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Ein gleichberechtigendes Grundgesetz

Im Jahr 1949 wurde im Grundgesetz der Bundesrepublik die Gleichberechtigung von Mann und Frau verankert. Seit 1955 durften sich ledige weibliche Personen dann im amtlichen Verkehr „Frau“ anstelle von „Fräulein“ nennen lassen. Es scheint jedoch, dass es gerade das Gleichberechtigungsgesetz im Jahr 1958 war, das zu einem Katalysator der Emanzipationsbewegung wurde.

Das Wort „Emanzipation“ stammt von dem lateinischen „emancipare“ ab, was bedeutet: Entlassung des Sklaven oder des erwachsenen Sohnes aus dem „mancipium“, der Hand/Obhut des Besitzers bzw. des Elternhauses. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde jedoch aus dem Gewähren dieser Selbstständigkeit eine Aktion gesellschaftlicher und besonders politischer Selbstbefreiung. In diesem Sinn wird der Ausdruck Emanzipation heute gebraucht. Es ist das Erstreben und Erstreiten von Freiheit und Gleichheit.

Arten der Emanzipation

Es ist interessant, dass die Emanzipation, die heute vielleicht viele nur noch mit der Frauenbewegung identifizieren, ganz unterschiedliche Bereiche betraf. Zu nennen sind hier zumindest:

  1. Sklavenemanzipation: Sklaven wurde die Freiheit geschenkt. Wenn wir hierzu die Bibel aufschlagen, finden wir, dass weder Paulus noch Petrus diese Freiheit anordnen, wenn sie sich in ihren Briefen direkt an Sklaven oder auch an Herren wenden. Paulus weist beide Seiten vielmehr an, sich in ihrer jeweiligen Stellung christlich zu verhalten. Und doch deutet er in seinem Brief an Philemon an, dass es einen höheren Weg für einen Herren gibt: „Denn vielleicht ist er deswegen für eine Zeit von dir getrennt gewesen, damit du ihn für immer besitzen mögest, nicht länger als einen Sklaven, sondern – mehr als einen Sklaven – als einen geliebten Bruder, besonders für mich, wie viel mehr aber für dich, sowohl im Fleisch als auch im Herrn (Phlm 15.16). Die Freiheit eines Sklaven konnte dieser nicht selbst durchsetzen. Aber sie konnte ihm gewährt werden, und dann sollte er sie nutzen (vgl. 1. Kor 7,21).

  2. Jüdische Emanzipation: Vorkämpfer der jüdischen Emanzipation war der Philosoph Moses Mendelssohn (1729 – 1786) aus Dessau. Ihm war es ein Dorn im Auge, dass die Juden nicht in gleichberechtigter Weise an der gesellschaftlichen Macht teilhaben durften, sondern in vielerlei Hinsicht benachteiligt wurden – wir als Deutsche wissen, dass sie später sogar ausgerottet werden sollten. Die Bibel zeigt uns, dass die Juden eines Tages nicht nur an der Macht teilhaben werden, sondern im Zentrum der Macht stehen werden, aber natürlich anders, als von Mendelssohn gedacht: „Und Nationen wandeln zu deinem Licht hin, und Könige zum Glanz deines Aufgangs“ (Jes 60,3). Es wird für die Nationen entscheidend sein, wie sie zu den Juden stehen. Aus ihrer Mitte wird der Herr Jesus die Welt regieren.

  3. Frauenemanzipation: Das ist das Thema, was heute in aller Munde ist. Diese Gleichberechtigungsbewegung ist inzwischen im heutigen Feminismus aufgegangen und hat dazu geführt, dass manche Zeitschriften schon nachfragen, „was vom Mann noch übrig ist“. Dieses Thema wollen wir im Folgenden noch näher betrachten.

