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Im Neuen Testament gibt es eine wichtige Belehrung, wie wir mit einem Bruder umgehen sollen, der gesündigt hat. Paulus schreibt an die Galater: „Brüder, wenn auch ein Mensch von einem Fehltritt übereilt würde, so bringt ihr, die Geistlichen, einen solchen wieder zurecht im Geist der Sanftmut, wobei du auf dich selbst siehst, dass nicht auch du versucht werdest. Einer trage des anderen Lasten, und so erfüllt das Gesetz des Christus. Wenn jemand meint, etwas zu sein, da er doch nichts ist, so betrügt er sich selbst. Jeder aber prüfe sein eigenes Werk“ (Gal 6,1-4). Wie in 3. Mose 6 ist die Sünde, die diesen Versen zugrunde liegt, nicht notwendigerweise gegen mich persönlich gerichtet. Es handelt sich um den Fehltritt eines Bruders, der mir bekannt wird. Hier lernen wir:

  1. Wenn ich meinen Bruder gewinnen will, muss ich geistlich sein und handeln – nicht fleischlich. Daran scheitert es oft bei uns. Das Problem, dass mein Bruder gegen mich sündigt, kann ich oft deswegen nicht mit ihm klären, weil ich selbst alles andere als geistlich bin. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, meinen Bruder gewinnen zu können. Wenn ich nicht geistlich bin, will ich ihn gar nicht gewinnen, sondern vielleicht einfach die Sachlage klarstellen und Recht bekommen. Um mein Recht geht es hier aber überhaupt nicht. Daher wird ein geistlich gesonnener Christ dem Bruder zeigen, wie dieser sich selbst durch seine Sünde geschadet und den Herrn verunehrt hat. Ein solcher Gläubiger wird nicht darauf verweisen, dass man möglicherweise persönlich verletzt worden ist – das ist kein Grund für eine Überführung.
  2. Ich werde meinen Bruder nur dann gewinnen können, wenn ich durch einen Geist der Sanftmut gekennzeichnet bin – nicht durch einen Geist der Härte und Schärfe. Wenn ich Rache oder dergleichen suche, werde ich nur Widerstand auslösen. Sanftmut jedoch, die der Herr immer in seinem Leben zeigte, führt zu einer milden Zunge, die Knochen zerbricht (vgl. Spr 25,15). Härte bewirkt das Gegenteil von dem, was Christus erreichen möchte.
  3. Man muss auf sich selbst sehen – nicht die Fehler der anderen begutachten! Wissen wir nicht, wie oft wir selbst straucheln? Das würde uns zurückhaltender machen, auf einen anderen mit dem Finger zu zeigen. Das würde uns mehr in einer Gesinnung der Unterordnung zu dem Bruder gehen lassen, um gemeinsam mit ihm zu trauern über das, was passiert ist. Wer meint, in einem Richtgeist auftreten zu können – und in der Haltung: „Mir kann so etwas nie passieren“ –, wird kurze Zeit später selbst zu Fall kommen.
  4. Die Gesinnung muss sein, dass ich die Last des anderen mittrage – und nicht über alles Elend und Versagen klage. Der sündigende Bruder hat eine Last an der Sünde zu tragen. Er hat offenbar eine Last in seinem Leben, die ihn zu diesem Fehltritt gebracht hat. Wer von oben herab mit so jemandem spricht, wird dessen Last nie tragen können. Er wird ihm keine Hilfe sein können.
  5. Ein Helfender muss sich bewusst sein, dass er selbst nichts ist. Er darf sich nicht geistlich vorkommen. In sich selbst besitzt er keine Kraft zu helfen. Er ist zu derselben Sünde ebenfalls in der Lage. Wer meint, in eigener Weisheit und Kraft die Dinge ordnen zu können, wird das Gegenteil bewirken.
  6. Prüfen wir uns selbst – und nicht die anderen, dann werden wir in der richtigen Gesinnung zu jemandem gehen, der einen Fehltritt getan hat.

In Galater 6,1 und in Matthäus 18,15 lesen wir nichts von SMS, Telefon oder Mail. Natürlich gab es das damals noch nicht. Aber es scheint nützlich zu sein, darauf hinzuweisen, dass man auf einem solchen Weg seinen Bruder in aller Regel nicht gewinnen kann, es sei denn, man kann keinen anderen Weg wählen. Man muss sich die Zeit nehmen, selbst zu ihm zu gehen. Das zeigt der Text an dieser Stelle. Wenn ich mir diese Zeit nehme, kann Wirklichkeit werden, was Petrus schreibt: „Die Liebe bedeckt eine Menge von Sünden" (1. Pet 4,8; vgl. Jak 5,19.20). Es liegt nicht nur an dem anderen. Es liegt an mir, wie viel Liebe ich in die Beziehung zu meinem Bruder investiere.

Wir dürfen aus 1. Petrus 4,8 allerdings keineswegs zu dem Schluss kommen, eine Sünde könne durch „Liebe“ übergangen werden. Nein, die Liebe bedeckt eine Menge von Sünden, indem sie auf den Bruder zugeht, ihn zum Selbstgericht und zu einem aufrichtigen Selbstgericht führt und die Sünde nicht ans Licht der Öffentlichkeit zerrt, sondern – soweit das möglich ist – im Verborgenen belässt. Gottes Wort kennt kein „Unter-den-Teppich-Kehren“ von Sünden. Nur dann, wenn Sünden vor Gott und, falls nötig, vor Menschen bekannt werden, sind sie in den Augen Gottes ausgeräumt.

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