Der Herr weist die Überlieferungen zurück

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Die Antwort des Herrn auf die Anschuldigung der Pharisäer, die Jünger würden sich nicht nach den Überlieferungen der Juden richten, erscheint auf den ersten Blick äußerst scharf: „Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Und warum übertretet ihr das Gebot Gottes um eurer Überlieferung willen?" (Vers 3) „Diese Worte sind das Todesurteil für menschliche Traditionen und Überlieferungen, die für verbindlich in göttlichen Dingen erhoben werden", schreibt ein Ausleger. Traditionen sind wie ein Schleier, der den Menschen den wahren Sinn des Wortes Gottes verhüllt.

Das Halten von Traditionen führt dazu, dass man Gott in äußerlicher Weise dienen möchte. Das ist der Charakterzug jeder fleischlichen Religion, welchen Namen sie sich auch beilegen mag. Sie ersetzt die Forderungen Gottes durch Formen, die das Fleisch befriedigen und den eigenen Willen gewähren lassen. Das Ganze bezeichnet der religiöse Mensch in seiner Verblendung dann noch als Gottesdienst, obwohl Gott gar nicht nach seinen Gedanken gefragt wird.

Wir selbst wollen ebenfalls aufpassen. Denn auch wir können sogar gute Auslegungen zu falschen Traditionen machen. Aber wenn wir sie recht nutzen, führen sie uns zu der eigentlichen Quelle zurück, zum Wort Gottes.

Man könnte fragen, ob denn das Gebot des Händewaschens nicht sinnvoll ist. Natürlich ist es nicht verkehrt, sich vor dem Essen die Hände zu waschen. Aber davon stand kein einziges Wort im Alten Testament. Und um das eigentliche Gebot ging es den Juden auch gar nicht, sondern um das Einhalten von menschlichen Gesetzen, die ihre eigene Autorität festigten. Ihre Vorschriften standen jedoch teilweise direkt, immer jedoch indirekt im Widerspruch zum Gebot Gottes. Denn eingehalten werden mussten die Gebote, die Gott gegeben hatte. Und wenn Traditionen zu Geboten erhoben werden, die Menschen einhalten müssen, dann werden sie den göttlichen Geboten automatisch gleichgesetzt oder sogar über sie erhoben. Das taten die Pharisäer mit diesen menschlichen Hinzufügungen und setzten damit letztlich die Gedanken Gottes beiseite. Aus diesem Grund verurteilt der Herr hier diese Überlieferungen der Juden. Dabei tritt Er nicht in eine abstrakte Diskussion über Traditionen ein, sondern wendet sich direkt an das Gewissen seiner Zuhörer.

Wie gesagt gingen die Juden tatsächlich oft so weit, sich durch ihre Überlieferungen direkt gegen Gottes Gebote zu stellen. Es war ihnen beispielsweise „erlaubt", unreines Fleisch und unreine Getränke zu sich zu nehmen - im Gesetz Gottes ausdrücklich verboten (vgl. 3. Mo 11) -, solange man die Überlieferungen der Ältesten hielt und sich die Hände zeremoniell vorher wusch. Und dann wurde noch hinzugefügt, mit welcher Hand man sich zuerst waschen musste, usw. ...

Das Thema Überlieferungen und Traditionen ist auch in der heutigen Zeit sehr aktuell. Denn es ist menschlich, alles mit menschlichen Überlegungen festzulegen, wenn Gott keine einzelnen Anweisungen gegeben hat. An dieser Stelle möchte ich gerne zwei Gedanken weitergeben, die William Kelly in seinen Auslegungen zum Markus- und Matthäusevangelium formuliert hat:

„Ein wichtiger Grundsatz im Wort Gottes lautet: Gott ist unendlich weise und heilig; wo Er nicht irgendeine ausdrückliche Vorschrift niedergelegt hat, heißt es: Wehe dem, der die Freiheit einschränkt! Im Gegensatz dazu nutzt der Mensch solche Lücken und erlässt dort, wo Gott kein Gesetz niedergelegt hat, sein eigenes. Aber Gott hatte keine Vollmacht zur Gesetzgebung gegeben; und die Hälfte aller Streitfragen und Spaltungen, die in der Christenheit aufgetreten sind, entspringen eben hieraus. Der Mensch nimmt in seiner Hast, Schwierigkeiten zu lösen, Zuflucht zu solchen Maßnahmen und will seinen eigenen Willen durchsetzen, wo Gott, anstatt irgendetwas ausdrücklich zu regeln, die Dinge zur Herzensprüfung offen gelassen und deshalb absichtlich auf ein Gebot verzichtet hat."

„Der Herr weist sofort auf die offensichtliche Tatsache hin, dass sich die Schriftgelehrten und Pharisäer in ihrem Eifer für die Traditionen der Ältesten geradewegs gegen das klare, positive Gebot Gottes stellten. Ich glaube, dass dies die unveränderliche Folge von Tradition ist, egal bei wem sie gefunden wird. Wenn man sich die Geschichte der Christenheit anschaut und irgendeine Regel nimmt, die irgendwann eingeführt worden ist, wird man feststellen, dass sie diejenigen, die ihr folgen, in einen Gegensatz zu den Gedanken Gottes führt."

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