  4. Individuelle Emanzipation: Wenn sich schon einzelne „Teile“ der Gesellschaft wie die Frauen emanzipieren wollen, dann ist es begreiflich, dass sich jeder Einzelne ebenfalls die Rechte erkämpfen will, von denen er meint, sie stünden ihm persönlich zu. Hier geht es z.B. um Emanzipation vom Elternhaus, von elterlichen Normen und Zielvorstellungen. Schon wer sich als Kind nicht das nimmt, was er haben will, gilt als rückständig und als Versager. Wenn wir dagegen an den Herrn Jesus denken: Er, der Vollkommene, war seinen Eltern untertan – das ist das Gegenteil von Emanzipation (vgl. Lk 2,51). „Warum lasst ihr euch nicht lieber unrecht tun? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen?“ (1. Kor 6,7), so heißt es für den Umgang von Christen untereinander. „Widersteht nicht dem Bösen, sondern wer dich auf deine rechte Wange schlägt, dem halte auch die andere hin“ (Mt 5,39), sagt der Herr seinen Jüngern. Von Emanzipation lesen wir nichts.

  5. Männeremanzipation: Offenbar als Folge des Feminismus sehen sich inzwischen manche Männer benachteiligt, auch wenn dies einer objektiven Beurteilung wohl kaum standhält. Aber in bestimmten Bereichen (z. B. Fürsorgerecht für Kinder nach einer Scheidung) mag es solche Benachteiligungen geben, die Männer nicht akzeptieren wollen. In der Bibel lesen wir natürlich nicht, dass sich die Männer ihren Frauen unterordnen sollten, wohl aber, dass sich die Gläubigen einander unterordnen sollen (vgl. Eph 5,21) – das schließt alle Geschwister mit ein.

Kein Erstreiten eigener Rechte

Zusammenfassend lässt sich schon jetzt feststellen, dass die Bibel an keiner Stelle von dem Erstreiten eigener Rechte spricht. Diese können gewährt werden, wie es im Fall der Herren ihren Sklaven gegenüber war. Aber dann ist es nicht an dem untergeordneten Teil, sich Rechte einfach zu nehmen oder auch nur zu fordern.. Das widerspricht den biblischen Anordnungen.

Im zweiten Teil dieses Artikels möchte ich jedoch etwas näher auf die Frauenemanzipation eingehen, da diese die Kultur, in der wir leben und durch die auch Christen beeinflusst werden, geradezu prägt. Zunächst ist es sicher richtig, wenn Männer sich eingestehen, dass sie nicht unwesentlich Anteil daran haben, dass eine solche Bewegung Erfolg haben konnte. Damit meine ich nicht, dass es oft Männer sind, die ihre Frauen dazu ermutigen, selbstbewusst zu leben und sich in den Vordergrund zu stellen. Auch das mag zuweilen wahr sein. Ich meine jetzt aber andere Gründe:

Gründe aufseiten der Männer, warum Frauen sich emanzipieren

  • Männer haben ihre Frauen vielleicht manchmal nicht so behandelt, wie die Heilige Schrift es sagt: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch der Christus die Versammlung geliebt hat“ (Eph 5,25). Natürlich ist das ein Wort an gläubige Männer – keine Frage. Eine solche Haltung kann man nicht von Ungläubigen verlangen. Aber haben nicht auch wir als Ehemänner manchmal über unsere Frauen geherrscht, statt sie zu lieben?

  • Männer haben ihre Aufgaben vielleicht manchmal nicht oder nur sehr schwach wahrgenommen. Sind wir Männer solche Brüder, die in den örtlichen Zusammenkommen „männlich“ sind und zum Beispiel der Aufforderung zum Beten (vgl. 1. Tim 2,8) Folge leisten? Wir wollen uns gegenseitig ermutigen, unsere Verantwortung anzunehmen. Sind wir solche, die unseren Familien wohl vorstehen (vgl. 1. Tim 3,4.12), oder überlassen wir das unseren Frauen? Sind wir bereit, nötige Entscheidungen zu treffen, oder überlassen wir sie aus Gleichgültigkeit oder Trägheit allein unseren Frauen?

  • Männer sind von Gott dazu bestimmt, Haupt der Frau zu sein (vgl. 1. Kor 11,3), das heißt, Leitung zu übernehmen. Wie sieht es dann aus, wenn Frauen ihren Männern Fragen stellen? Sind wir Ehemänner in der Lage, eine Antwort aus der Schrift zu geben oder auch, sie gemeinsam mit unserer Ehefrau in Gottes Wort zu suchen (vgl. 1. Kor 14,35)?

