Sollte ein Christ bei Streiks mitmachen? (FMN)

Lesezeit: 8 Min.

Frage:

Sollte ein Christ bei Streiks mitmachen?

Antwort:

Im Jahr 2015 waren Streiks eines der beherrschenden Themen in den Medien. Sowohl Eisenbahnen als auch Flüge, Kitas und Post wurden jeweils über längere Zeiträume bestreikt. Da ist die Frage aktuell und legitim: Wie soll sich ein Christ in einer solchen Situation verhalten? Soll er mitstreiken oder nicht, wodurch er die manchmal greifbare Ablehnung seiner Kollegen auf sich zieht?

Ein paar Fakten zum Thema „Streik

In Deutschland leitet man das Streikrecht aus der Koalitions- und Vereinigungsfreiheit des Grundgesetzes Art. 9 Abs. 3 ab. Ein eigenes Gesetz gibt es zum Thema Streikrecht nicht. Ein Streik kann nach Scheitern der Tarifverhandlungen durch die Gewerkschaften eingeleitet werden. Er ist ebenso wie der Warnstreik ein rechtmäßiges Mittel zur Durchsetzung der Tarifforderung der Arbeitnehmer. Dabei darf sich jeder Arbeitnehmer, ob gewerkschaftlich organisiert oder nicht, an einem (Warn-)Streik beteiligen.

Das Wort „Streik“ kommt aus dem Englischen und wird interessanterweise abgeleitet von strike: Schlag, Streich. Diese Idee steht offenbar hinter einem „Streik“. Er ist ein Mittel des Arbeitskampfes und stellt eine kollektive Arbeitsniederlegung dar. Im Rahmen der grundgesetzlich garantierten Tarifautonomie ist ein Streik nach Ablauf der Friedenspflicht zulässig. Er soll die Arbeitgeber dazu bewegen, den Forderungen der Gewerkschaft durch Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrags nachzukommen. Im Fall der Flugzeug-Gewerkschaft „Cockpit“ sieht man, dass ein solcher Arbeitskampf, der inzwischen verboten wurde, im Rahmen von Tarifvertragsverhandlungen auch ganz anderen Zielen dienen kann. Hier ging es nämlich zeitweise um die grundsätzliche strategische Ausrichtung des Konzerns, die den Interessen der Gewerkschaft entgegensteht.

In Deutschland fielen im ersten Halbjahr 2015 26 „Manntage“ (also auf volle Arbeitsstellen bezogen) pro Tausend Beschäftigte durch einen Arbeitskampf aus. Das zeigt die Dimension, die diese Streiks in wirtschaftlicher Hinsicht hatten. So weit zu den inhaltlichen Fakten.

„Arbeitnehmer“ in biblischer Zeit

Nun ist die Frage, wie ein Streik aus biblischer Sicht zu beurteilen ist. Zunächst einmal ist zu bedenken, dass die Arbeitssituation zur Zeit des Neuen Testaments nicht vergleichbar war mit der heutigen. Wir lesen von Knechten und Hausknechten (z.B. in Eph 6,5 und 1. Pet 2,18). Knechte waren Leibeigene, Diener. Man kann dieses Wort auch mit „Sklave“ übersetzen. Sie hatten keine Rechte, sondern wurden oft wie eine „Sache“ behandelt. Der Herr des Sklaven konnte über diesen bestimmen, wie er wollte.

Vor diesem Hintergrund müssen wir die Anweisungen des Geistes Gottes an Knechte und Hausknechte weise auf die heutige Situation übertragen. Den Knechten wurde gesagt, den Herren nach dem Fleisch mit Furcht und Zittern zu begegnen. Sie sollten diesen sogar „gehorchen“ (Eph 6,5). Petrus spricht in 1. Petrus 2,18 nicht direkt von Gehorsam, aber von Unterordnung. Das kommt unserer aktuellen Situation näher. Von Mitarbeitern (Angestellten) erwartet die Unternehmensleitung heute, dass sie aktiv mitdenken. Sie sollen den Mund aufmachen, um zum Beispiel Arbeitsprozesse zu verbessern. Das ist konstruktive Kritik und daher durchaus zum Wohl des Unternehmens. Unterordnung zum Beispiel unter Unternehmensentscheidungen wird trotzdem weiterhin erwartet.

