Mt Matthäusevangelium (30)

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Die Geschichte der Magier

Dann beeindruckt uns die Geschichte der Magier. Wir lesen nicht, wie viele hier kamen. Manche Traditionen sprechen von drei bzw. 14 Männern. Gott ist dieser Punkt nicht so wichtig, als dass Er ihn uns mitteilen wollte. Diese Magier waren orientalische Sterkundige und Priester, die vermutlich einer hochgestellten Priesterkaste angehörten. Früher waren sie bei den Persern und Medern bekannt und bildeten dort den geheimen Rat des Königs. Sie beschäftigten sich mit Astrologie, Medizin und geheimer Naturkunde und waren zugleich oftmals als Priester bei den heidnischen Völkern tätig.

Wahrscheinlich sind die in Jeremia 39,3.13 genannten Fürsten des Königs von Babel solche Magier. Die im Buch Daniel genannten Weisen – Wahrsagepriester, Sterndeuter, Magier und Chaldäer (Dan 2,2.10.12) waren sicher Menschen dieser Art. Daniel wurde später über sie gestellt (Dan 2,48). Das zeigt, dass Weisheit und Religion in der damaligen Zeit eng miteinander verbunden waren (vgl. auch Jes 44,25; 47,9.12 ff.).

Dabei müssen wir nicht meinen, dass diese Männer einfach Experten der Astrologie waren, also einer der Esoterik zuzurechnenden anthropozentrisch-mythologischen Deutung der Stellung bestimmter Himmelskörper (insbesondere der Gestirne des Sonnensystems), die wir heute zum Beispiel in Horoskopen begegnen. Es handelt sich um Fachleute der Astronomie, welche die Gesetzmäßigkeit der Gestirne erforschten und in weitestem Sinn Wissenschaftler der damaligen Zeit waren.

Die Magier und Bileam

Die Magier lassen eine gewisse Parallele zum Alten Testament erkennen. Bileam war ein Prophet (2. Pet 2,16). Aber zugleich war er ein Wahrsager (4. Mo 24,1) – ja er war ein Ungläubiger, wie wir aus den drei Stellen wissen, die im Neuen Testament über ihn sprechen. Wie die Magier aus dem Morgenland, also dem Osten, verband er das Wahre mit der Wahrsagerei.

Aber diese Parallele ist nicht die einzige. Denn in Bileams vierter Weissagung, die er aus freien Stücken und nicht beauftragt durch den moabitischen König Barak ausspricht, sagt er: „Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich schaue ihn, aber nicht nahe; ein Stern tritt hervor aus Jakob, und ein Zepter erhebt sich aus Israel und zerschlägt die Seiten Moabs und zerschmettert alle Söhne des Getümmels ...“ (4. Mo 24,17).

Dieser Prophet, der in Mesopotamien lebte (am Euphrat, 4. Mo 22,5), bekam durch Gott eine Weissagung darüber, was viele Hundert Jahre später stattfinden würde. Ein Stern – ein prophetischer Hinweis auf den Herrn Jesus, würde hervortreten und eine universelle Königsherrschaft antreten. Anscheinend hat sich diese Weissagung unter den Weisen gehalten und wurde von Generation zu Generation weitergegeben – so dass auch die Magier aus dem Morgenland davon wussten.

Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass die Weissagungen Daniels, die dieser in Babel bzw. im medo-persischen Reich ausgesprochen hatte, im Orient gänzlich unbekannt waren. Daniel 9,23–27 enthält zudem außerordentlich genaue Vorhersagen über die Zukunft, die auch den Namen und das Auftreten bzw. Verwerfen des Messias konkret enthält (Verse 25.26). Ob sich die Magier damit beschäftigt hatten, im Unterschied zu den Juden in Israel?

Die Kenntnis dieser Weisen mag auch damit zusammenhängen, dass der Tempel in Jerusalem und die Macht des Volkes Israel unter Königen wie David und Salomo weithin bekannt war und auch in den Jahrhunderten danach noch Erwähnung fand – nicht zuletzt durch Proselyten (Heiden, die Juden geworden sind) und durch gottesfürchtige Heiden, die nach Jerusalem zu den Festen kamen (vgl. Joh 12,20; Apg 8,27).

