Unterschiedlich und doch eins
Ein erstaunlicher Wesenszug der kleinen Gruppe der Nachfolger des Herrn war ihre ursprüngliche Verschiedenartigkeit, in welcher sie berufen worden waren, und die darauffolgende Harmonie in der Jüngerschaft. Unter den Zwölfen zum Beispiel waren Andreas und Petrus Fischer, Matthäus einer aus der verabscheuten Klasse der Steuereinnehmer, Johannes und Jakobus die Söhne des Donners, und Simon der fanatische Eiferer. Aber als sie Nachfolger Christi wurden, waren diese Männer von so verschiedenartigen Neigungen eins im Herzen, um dem Herrn Liebe, Ehre und hingebenden Dienst zu erweisen, während sie Ihm miteinander auf dem Wege durch Galiläa und Samaria und Judäa nachfolgten.
Die Schar der Nachfolger des Herrn war klein, selbst wenn zu der Gruppe der zwölf Apostel noch jene Jünger hinzugezählt werden, die ihr Anhangen an Ihn nur bezeugten, wenn Er ihren Ort besuchte. Aber nach Pfingsten wurde das eine Herz und der eine Weg, die der Herr durch Seinen Dienst in Israel gebildet hatte, deutlicher sichtbar.
Tatsache war, dass dieser große Wechsel zu einer einmütigen Jüngerschaft, getrennt von den Juden, nach dem Tode des Herrn eintrat. Der wahre Zweck seines Todes war der, dass der Herr die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte (Johannes 11,51.52). ...
Es gibt den einen, christlichen Weg
Zudem hatte die Lebensweise dieser Gläubigen einen neuen Charakter, der sich von dem des gesetzlichen Juden und dem des ausschweifenden Griechen so deutlich unterschied, dass das Christentum unter jenen Menschen als „der Weg“ bekannt wurde. Dieser einfache Ausdruck fasst den Glauben, den Gottesdienst und die Lebensweise zusammen, die bei den Jüngern in Jerusalem und später auch in Rom, Ephesus, Athen, Korinth und an allen anderen Orten wahrgenommen wurden. Die Gläubigen waren ein Herz; sie wandelten Schulter an Schulter auf einem Wege und waren dabei für ihren abwesenden Herrn ein mächtiges Zeugnis unter den Menschen.
Die Feinde Christi erkannten in denen, die zum „Weg“ gehörten, solche, die „mit Jesu gewesen waren“ (Apg 4,13), und der neue Name, der ihnen gegeben wurde, war angemessen; denn hatte der Herr nicht zu den Seinigen gesagt: „Ich bin der Weg“ (Joh. 14,6)? Jedenfalls fiel dieser Weg der Gemeinschaft mit Gott und untereinander, dieser Weg des Gehorsams gegenüber Christo, der sich kundgab, obgleich die sichtbare Gegenwart Christi als Führer auf dem Wege fehlte, jedem Betrachter auf.
Ein Weg, ein Sinn, ein Herz
Wegen der Einmütigkeit im Ziel und in der gottesdienstlichen Praxis, die unter den Gläubigen der ersten Tage herrschte, rief dieser Weg überall Widerspruch und Verfolgung hervor. Saulus von Tarsus verfolgte die Menschen, die des Weges waren, in Jerusalem und bis nach Damaskus hin (Apg. 9,2). Felix, der römische Landpfleger, hatte eine genauere Kenntnis des Weges (Apg. 24,22); und Aquila und Priscilla legten Apollos die Einzelheiten dieses Weges genauer aus (Apg. 18,25.26).
Für die Gläubigen, die auf dem einen Wege vorangingen, war es wichtig, dass sie sowohl einen Sinn als auch ein Herz hatten; und der Dienst des Geistes in der Kirche, durch Wort und Schrift, war das Mittel, durch das diese vereinte Front hervorgerufen und gehalten wurde.
Der Grundsatz des einen Herzens im Innern und des einen Weges nach außen hin wird im Neuen Testament als der Wille Gottes für seine Versammlung, den Leib Christi, bezeichnet. ... Inwieweit kann von uns gesagt werden, dass wir mit einem Herzen und auf einem Wege miteinander wandeln?
Sich fügen ist keine wirkliche Darstellung der Einheit
Lasst uns daran denken, dass ein bloßes stillschweigendes sich Fügen, z.B. in gewisse Versammlungsbeschlüsse, noch nicht die richtige Darstellung der Einheit des Herzens und der Einheit des Wandels ist, welche der Herr durch Vorschrift und Beispiel bei den Heiligen erreichen möchte.
Ausharren im Bewahren der Einheit des Geistes, ohne die sittlichen Eigenschaften zu haben, die zur himmlischen Berufung gehören (Eph. 4,1-3), ist nur eine leblose Formsache. Die Einheit des Weges bewahren zu wollen, solange das Herz das Interesse daran und die Initiative dafür verloren hat, ist eine nutzlose Anstrengung.
Was nützt es, den Anspruch zu erheben, auf dem richtigen Wege zu sein, wenn das Herz dürr und unfruchtbar und für die einigende Wirksamkeit des Geistes verschlossen ist? Korporative Verständigung hat in den Augen des Hauptes der Versammlung wenig Wert, wenn Er dabei das Fehlen von Sanftmut und Demut, von Langmut, von gegenseitigem Ertragen in Liebe feststellen muss (Eph. 4,2).
Diese passiven Tugenden sind überaus wichtig für die, welche das Joch Christi tragen, sanftmütig und demütig sein sollen. Sie bilden die Grundlage für die herzliche Einheit des Geistes in der Versammlung. Der Apostel wünschte den Philippern, dass sie einerlei gesinnt sein möchten, dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes (Phil. 2,2). Waren diese Zustände bei ihnen vorhanden, so zeigte sich bei ihnen die Gesinnung Christi; so war die Versammlung in Philippi ein Herz, ihre Füße hielten Schritt miteinander und sie konnten so auf dem einen Wege wandeln.
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Mit freundlicher Genehmigung des Beröa Verlages
Halte Fest Jahrgang 1970 - Seite: 188
Quelle: bibelpraxis.de/a1201.html