Den Chefs unterordnen

Den Hausknechten wird nun aufgetragen, sich „nicht allein den guten und milden, sondern auch den verkehrten“ Herren unterzuordnen. Daraus können wir ableiten, dass Gott nicht möchte, dass Knechte gegen ihre Herren aufbegehren und gegen ihr Verhalten öffentlich und lautstark protestieren. Selbst ein ungerechtes Verhalten des Vorgesetzten oder Arbeitgebers berechtigt uns nicht, dagegen mit Protest, Demonstration oder Streik vorzugehen.

Der Streik von Arbeitnehmern und Arbeitern ist bewusster, öffentlicher und lautstarker Protest gegen die Unternehmensleitung. Er ist das Gegenteil von Unterordnung und Gehorsam. Damit haben Christen nichts zu tun. Stattdessen sollen wir „von Herzen arbeiten als dem Herrn“ (Kol 3,23). Das heißt, wir sollen engagiert für unsere Arbeitgeber tätig sein in dem Bewusstsein, dass wir so für unseren Herrn im Himmel tätig sind. In Epheser 6,6 nennt der Apostel Paulus das „den Willen Gottes“.

Das heißt natürlich nicht, dass wir unsere Vorgesetzten und Arbeitgeber nicht auf falsche Prozesse und Fehlverhalten hinweisen dürften. Aber wir tun das nicht, indem wir Druck auf sie ausüben, sondern indem wir ihnen zurückhaltend und sachlich Missstände verdeutlichen. Wir überlassen es ihnen und vor allem Gott, in welcher Weise sie auf unsere Argumente eingehen.

Respekt und Achtung erweisen

Paulus spricht davon, dass die Knechte ihren Herren gegenüber „mit Furcht und Zittern“ auftreten sollen. Wir können für unsere Tage ableiten, dass wir respektvoll mit der Unternehmensführung umgehen sollen. Wer die Streiks in den letzten Jahren verfolgt hat, wird bemerkt haben, dass von Achtung und Respekt keine Rede sein kann. Das unterstreicht, dass Streiks nicht die richtigen Mittel aus Gottes Sicht im Vorgehen von Arbeitnehmern sind.

In 1. Timotheus 6,1 geht der Apostel noch weiter. Er verlangt von den Knechten, dass sie „ihre eigenen Herren aller Ehre würdig achten“. Das Ehren der Vorgesetzten schließt einen öffentlichen Protest in Form eines Streiks aus. In diesem Zusammenhang dürfen wir auch nicht übersehen, dass es bei den meisten Streiks darum geht, eine möglichst große Gehaltserhöhung zu erreichen. Gerade in 1. Timotheus 6,10.11 werden wir ermahnt, die Geldliebe zu fliehen. An mehreren Stellen wird vor der Habsucht gewarnt, die in Gottes Augen Götzendienst ist (vgl. Kol 3,5).

Nicht widersprechen

In Titus 2,9 weist der Apostel die Knechte sogar an, „nicht zu widersprechen“. Das ist das Gegenteil eines Streiks, wo den Angeboten und Forderungen der Unternehmensführung direkt widersprochen wird. Vielleicht kann man in diesem Zusammenhang auch noch 2. Thessalonicher 3,12 anführen, wo ausdrücklich gesagt wird, dass der Christ „in der Stille“ arbeiten soll. Dort geht es um einen besonderen Zusammenhang. Aber ein öffentlicher Streik ist das Gegenteil von einem Lebenswandel in der Stille. Dieser dagegen ist wertvoll für Gott.

