Vorab sind drei Dinge wichtig:
- Gott, der Herr über Leben und Tod, tut Wunder - auch heute noch. Er kann z.B. zu jeder Zeit Kranke ohne menschliche Einwirkung auf wunderbare Weise gesund machen.
- Gott gab besondere Zeiten, in denen viele Wunder gewirkt wurden. Gott bestätigte dadurch, dass z.B. neu offenbarte Botschaften von Ihm kamen. Als Gott das Gesetz gab, waren es Mose und Aaron, die Wunder taten. Und als Gott das Christentum einführte, waren es die Apostel, die Wunder taten.
Die Wundergaben zu Beginn des Christentums bestätigten das Evangelium der Herrlichkeit, das nicht nur Juden, sondern auch allen Nationen gepredigt wurde. Diese große Errettung begleitete Gott zu Beginn ihrer Verkündigung durch Wunder (Heb 2,3-4). Jene besondere Form der Beglaubigung ist heute nicht mehr nötig, da die Botschaft festgemacht wurde und abgeschlossen ist. - Selbst zur Anfangszeit der Christenheit hatte nicht jeder Gläubige eine Wundergabe. Das macht der Apostel Paulus in 1. Korinther 12 sehr deutlich, wenn er fragt: „Haben alle Wunderkräfte? Haben alle Gnadengaben der Heilungen? Reden alle in Sprachen?" (V 29.30). Die Antwort lautet: nein.
Wunderheilungen
Im Alten Testament gab Gott dem Volk Israel spezielle Verheißungen der Heilung, wenn sie gehorsam sein würden (z.B. 2. Mo 15,26; 23,25). Trotzdem werden uns in einem Zeitraum von ca. 2000 Jahren nicht einmal zwei Dutzend ausdrückliche Krankenheilungen berichtet. So sagt der Herr selbst: „Und viele Aussätzige waren zur Zeit des Propheten Elisa in Israel, und keiner von ihnen wurde gereinigt als nur Naaman, der Syrer" (Lk 4,27). Elisa selbst erkrankte und starb (2. Könige 13,14).
Im Neuen Testament nehmen die Wunder bzw. Heilungen zum Ende der Apostelzeit wieder ab. Am Anfang der Apostelgeschichte finden wir noch, wie Petrus die gläubige Tabitha aus den Toten auferweckt (Apg 9,36 ff.) und andere Wunder tut, so dass sogar sein Schatten Kranke heilte (Apg 5,15), während wir am Ende des Dienstes des Paulus nichts dergleichen mehr sehen. Paulus muss Trophimus krank zurücklassen (2. Tim 4,20). Timotheus, der mit Unwohlsein zu kämpfen hatte, wird lediglich der den Rat gegeben, etwas Wein zu gebrauchen (1. Tim 5,23). Und dass Epaphroditus von seiner schweren Krankheit geheilt wurde, stellt Paulus als Gottes gnädiges und souveränes Erbarmen dar (Phil 2,25.26).
Überhaupt fällt auf, dass in der Apostelgeschichte keine Gläubigen, sondern offensichtlich nur ungläubige Menschen geheilt wurden (vgl. Apg 4,30; 8,6-7; 9,33-35; 28,8-9).
Manchmal wird Jakobus 5,14-16 als Beleg für Wunderheilungen genannt. Aber dort ist gar keine Rede von Gnadengaben der Heilungen oder von Wunderwirkungen (wie in 1. Kor 12,9.10), sondern vom Gebet des Glaubens. Das ist es, was den Kranken heilen wird. Der Zusammenhang macht zudem klar, dass die genannten Anweisungen in Verbindung mit dem Regierungshandeln Gottes stehen, d.h. mit einer Erziehungsmaßnahme Gottes, die der Kranke als solche erkennt und annimmt. Ihm selbst ist also klar, warum er krank geworden ist. Und die herbeigerufenen Ältesten kommen zu der Überzeugung, dass sie für seine Heilung beten können. So wird der Kranke durch das Gebet des Glaubens physisch geheilt. Zudem wird er innerlich durch den Herrn aufgerichtet, und falls er Sünden begangen hat, werden ihm diese vergeben 1. Übrigens geht es in diesem Text um die Heilung eines Gläubigen - während die Gnadengaben der Heilungen fast oder ganz ausschließlich zugunsten von Ungläubigen ausgeübt wurden.