Das sind nur drei Anlässe von vielen, wodurch sich manche gläubigen Frauen gedrängt fühlen mögenn, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und womöglich prägend in Gesellschaft und auch in der Versammlung Gottes tätig zu sein. Dafür gibt es manche Symptome. Ein Blick auf die Einstellungen und das Verhalten in der weltlichen Gesellschaft und auf Tendenzen bei uns Christen zeigt, dass wir uns oft gar nicht so sehr unterscheiden.

Die Historie der Frauenemanzipation – und ihre Gegenstücke unter Christen

  • 1961 kommt das Empfängnisverhütungsmittel, bekannt unter dem Namen „Pille“ auf den Markt. Mit der Einnahme dieses Mittels wird oft das Ziel verbunden, Kinder zu verhindern (der Eisprung und damit die Befruchtungsmöglichkeit soll verhindert werden), um nämlich ein selbstständiges, freies Leben führen zu können – dieses Motiv gilt im Übrigen nicht nur für die Einnahme der Pille. Manchmal ist es für eine Frau aus gesundheitlichen Gründen medizinisch notwendig (medizinische Indikation), die Pille zu nehmen. Das zeigt: Es kommt auf den Beweggrund an, warum eine Frau zu diesem Mittel greift (oder von ihrem Mann dazu gedrängt wird). Wir wollen einerseits die persönliche Verantwortung jedes Gläubigen vor dem Herrn achten, andererseits jedoch auch nicht den Auftrag Gottes an uns Menschen vergessen: „Seid fruchtbar und mehrt euch“ (vgl. 1. Mo 1,28; 9,1).

  • 1968 bewirft eine Aktivistin auf einer Konferenz des Studentenbundes den Vorstand mit Tomaten. Anschließend gründen sich zahlreiche autonome Frauengruppen. – Wahrscheinlich gibt es keine „autonome Frauengruppen“ im christlichen Bereich. Aber wo immer sich Frauen zusammenschließen und dabei den von Gott der Frau zugewiesenen Platz (vgl. 1. Kor 11; 1. Tim 2) verlassen, greifen sie den Geist der Emanzipation auf. Es gibt sicher manche nützlichen Treffen von Schwestern, wo sie zum Beispiel zusammen offen über bestimmte Punkte und Probleme in ihrem Leben beten können, was im Beisein von Brüdern nicht möglich ist. Man darf also nicht jedem Treffen von Schwestern unterstellen, sie würden sich emanzipieren. Aber sie sollten sich der Gefahr bewusst sein und die von der Bibel gesetzten Grenzen nicht überschreiten.

  • 1971 bekennen sich 374 Frauen in einer Wochenzeitschrift dazu, abgetrieben zu haben. Damit kommt es zum dauerhaften Kampf gegen den sogenannten Paragraphen 218, der Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellte. – Ein Schwangerschaftsabbruch ist nichts anderes als die Tötung von Ungeborenen. Daher ist es eigentlich nicht vorstellbar, dass gläubige Frauen einen solchen vornehmen. Dennoch gibt es leider auch das. Um einen solchen Schritt zu verhindern, nämlich ein ungeborenes Kind zu töten, gilt es, werdenden Müttern in schwierigen Lagen Hilfestellung und Zuspruch zu geben.

  • 1975 wird ein Buch der Feministin Alice Schwarzer zu einem Verkaufsschlager. – Ist nicht auch im christlichen Bereich manches Buch mit großem Erfolg gekrönt, das die Frau in eine Selbstständigkeit führt, die in der Schrift nicht zu finden ist? Natürlich sollen Frauen und Ehefrauen ein eigenständiges Leben mit dem Herrn Jesus führen. Aber sie sollen es, wenn sie verheiratet sind, nicht getrennt und unabhängig von ihren Männern tun. Die Vermännlichung vieler Frauen im Rahmen der Emanzipationswelle hat nicht nur äußere Erscheinungsformen, sondern hat ihre Wurzel oft im Inneren.

