Die „Eventisierung“ des Glaubens

Lesezeit: 4 Min.

Eventisierung - dieses Wort entspringt übrigens nicht meiner eigenen Kreativ-Leistung. Amüsiert las ich von der „Eventisierung des Glaubens" in einem Leitartikel einer großen konservativen Tageszeitung, die den 32. Deutschen Evangelischen Kirchentag kommentierte. Nachdem ich im Jahr 2005 beeindruckt war, wie ein kirchliches Megatreffen noch immer Massen von Menschen faszinieren kann, fiel mir dieser Begriff natürlich sofort auf. Und da man langsam aber sicher den Eindruck gewinnt, dass es auch unter ernsthaften und entschiedenen jungen Christen ohne diese sogenannte „Events", besonders Mega-Events, nicht mehr geht, entstand dieser Artikel. Es ist überhaupt schon interessant, dass man sich dieses Begriffes „Event" bedient, der letztlich nichts anderes ist als eine Übersetzung von „Fest" oder „Veranstaltung". Aber Event klingt einfach spritziger ...

Trendkonferenzen

Inzwischen hat sich unter manchen jungen Leuten der Begriff von „Trendkonferenzen" eingebürgert. Das sind Bibelkonferenzen, die in den letzten Jahren deutlich an Teilnehmerzahlen zugenommen haben. Ich erinnere mich beispielsweise an eine Konferenz, die in den 90er Jahren nie von mehr als vielleicht 250-300 Geschwistern besucht wurde. Heute sitzen wir mit rund 1.000 Geschwistern eng zusammen, mit vielen jungen und älteren Christen. Das erfreut mich, natürlich verbunden mit der Hoffnung, dass die (jungen) Leute - neben sicher verständlichem Interesse am abendlichen Grillen und am Treffen mit Freunden - echtes Interesse an der Betrachtung des Wortes Gottes haben.

Andere Bibelkonferenzen gehen über mehrere Tage und ziehen noch mehr, vor allem junge Leute an. Das scheint ein gewisser gesellschaftlicher Trend zu Großveranstaltungen zu sein, der auch vor den Toren christlicher Veranstaltungen nicht Halt macht. Aber Großveranstaltungen sind nicht neu: Auch im Leben des Herrn Jesus finden wir solche Großveranstaltungen, einmal mit 5.000 Männern zuzüglich Frauen und Kinder. Ein anderes Mal waren es 4.000 Männer zuzüglich Frauen und Kinder (vgl. Mt 14,14-21; 15,32-39).

Herausforderung „Event"

Solche großen Veranstaltungen, aber auch die kleineren Events sowie Bibelfreizeiten, können jungen Leuten heute sicher Mut machen. Jeder einzelne kann erfahren, dass nicht er alleine dem Herrn Jesus nachfolgen möchte, sondern dass es noch viele andere gibt. Dort können auch gute Freundschaften entstehen, wenn man sich die „richtigen" Freunde sucht, die zu einem Leben in der entschiedenen Nachfolge hinter dem Herrn Jesus her motivieren.

Wichtig ist mir, dass sich das geistliche Leben nicht in solchen Events erschöpft. Solche Großkonferenzen und auch Bibelfreizeiten können flankierende Ermutigungen, zum Teil sogar mit bleibender Erinnerung für junge Christen sein. Das eigentliche Leben wird allerdings am Wohnort, in der Familie und in der örtlichen Versammlung (Gemeinde) geformt und geprägt. Manche junge Geschwister empfinden am eigenen Ort einen Mangel an geistlicher Nahrung und biblischen Vorbildern, vielleicht auch teilweise ein Übermaß an Ge- und Verboten. So atmen sie innerlich auf, wenn sie einmal auf Konferenzen gehen dürfen. Das kann man gut verstehen. In diesem Sinn sollten diese „Events" ein Ansporn sein, auch als jüngerer Christ seine Aufgabe am Ort wahrzunehmen, sei es als Bruder in den Zusammenkünften oder als junge Geschwister auch außerhalb.

Auf Großveranstaltungen kann man durch den Appell von Evangelisten, Hirten oder auch Lehrern besonders angesprochen werden und eine Veränderung in seinem Glaubensleben erfahren. Sicher wird auch immer wieder ermutigt, die „normalen" Zusammenkünfte zum Namen des Herrn Jesus hin nach Matthäus 18,20 zu besuchen, auch die „normalen" Bibelkonferenzen, wo vielleicht nicht so viele besonders begnadete Diener des Herrn anwesend sind und die Themen nicht auf junge Menschen zugespitzt werden, das Wesentliche aber geschieht: Man denkt gemeinsam über Gottes Wort nach. Wir sollten daher, bei allem Mangel und Versagen, die „Hausmannskost" am eigenen Ort nicht missachten.