Wenn Steine schreien

Jedenfalls hatten diese Männer sich nicht gescheut, eine solch lange Reise zu unternehmen, um zu demjenigen zu kommen, dessen Stern sie im Morgenland gesehen hatten. Man kann wohl kaum erklären, warum sie diesen Messias erwartet haben. Offensichtlich handelte es sich um wirklich gottesfürchtige Männer, die nicht nur die Bedeutung dieses Sternes kannten, sondern die selbst auf die Ankunft des Messias mit Spannung gewartet hatten.

Wenn man das Verhalten des Volkes, zu dem der Messias gekommen war, und das der Heiden aus dem Osten miteinander vergleicht, muss man unwillkürlich an die Worte von Johannes dem Täufer denken: „Ich sage euch, dass Gott dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken vermag“ (Mt 3,9). Wenn diejenigen, zu denen der Herr gekommen war, in tiefem geistlichen Schlaf lagen und nicht bereit waren, sich vor Ihm niederzuwerfen, dann konnte Gott wahre Kinder Abrahams hervorbringen. Das wären dann Heiden, solche, die von Juden als tote „Steine“ angesehen wurden. „Ich sage euch, wenn diese schweigen, so werden die Steine schreien“ (Lk 19,40), musste der Herr Jesus später zu den Pharisäern sagen.

Genau das geschah hier. Die Führer des Volkes Israel versagten dem Messias ihre Huldigung – doch nicht nur das; wir werden sehen, das Gegenteil taten sie. Aber dann bewirkte Gott, dass Menschen aus götzendienerischen und heidnischen Gegenden kamen, um sich vor dem „König der Juden“ – dem Titel des Herrn später am Kreuz! – niederzuwerfen, vor demjenigen, dem das Volk Israel später Steine nachwerfen würde. Die Magier sind es, die Ihm ihre Huldigung darbringen wollen. Sie erwarteten den Stern; sie wussten, dass das, was Gott gesagt hatte, wahr ist. Als der Stern in wunderbarer Weise erschienen war, hatten sie sofort erkannt, dass hier derjenige geboren worden war, der das Siegel Gottes selbst besaß. Sie hatten mehr Glauben als die Führer Israels; ihr Herz war auf den kommenden König Israels gerichtet.

Dabei fällt auf, dass sie das geborene kleine Kind schon sofort „König der Juden“ nennen. Normalerweise wird niemand als König geboren. Ein Baby mag in seinem Leben von Geburt an einen Anspruch auf den Thron haben – aber es wird als Prinz geboren. Dann, wenn der Vater stirbt oder (freiwillig) zurücktritt, um dem Thronfolger Platz zu machen, wird aus dem Prinzen der König. Bei Christus war das anders. Er hatte nicht nur den Anspruch auf den Thron, um ihn später zu besteigen. Er war von Anfang an der König! Jedenfalls in den Augen Gottes – und in den Augen dieser scheinbar fremden Heiden. Sie waren Gott näher, als die Führer des Volkes es je geworden sind! Sie erkannten in diesem Neu-Geborenen denjenigen, von dem die Schrift sagt: „König der Könige und Herr der Herren“ (Off 19,16).

Unkenntnis über die Geburt des Königs

Man kann davon ausgehen, dass diese Magier erstaunt waren, in Jerusalem keine große Kenntnis von der Geburt dieses Königs vorzufinden. Sie hatten diese lange und aufwändige Reise hinter sich gebracht haben, um in Jerusalem – hier vermuteten sie in der Hauptstadt das „Königsbett“ – den König anzubeten. Berechtigerweise erwarteten sie, den König in einer für ihn angemessenen prächtigen Stätte anzutreffen. Aber nichts fanden sie – nicht einmal der König des Landes, Herodes, wusste darum.

Geht es nicht, um eine Anwendung zu machen, auch heute vielen Menschen so? Da kommen Moslems nach Europa, um das Christentum kennen zu lernen. Und was treffen sie an? Niemanden, der sich wirklich für die biblische Botschaft und die christliche Wahrheit interessiert. Im Gegenteil! abschreckende Gottlosigkeit finden sie vor. Würden sie bei uns erkennen, was wahres Christentum ausmacht? Die Magier ließen sich aber davon nicht beeindrucken und zurückschicken. Sie fragen nach und werden ihr Ziel erreichen!

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