Manche wollen uns weismachen, der Gläubige brauche nicht krank zu sein. Leider übersehen sie, dass wir auf dieser Erde einen „Leib der Niedrigkeit" besitzen und deshalb „den Herrn Jesus Christus als Heiland" (Phil 3,20-21) und „die Erlösung unseres Leibes" (Röm 8,23) erwarten.
Beachten wir die Warnung unseres Herrn: Nicht jeder, der meint, im Namen des Herrn zu weissagen oder Wunderwerke zu vollbringen, ist aus Gott (Mt 7,22-23).
Zungenrede
Echtes Sprachenreden ist die übernatürliche Gabe Gottes, eine existierende Fremdsprache aktiv und korrekt zu sprechen, ohne dass man sie erlernt hat. So konnten die Ungläubigen in Apostelgeschichte 2 sagen: „Und wie hören wir sie, jeder in unserer eigenen Mundart, in der wir geboren sind?" (V. 8). Der Begriff Zungenrede wird heute wohl gebraucht um den Umstand zu verwischen, dass es sich bei dem biblischen Sprachenreden um eine existierende Sprache handelt.
Der biblischen Auffassung, dass es sich um reale Sprachen handelte, waren - im Gegensatz zu vielen heute - sogar die ersten Pfingstler, als die Bewegung 1901 ihren Anfang nahm und Charles Parham seiner Bibelschülerin Agnes Ozman durch Händeauflegen den Heiligen Geist vermittelt haben will, die daraufhin anfing, in Zungen zu reden. Er war davon überzeugt, dass der Herr ihnen die Fähigkeit geben würde, in verschiedensten Sprachen zu den unterschiedlichsten Nationen sprechen zu können, ohne die Sprachen jemals gelernt zu haben.
Diese Überzeugung erwies sich natürlich als falsch. Zweifellos war es am Anfang des Christentums so, dass Gott durch seine Diener in verschiedenen Sprachen zu allen Völkern sprach, nachdem Er über Jahrhunderte in einer Sprache zu einem Volk, dem Volk Israel, gesprochen hatte. Gott hatte ja mit der Versammlung (Gemeinde) etwas Neues geschaffen; die messianisch-gläubigen Juden sollten dies ebenso verstehen wie die Tatsache, dass Nichtjuden nicht durch Proselytentum (d.h. Übertritt zum Judentum) in die Versammlung (Gemeinde) eingefügt würden. Die Gnade Gottes war erschienen, heilbringend für alle Menschen (Tit 2,11). Für Israel hingegen war dieser Umstand ein Gerichtszeichen, wie der Prophet Jesaja schon mitgeteilt hatte: „Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen zu diesem Volk reden, und auch so werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr" (zitiert in 1. Kor 14,21).
Ein weiterer Hinweis, dass die Gabe des Sprachenredens nach einer gewissen Zeit aufhören sollte, findet sich in 1. Korinther 13,8-10: „Seien es aber Weissagungen, sie werden weggetan werden; seien es Sprachen, sie werden aufhören; sei es Erkenntnis, sie wird weggetan werden. Denn wir erkennen stückweise, und wir weissagen stückweise; wenn aber das Vollkommene gekommen sein wird, so wird das, was stückweise ist, weggetan werden."
Weissagung und Erkenntnis werden bei der Entrückung weggetan werden. Dann wird das Vollkommene gekommen sein. Aber die Gabe des Sprachenredens wird von sich aus aufhören, d.h. in einem Prozess abklingen. Sie hatte ihren Sinn und ihre Berechtigung in der Anfangszeit der Versammlung (Gemeinde) und versiegte danach. Die Zeugnisse der sogenannten „Kirchenväter" des 3. und 4. Jahrhunderts wie Augustinus und Chrysosthomos belegen, was die Schrift ohnehin sagt.
Beachten wir auch, dass in den letzten Briefen des Neuen Testaments (Timotheus- und Johannesbriefe) von Sprachenreden keine Spur mehr zu finden ist.
Anstatt das Zungenreden im Licht der Schrift zu bewerten 2 und zu verwerfen, hat man heute vielfach die Deutung der Schrift verändert und sie dem eigenen Erleben unterworfen.
Auch wenn sich das heute praktizierte Zungenreden wesensmäßig nicht mit dem biblischen Sprachenreden deckt, muss im Einzelfall offen bleiben, wie viel davon (Selbst-)Suggestion, seelisch, hysterisch oder gar dämonisch ist. Biblisch ist es in keinem Fall.
