir sollten auch nicht meinen, dass wir dadurch, dass wir länger beten oder mit mehreren beten, Größeres tun können, als wenn wir das „dreimal am Tag“ in kürzerer Weise tun. Es kommt nicht auf die Länge der Gebete und auch nicht auf die Anzahl der Beter an, dass Gott antwortet (das wäre Gesetzlichkeit, das zu glauben: „Weil wir länger beten, weil wir mehr Beter sind, hört Gott!“). Nicht eine Gebetsnacht oder ein Gebetstreffen von möglichst vielen ist das, was vor Gott „zählt“. „Das inbrünstige Gebet eines Gerechten vermag viel“ (Jak 5,16). Das kann einer sein, der in inbrünstiger Weise ein Gebet zum Herrn spricht – hier geht es nicht um Stunden. Gott sieht das Herz und unsere Haltung und wird antworten. Auf seine Weise ... Wir sehen auch nicht auf Großes, denn dann würden wir uns groß machen, sondern wir sehen darauf, dass sein Wille geschehe.

Nüchternheit

Wie nüchtern ist hier Gottes Wort. Hat Paulus nicht gebetet, als er zweimal von dem Geist Gottes verhindert worden war, an bestimmte Orte zu gehen zur Mission? Ohne jeden Zweifel. Aber Lukas schreibt das so nicht. Er schreibt auch nicht: Der Geist leitete uns so und so. Vielmehr erklärt er ganz nüchtern: „Als er aber das Gesicht gesehen hatte, suchten wir sogleich nach Mazedonien abzureisen, da wir schlossen, dass Gott uns gerufen habe, ihnen das Evangelium zu verkündigen“ (Apg 16,10). Haben sie gebetet? Zweifellos. „Wir schlossen“. Ein schönes Beispiel für geistliche Besonnenheit.

Wie sagt uns Petrus: „Seid nun besonnen und seid nüchtern zum Gebet“ (1. Pet 4,7). Das ist die rechte Haltung. Dann versuchen wir nicht mit Gebeten, eine Erweckung zu bezwecken – die können wir gar nicht so auslösen, sondern wir beten schlicht für das, was der Herr uns auf das Herz legt. Und wenn wir fertig sind mit unserem Gebet, stehen wir wieder auf. So tat es unser Herr, so tat es Paulus, so empfiehlt es uns Petrus. Gute, die besten Vorbilder.

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