Friedenspflicht – Arbeitskampf – Gewerkschaften

Interessant sind auch einige Vokabeln, die in Verbindung mit Streiks verwendet werden:

  • Es gibt eine Friedenspflicht. Der Streik stellt also das Gegenteil von „Frieden“ dar. Sollen wir als Christen nicht dem Frieden nachjagen (Heb12,14)?
  • Streik ist eine Form des Arbeitskampfes. Ist es Auftrag von Christen, gegen Menschen zu kämpfen (vgl. Eph6,12)?
  • Streik kommt von „schlagen“. Ist Gewalt nicht nach 1. Mose 6,11 ein Kennzeichen der Sünde? Paulus rügt die Galater deswegen (vgl. Gal 5,15).
  • Wer steckt hinter einem Streik? In aller Regel geht er von Gewerkschaften aus. Diesen geht es nicht in erster Linie um das Wohl der Unternehmen, sondern um eigene Macht und darum, möglichst viele Mitglieder für sich zu werben. 1 Sie sind ein Teil des weltlichen Systems, das unter der Macht des Teufels steht. Schon der Herr Jesus hat gesagt, dass wir „nicht von der Welt“ sind (Joh17,14).

Die Rotte Korahs

An dieser Stelle möchte ich auf zwei Begebenheiten im Alten Testament hinweisen, die mich an einen Streik erinnern. Die eine fand zur Zeit Moses statt, die zweite unter König Rehabeam.

In 4. Mose 16 lesen wir von einer Anzahl von Israeliten, die mit ihrem Status nicht zufrieden waren. Die sogenannte Rotte Korahs bestand aus Leviten und Rubenitern. Sie waren der Meinung, dass sie in ihren Funktionen zu sehr beschnitten seien, und wollten die Führungsfunktionen von Mose und Aaron übernehmen. „Darum rottet ihr euch zusammen, du und deine ganze Rotte, gegen den Herrn; denn Aaron, was ist er, dass ihr gegen ihn murrt?“ (4. Mo 16,11).

Gott nennt diesen Aufstand in Judas 11 „Widerspruch Korahs“. Durch diese Wortwahl wird deutlich, dass es um einen Aufstand gegen Gottes Einrichtungen ging. Man wollte die Autoritäten über sich nicht akzeptieren. Judas spricht davon, dass damit nicht nur die von Gott eingesetzten Autoritäten missachtet wurden, sondern Gott selbst in seiner Macht abgelehnt wurde (vgl. Jud 8.10).

Dasselbe Prinzip finden wir bei Streiks heute. Autoritäten sind von Gott. Selbst solche, die der Mensch durch seine Sünde eingeführt hat – Herren von Sklaven –, stellt der Apostel Paulus nicht in Frage. Wer aber durch einen Streik deren Autorität und Entscheidungsfreiheit beschneiden will und damit angreift, steht gegen den auf, der ihnen Autorität verliehen hat (vgl. Röm 13,2).

Rehabeam

Noch deutlicher wird das in 1. Könige 12. Rehabeam wurde als Sohn Salomos König. Das Volk machte sich mit dieser Entscheidung zunächst auch eins (vgl. 1. Kön 12,1). Dann aber verband sich Jerobeam mit einem Teil des Volkes und forderte den König heraus. Als dieser nicht so handelte, wie es Jerobeam und seine Meinungsgenossen gut fanden, zettelte er sozusagen einen Streik gegen Rehabeam an – das war natürlich mehr als ein Streik. Sie nahmen Rehabeam die Autorität über den größten Teil des Volkes weg.

Das führte zu Mord (1. Kön 12,18) und Bürgerkrieg. War das zum Segen des Volkes? Sicher nicht! Das Volk wurde in zwei Völker geteilt, die Kraft und Macht ging zurück und das, was zusammengehörte, wurde letztlich zerstört. Dass „dieses Sache von mir [dem Herrn] aus geschehen“ war (1. Kön 12,24), nimmt nichts von der Verantwortung Jerobeams weg. Er hatte diesen „Arbeitskampf“, der in diesem Fall einer Befehlsverweigerung glich, wie wir das heute auch immer wieder erleben, gegen den von Gott eingesetzten König initiiert. Damit lehnte er sich gegen die von Gott eingesetzte Autorität auf.