  • 70’er Jahre: Die Hose wird mehr und mehr modern für Frauen. Sie ist das äußere Signal, dass Frauen in Bezug auf Männer gleichberechtigt sein wollen. Genau genommen begann diese Entwicklung bereits in den 20’er Jahren1, als die kurzen Haare für Frauen („Bubikopf“) und das Tragen von Hosen bei Frauen ihren Anfang nahmen. Frauen wollten und sollten wie Männer sein. Zwar sind inzwischen 40 bzw. sogar 90 Jahre seit dieser Zeit vergangen, aber wir sollten nicht aus dem Auge verlieren, wo die Hose als Frauenkleidung ihre Wurzeln hat. Denn in vielen Bereichen – und die äußeren gehören eben auch dazu – sind die Unterschiede zwischen Mann und Frau derart verwischt worden, dass wir auch unter Christen beklagen müssen, dass die Schöpfungsordnung Gottes – „Mann und Frau schuf er sie“ – oftmals nicht mehr erkennbar ist.

  • 1977: Durch die Ehe- und Scheidungsrechtsreform wird das Leitbild der Hausfrauenehe offiziell aufgegeben. Denn nun sind Frauen in der Lage, auch unter Berücksichtigung sozialer Gegebenheiten eine Scheidung finanziell gut zu überstehen. – Ist es nicht auch unter Christen „normal“ geworden, dass Ehefrauen arbeiten, auch wenn sie ein Kind oder sogar mehrere zu Hause haben? Wir finden in der Bibel kein Verbot für Frauen, (außer Haus) berufstätig zu sein. Daher dürfen wir auch keine Gesetze aufstellen. Manchmal gibt es auch gewisse Zwänge, die wir nicht übersehen wollen. Dennoch wollen wir die Hinweise der Schrift als empfehlenswerten Weg für eine Mutter erkennen, die von Gott gegebene Aufgabe zu leisten, ihren Mann und ihre Kinder ganz praktisch zu lieben und zu versorgen (vgl. Tit 2,4.5).

  • 2005/2006: Zum ersten Mal hat Deutschland eine Bundeskanzlerin. Zudem tritt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Kraft. In Deutschland ist die mächtigste Person damit eine Frau – eine Bundespräsidentin wird womöglich in absehbarer Zeit folgen. Von der „Hauptschaft“ des Mannes (vgl. 1. Kor 11,3) ist nichts mehr zu sehen. Männer fügen sich in die Situation, dass Frauen das Sagen übernommen haben. In vielen Versammlungen (Gemeinden, Kirchen) gibt es längst Pastorinnen, Leiterinnen, Frauen als Bischöfe und Älteste. Der christliche Bereich passt sich nach einer „Schamfrist“ den Entwicklungen der säkularen Welt an.

  • 2007: Das neue Elterngeldgesetz führt die sogenannten Vätermonate ein. Natürlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass Väter auch ein paar Wochen Urlaub nehmen, um ihre gerade geborenen Kinder zu versorgen. Aber in dem Neuen Testament finden wir im Blick auf die Versorgung der Kinder eine eindeutige Anweisung an Mütter (vgl. Tit 2,4.5), nicht jedoch an Männer.

Und nun?

Wir können diese (gesellschaftlichen) Entwicklungen beklagen. Verändern werden wir sie nicht mehr. Was wir aber tun können, ist, in dem Bereich, in den der Herr Jesus uns persönlich gestellt hat, treu sein und seine Grundsätze verwirklichen. Wenn Du eine (junge) Frau bist, dann frage Dich, ob Du bereit sein willst, Dich unterzuordnen und auch in einer Ehe den unteren Weg zu gehen. Genau dann wirst Du reich gesegnet werden. Wenn Du ein junger Mann bist, dann frage Dich, ob Du bereit bist, Dich vom Herrn so heranbilden zu lassen, so dass Du (vielleicht später einmal) Deiner Verantwortung als Haupt gerecht sein kannst, ohne dabei über Deine (zukünftige) Frau herrschen zu wollen. Wenn Du diese Verantwortung übernimmst oder übernehmen willst, wird der Herr Dich reich segnen. Denn es gibt bis zum Kommen des Herrn einen Weg, Ihm zu gefallen.

(aus: Folge mir nach - Heft 11/2008)

Fußnoten

  • 1 Manche denken sogar an Frau George Sand (1804-1876), die Männerkleidung trug, um sich in ihr verschlossene Kreise einzuschleichen
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