Das persönliche Leben mit dem Herrn Jesus

Wichtig für die geistliche Entwicklung eines Gläubigen ist sein persönliches Leben mit dem Herrn Jesus. Dazu gehören die tägliche Andacht und das persönliche Gebet. (Wer schafft es heutzutage noch, mal eine Stunde konzentriert und andächtig eine Bibelauslegung zu lesen?) Dazu gehört der regelmäßige Besuch der Zusammenkünfte zum Gebet, zum Gedächtnismahl des Herrn und zur Wortverkündigung. Dazu gehört auch der Besuch der örtlichen Jugendstunde (Bibelstunde für junge Menschen), wenn es diese am Ort gibt, genauso wie das Pflegen von Freundschaften mit jungen, entschiedenen Christen (des gleichen Geschlechts). Wenn sich junge Brüder, die miteinander befreundet sind, regelmäßig über die normalen Zusammenkünfte hinaus treffen, um miteinander zu beten und die Bibel zu lesen, ist das sehr zu unterstützen. Auch junge Schwestern können das - im Rahmen der Schrift - praktizieren. Wenn sie einen älteren Bruder ihres Vertrauens dazu gewinnen können, ihnen zu helfen, ist das großartig.

Im Übrigen darf uns Gott die Augen ebenso öffnen für segensreiche Dienste, die zwar kein so großes Publikum haben, dafür aber mindestens so wichtig sind. Wer bereit ist, zum Beispiel auf einen Event zu verzichten, um die Großmutter oder einen alten Bruder am Ort zu pflegen oder eine junge Familie zu unterstützen, wird bestimmt sehr gesegnet sein. Wie sagte der Herr - und es ist das einzige Wort des Herrn, das wir nicht in den Evangelien finden: „Geben ist seliger als Nehmen" (Apg 20,35).

Mit anderen Worten: Wir brauchen nicht auf die Eventisierung des Glaubens zu starren, wiewohl auch solche Events zum Guten beitragen können. Der eingangs zitierte Artikel stand Events im Übrigen positiv gegenüber ... Aber nicht Events stützen unseren Glauben, sondern das tägliche und wöchentliche Leben mit dem Herrn Jesus. Dazu wollen wir einander von Herzen motivieren.

(aus: Folge mir nach - Heft 11/2010)

Beitrag teilen

Verwandte Artikel

Johnny Cash – ein genialer Musiker mit erstaunlichem Glauben Manuel Seibel Johnny Cash, ein bekannter wenn nicht "der" Country-Musiker überhaupt, ist tod. Es hat den Anschein, als ob er nicht einfach ein Mensch war, sondern ein Gläubiger, "the Man in black". Aus seinem Leben können wir manches lernen! Artikel lesen
Was eine Mars-Missionarin zum Glauben an Gott zu sagen hat Manuel Seibel Es hat mich schon beeindruckt, was die amerikanische Raumfahrtingenieurin Jennifer Trosper über Gott gesagt hat. Sie arbeitet seit 30 Jahren für die Nasa ... Und man hat es sie in einem Interview erstaunlicherweise auch antworten lassen. Wer ... Podcast anhören
In der Drangsal: Märtyrer oder Überlebende? Michael Hardt Wer sind die verschiedenen Gläubigen in der Drangsal? Zum Beispiel: Wer sind „die Seelen unter dem Altar" und wer „ihre Mitknechte" (Offb 6,9-11)? Und was hat es auf sich mit den beiden Menschenmengen, d.h. die 144.000 und die „große ... Video ansehen
Das Triumfeminat - Aufgaben für gläubige Frauen Manuel Seibel Die Evangelische Kirche Deutschlands wird inzwischen "nur" noch von Frauen regiert. Das ist schon erstaunlich, wenn man bedenkt, was Gottes Wort im Blick auf Frauen in der Versammlung (Gemeinde, Kirche) sagt. Dabei gibt es so viele Aufgaben, die ... Podcast anhören
Nur jeder Vierte glaubt, dass Gott in Christus Mensch wurde Manuel Seibel Ist es eigentlich wichtig, ob Jesus Christus Gott ist oder nicht? In der Tat, das ist grundlegend, entscheidend. Umso erstaunlicher, dass es selbst unter praktizierenden Christen nur eine Minderheit zu geben scheint, die daran glaubt ... Podcast anhören
Gläubiger Taxifahrer mit Bußgeldverfahren wegen eines Bibelverses auf dem Auto Manuel Seibel Es ist kaum zu glauben: Wenn Schüler die Schule "schwänzen" wegen "Fridays for Future", werden sie von der Regierung dafür gelobt. Wenn ein Taxifahrer nicht der Klimareligion frönt, sondern einen Bibevers (Joh 14,6) in äußerst schlichter Weise ... Podcast anhören