Dass der König Rehabeam seinen Anteil an diesem Desaster hatte, einen ganz erheblichen, ist unbestritten. Tatsächlich tragen auch heute Unternehmensleiter eine hohe Mitverantwortung für Unfrieden und Unwilligkeit in der Mitarbeiterschaft. Nicht von ungefähr sagt „ihnen“ der Apostel in Epheser 6,9: „Ihr Herren, tut dasselbe gegen sie“, nämlich mit Gutwilligkeit den Willen Gottes von Herzen tun, zum Guten der „anderen Seite“. Aber wie Petrus schreibt: Als Arbeiter und Arbeitnehmer haben wir das hinzunehmen und nicht dagegen zu protestieren, schon gar nicht öffentlich. Unsere Aufgabe ist es, in Geduld auszuharren und auf Gott zu warten, selbst wenn das einmal sehr hart sein kann.

Zum Schluss

Zum Schluss erwähne ich noch ein Problem, mit dem sich Christen bei Streiks manchmal auseinanderzusetzen haben. Wenn die Gewerkschaften in einem Unternehmen einen hohen Organisationsgrad aufweisen (das heißt, sehr viele Mitarbeiter sind in der Gewerkschaft organisiert), streiken sie auch alle. Dann fällt jeder auf, der sich diesem Streik nicht anschließt. Man nennt solche Arbeitnehmer „Streikbrecher“. Sie müssen sich darauf gefasst machen, dass sie regelrecht angefeindet werden, wenn sie an Streiktagen zur Arbeit gehen.

Ich erinnere mich, dass ich das als Auszubildender wahrgenommen habe. Obwohl ich in einer Branche tätig war, wo der Organisationsgrad sehr gering war, habe ich gesehen, wie Mitarbeiter am Betreten des Unternehmens geradezu gehindert und angepöbelt wurden. Als Christen dürfen wir solch eine Behandlung um des Herrn willen ertragen. Er hat uns vorhergesagt, dass wir Feindschaft in dieser Welt erwarten müssen: „In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden“ (Joh 16,33). Wir dürfen wissen, dass wir den Herrn an unserer Seite haben, wenn wir um seinetwillen Nachteile auf uns nehmen.

Besonders schwer ist so eine Situation für Christen, die in einer sehr personalarmen Branche arbeiten. Nehmen wir das aktuelle Beispiel der Piloten. Da fällt jeder auf, der bei dem äußerst aggressiven Arbeitskampf nicht mitmacht. Angesichts der Häufigkeit, mit der in den Jahren 2014 und 2015 in dieser Branche gestreikt wurde, kann man sich nicht jedes Mal Urlaub nehmen. Da gehört echter Bekennermut dazu, wenn man nicht mit der Masse mitläuft und streikt. Man kann sich auf die Rechtslage berufen, dass man nicht von der Gewerkschaft behindert werden darf, an der Arbeit teilzunehmen. Notfalls sollte man zum Beispiel seinen Vorgesetzten über solche Aggressionen auch informieren.

Ansonsten kann man nur empfehlen, sich mit gläubigen Freunden zusammenzutun und mit ihnen um Kraft und Durchhaltevermögen zu beten. Denken wir an Daniel und seine drei Freunde. Leider muss man damit rechnen, dass nicht alle Gläubigen eine klare Position vertreten, sondern teilweise beim Streiken mitmachen. Aber vergessen wir nie, dass der Herr an unserer Seite steht. Er weiß, was wir in solchen Umständen fühlen, weil er viel schlimmeren und brutaleren Widerstand selbst durchlebt hat.



Folge mir nach – Heft 1/2016

Fußnoten

  • 1 Das heißt nicht zu übersehen, dass durch die Gewerkschaftsbewegung im 19./20. Jahrhundert eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen erfolgte, von der wir immer noch profitieren. Letztlich sind wir als Christen auch heute nicht selten „Nutznießer“ der Ergebnisse der Tarifauseinandersetzungen (wie wir auch an den negativen Folgen zum Beispiel überhöhter Lohnforderungen zu leiden haben, die in Arbeitsplatzabbau münden). Aber wir müssen erkennen, dass Paulus nicht mit Gewerkschaftsmethoden gegen die bestehende, zum Teil unmenschliche Behandlung von Sklaven vorging, sondern diese gerade aufforderte, sich Gott zu übergeben, der gerecht richtet, und nicht Energie in Kämpfe gegen die Herren hineinzustecken (1. Pet 2,23).
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