Power-Evangelium
Beim sogenannten Power-Evangelium handelt es sich um die Überzeugung, dass die Verkündigung des Evangeliums begleitet werden muss durch die Wunder und Zeichen der apostolischen Zeit bzw. sogar durch darüber hinausgehende. Darum sprechen die Vertreter dieser Auffassung auch von „vollmächtiger Evangelisation" bzw. einem „vollen Evangelium". Populär wurde diese Auffassung vor allem in den 80er Jahren mit dem Aufkommen der sogenannten 3. Welle im Zuge der Pfingst- und Charismatischen Bewegung. Oftmals geht diese Sicht einher mit weiteren nicht schriftgemäßen Lehren wie der Erneuerung des Propheten- und Apostelamts, dem Wohlstands-Evangelium oder dem Missachten der biblischen Stellung der Frau.
Dabei spricht der Schreiber des Hebräerbriefs schon vor 70 n.Chr. von den Zeichen und Wundern, die mitzeugten, also in der Vergangenheitsform. In Athen predigte Paulus das Wort ohne Zeichen und Wunder (Apg 17,16-34), war es deshalb kein „volles" Evangelium?
Geht man überhaupt richtig in der Annahme, dass Zeichen und Wunder Menschen zum Glauben veranlassen? Als unser Herr über die Erde ging, heißt es: „Obwohl er aber so viele Zeichen vor ihnen getan hatte, glaubten sie nicht an ihn" (Joh 12,37). „So gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt die Glaubenden zu erretten" (1. Kor 1,21b). In der Begebenheit des armen Lazarus und des reichen Mannes wird uns das Zeugnis gegeben: „Wenn sie nicht auf Mose und die Propheten hören, werden sie auch nicht überzeugt werden, wenn jemand aus den Toten aufersteht" (Lk 16,31b).
Leider müssen wir davon ausgehen, dass vieles, was unter dem Begriff Power-Evangelium geschieht, in der Konsequenz „ein anderes Evangelium" ist. Einerseits darum, weil es den Blick wegwendet von der einfachen Botschaft des Kreuzes Christi, und andererseits, weil es den Menschen zu einer Fülle unbiblischer Lehren führt, die im Fahrwasser dieses „Evangeliums" verbreitet werden.
Fazit
Der Apostel Paulus schrieb den Korinthern einmal mit feiner Ironie: „Denn wenn der, der kommt, einen anderen Jesus predigt, den wir nicht gepredigt haben, oder ihr einen anderen Geist empfangt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so ertragt ihr es gut" (2. Kor 11,4). Und Timotheus gegenüber schilderte er eine Zeit, da sie „die Ohren von der Wahrheit abkehren, sich aber zu den Fabeln hinwenden" werden (2. Tim 4,4).
Darum dürfen wir nicht leichtgläubig sein, wenn uns etwas scheinbar „Geistliches" oder „Geistgewirktes" begegnet. Alles muss der Prüfung im Licht des Wortes Gottes standhalten. Jedes echte Handeln Gottes wird immer mit seinem Wort in Übereinstimmung sein. „Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind; denn viele falsche Propheten sind in die Welt ausgegangen." (1. Joh 4,1).
Im Neuen Testament gibt es eine Versammlung (Gemeinde), die uns als sehr vorbildlich vorgestellt wird: Philadelphia. In dem betreffenden Kapitel lesen wir nichts von Wunderheilungen, Zungenrede oder einem besonderen Evangelium. Das, was der Herr über dieser Versammlung (Gemeinde) zu sagen hat, ist sehr lobenswert und zugleich schlicht: „Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe eine geöffnete Tür vor dir gegeben, die niemand zu schließen vermag; denn du hast eine kleine Kraft, und du hast mein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet" (Off 3,8).
Wir sollten nicht über das Wort hinausgehen, um nach Erfahrungen und Erlebnissen zu streben, die nicht nach den Gedanken Gottes sind, sondern sein Wort bewahren und seinen Namen festhalten.
Fußnoten
- 1 Er hat also keine Sünde zum Tode begangen; dann soll nicht um Wiederherstellung gebetet werden (1. Joh 5,16).
- 2 Man denke nur an die Bedingungen, die für das Sprachenreden in der Versammlung (Gemeinde) gelten: immer mit Auslegung, maximal zwei oder drei Ansprachen und immer hintereinander, nicht durch Frauen (1. Kor 14,27.28.34).
Quelle: bibelpraxis.de/a2866.html