Bist du gewachsen, Kind?

Lesezeit: 2 Min.

In meines Vaters Werkstatt, da weiß ich eine Tür,
die hab’ ich oft betrachtet mit stummer Andacht schier.
Da waren stufenweise von meines Vaters Hand,
viel Strich - und Namenszeichen, kein Fremder sie verstand.

Und hatten in der Werkstatt wir Kinder uns verirrt,
dann haben wir gar eifrig die Zeichen durchstudiert.
Hier konnt‘ man deutlich sehen, wie viel in einem Jahr
ein jedes Kind gewachsen, - wie wichtig das uns war.

Dann haben wir uns heimlich gemessen - das war schön,
genau wie wir’s vom Vater einst haben gern gesehn.
In hellem Jubel brachten der Mutter wir geschwind,
als dann die frohe Kunde, dass wir gewachsen sind.

Doch einst, als ich voll Freude der Mutter hab’s erzählt,
dass mir zur rechten Größe nur wenig es noch fehlt,
da lächelt sie so eigen; nun sage mir geschwind:
“An deinem innern Menschen, bist du gewachsen, Kind?“

An Alter nehmen alle wir zu von Tag zu Tag,
dass flüchtig unser Leben, sagt jeder Glockenschlag.
Doch gilt’s die Zeit zu nutzen, denn es ist Gnadenzeit.
Kurz ist das Erdenleben und lang die Ewigkeit.

Auch du bist eingepflanzt in deines Vaters Reich,
da sollst du Früchte bringen für’s sel’ge Himmelreich.
Und jeden Abend richtet der Heiland ernst und lind
an dich die ernste Frage: Bist du gewachsen, Kind?

Ich habe ganz andächtig der Mutter zugehört
und habe nie vergessen, was sie mich hat gelehrt.
Hat sie manch gutes Wort auch gesprochen in den Wind,
eins hab ich nie vergessen: „Bist du gewachsen, Kind?“

Als ich dann groß geworden, da zog’s mich weit hinaus,
und erst nach Jahren kam ich zurück ins Elternhaus.
Und abends, als die andern schon längst zur Ruhe sind,
fragt mich die Mutter leise: „Bist du gewachsen, Kind?

Der Boden deines Herzens, ist er ein gutes Feld?
Die Saat, die einst gesäet, sag, ist sie wohl bestellt?
Bringt sie nicht taube Ähren? Ach Spreu verweht der Wind,
in deinem Glaubensleben, bist du gewachsen, Kind?“

Das heilige Vermächtnis, o teures Mutterherz,
du sollst mich stets begleiten, mein ganzes Leben fort!
Und will ich träge werden, bring mich zurecht geschwind,
der Mutter ernste Frage: „Bist du gewachsen, Kind?“

Doch weil ich arm und schwach noch bin, drum fleh ich Herr zu Dir:
gib Du zum steten Wachstum doch deinen Segen mir!
Lass mich am innern Menschen, erstarken mehr und mehr,
lass gute Frucht mich bringen, zu Deines Namens Ehr!

Und wenn ich einst die Mutter bei Dir, Herr, wieder find,
dann mög’ sie mir bezeugen: „Du bist gewachsen, Kind!“

Beitrag teilen
Stichwörter

Verwandte Artikel

Hausfrau = Entwertung? Manuel Seibel Immer wieder kann man lesen, dass es furchtbar für eine (gläubige) Frau sein muss, sich der Hausarbeit hinzugeben. Was für eine Degradierung! Und was mag Gott dazu sagen? Und was sagen wir, die wir Ehemänner sind? Podcast anhören
Mose, Johannes der Täufer, Paulus – Christus (6): Begräbnis Manuel Seibel Mose, Johannes, Paulus und über und vor allem Christus sind die größten Glaubensmänner, die wir in Gottes Wort finden. Natürlich könnte man noch Abraham und andere nennen. Interessant ist bei denen, die wir vor uns haben, eine Übereinstimmung ... Artikel lesen
Kindererziehung Michael Hopp Wer Kinder hat, weiß, wie herausfordernd diese Aufgabe ist. Und wer erwachsene Kinder hat, erst recht. Gottes Wort gibt uns auch zu diesem Thema wichtige Impulse. Artikel lesen
Vergewaltigung: Nein – aber Kindesmissbrauch: Ja? Manuel Seibel Der Bundestag hat eine Verschärfung im Blick auf Vergewaltigungen (besonders von Frauen) beschlossen. Mit Recht heißt „nein“ auch nein. Nur Kinder scheinen der Politik egal zu sein. Das, was sie in Schulbüchern und im Unterricht mit Absicht ... Artikel lesen
Das Ende der traditionellen Familie - einige Gedankenimpulse Manuel Seibel Familienmodelle explodieren. Heute gibt es Möglichkeiten, die man früher für unmöglich gehalten hätte. Dabei hat der Herr schon gesagt, dass das Ursprungsmodell das allein wahre ist. Auch wir Gläubige müssen damit rechnen, dass aktuelle ... Podcast anhören
Und trotzdem bin ich eine gute Mutter!? Manuel Seibel Mütter haben es schwer! Wie vielen verschiedenen, fast gegensätzlichen Anforderungen müssen sie gerecht werden. Jetzt las ich eine Kolumne über eine Frau und Mutter, die beruflich äußerst erfolgreich war. Dazu fuhr sie von Montag bis ... Podcast anhören