Das Netz und die Fische

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Das erste Wort „Wiederum“ drückt zusätzlich den Zusammenhang mit den beiden vorhergehenden Gleichnissen aus („Schatz im Acker“, „kostbare Perle“). Das Gleichnis vom „Netz und den Fischen“, mit dem wir uns jetzt beschäftigen wollen, ähnelt in Aufbau und Sprache stark dem Gleichnis vom „Unkraut im Acker“, dem ersten dieser sechs Gleichnisse. In beiden Gleichnissen ist von Guten und Bösen die Rede, und in beiden fuhrt der Herr in Seiner Erklärung die „Vollendung des Zeitalters“ mit dem damit verbundenen Gericht ein.

In gewisser Hinsicht bereitet die Deutung des sechsten (in der Gesamtzählung: des siebten) Gleichnisses die meisten Schwierigkeiten. So verwundert es nicht, daß es die verschiedensten Auslegungen darüber gibt. Viele Ausleger verschieben die Handlungen, die im Gleichnis geschildert werden, in die Zeit nach der Entrückung und sehen zum Beispiel in den „guten Fischen“ ein Bild der Nationen, die zur Zeit des Endes in das Reich eingeführt werden (Off 7,9ff). Doch wie beim „Schatz im „Acker“ bemerkt, gehört das Hereinbringen der Nationen in das Friedensreich des Herrn nicht zu den „Geheimnissen“ des Neuen Testaments, nicht zu Wahrheiten also, die im Alten Testament verborgen waren. Die Hauptschwierigkeit scheint nun darin zu liegen, daß man nicht den Unterschied zwischen dem Gleichnis selbst und der vom Herrn zugefügten Erklärung erkennt. Wenn man nicht versteht, daß der Herr in der Erklärung Seiner Bilder jedes Mal weit über das hinausgeht, was Er im Gleichnis selbst gesagt hat, wird man den Schlüssel zur rechten Deutung kaum finden. Auch beim Gleichnis vom „Unkraut im Acker“ hatten wir gesehen, daß das Gleichnis eine andere Szene beschreibt als die Erklärung. Das ist auch bei diesem Gleichnis so.

„Wiederum ist das Reich der Himmel gleich einem Netz, das ins Meer geworfen wurde und Fische von jeder Gattung zusammenbrachte, das sie, als es voll war, ans Ufer heraufzogen; und sie setzten sich nieder und lasen die guten in Gefäße zusammen, aber die schlechten warfen sie hinaus. So wird es in der Vollendung des Zeitalters sein: die Engel werden ausgehen und die Bösen aus der Mitte der Gerechten aussondern und , sie in den Feuerofen werfen: dort wird das Weinen und das Zähneknirschen sein" (Mt 13,47-50).

Betrachten wir also zuerst das Gleichnis selbst (Verse 47-48) und dann die Erklärung, die der Herr anfügt (Verse 49.50). Das eigentliche Bild könnten wir mit „Was die Fischer tun" umschreiben, die Erklärung des Herrn dagegen mit „Was die Engel tun".

Was die Fischer tun

Im Gleichnis lassen nun Fischer ein großes Schleppnetz (das Wort kommt nur hier im Neuen Testament vor) ins Meer hinab und ziehen es, zwischen zwei Booten gespannt, langsam durchs Wasser. Dabei füllt es sich nach und nach mit den verschiedensten Fischen, es bringt „von jeder Gattung" zusammen.

Das Fangen der Fische

Hierbei fällt uns zunächst einmal auf, daß Fischer am Werk sind, nicht ein „Mensch“, also nicht der Sohn des Menschen selbst. Offenbar haben wir hier unter den „Fischern“ Diener des Herrn zu verstehen, die das Netz des Evangeliums ins Völkermeer hinablassen (vgl. Off 17,15), um Seelen für den Herrn zu gewinnen. Es handelt sich dabei um eine Tätigkeit, die für die Zeit des Reiches der Himmel typisch ist und die auch wir keinesfalls aus dem Auge verlieren dürfen. Der Auftrag des Auferstandenen an Seine Jünger lautete ja: „Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung" (Mk 16,15).

Der Heilige Geist, der nach vollbrachtem Erlösungswerk auf sie kommen würde, würde ihnen die Kraft dazu verleihen, „und ihr werdet meine Zeugen sein", hatte Er gesagt, „sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde" (Apg 1,8).

Sind wir uns dieses Auftrags und seiner Wichtigkeit bewußt? Wie könnte übrigens der Ratschluß Gottes im Blick auf den „Schatz im Acker“ und die „sehr kostbare Perle“ praktisch in Erfüllung gehen, wenn nicht die „Fische“ aus dem Meer dieser Welt tatsächlich herausgeholt werden?

Der Herr hat durch Sein Sterben und Auferstehen die Grundlage dafür gelegt, aber dieses Werk obliegt den „Fischern“. Es ist eine gesegnete, eine große Aufgabe. Als „Menschenfischer" „Menschen zu fangen" - könnte es in dieser Zeit eine gesegnetere Arbeit geben? Nicht nur denen, die von Beruf Fischer waren (Mk 1, 16; Lk 5,10), hat Er sie anvertraut.

Wenn nun das „Netz“ von jeder Gattung zusammenbringt, so macht das einerseits deutlich, daß wir hier das (unvollkommene) Werk des Menschen vor uns haben. Andererseits erkennen wir aber auch, daß sich die gute Botschaft nicht nur an eine besondere Klasse von Menschen richtet, sondern an alle Menschen, gleich welcher Rasse oder welchen sozialen Standes. Wir hatten denselben Gedanken schon im Gleichnis vom „Sämann“ vor uns. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß die eine oder andere Gattung oder Nation ausgeschlossen bliebe. Das also ist das Ergebnis der Predigt des Evangeliums: „Fische“ von jeder Art werden zusammengebracht.

Jedoch werden nicht alle Fische des Meeres in das Netz gesammelt. Das ist ganz in Übereinstimmung mit den Worten des Jakobus in Apostelgeschichte 15: „Simon hat erzählt, wie zuerst Gott daraufgesehen hat, aus den Nationen ein Volk zu nehmen für seinen Namen" (Vers 14). Eine Errettung aller Menschen wird es nach der Schrift ebensowenig geben wie eine universale Christianisierung der Welt. Wohl ist es der Wille Gottes, daß alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1. Tim 2,4). Und keiner von denen, die einmal in der Hölle sein werden, wird Gott vorwerfen können, er selbst hätte zwar errettet werden wollen, wäre dazu jedoch von Gott nicht auserwählt gewesen. Doch das Ergebnis der Predigt des Evangeliums ist, daß eine begrenzte Menge von Fischen ins Netz geht, während die übrigen im Meer bleiben.

Auch wird nicht von einem wiederholten Fischfang gesprochen. Vielmehr wird das ganze Werk, das sich während der Gnadenzeit über viele Jahrhunderte erstreckt, in diesem einen Vorgang zusammengefaßt.

Das Sortieren der Fische

Aber dann verlagert sich die Tätigkeit der Fischer, und es rückt offensichtlich das Ende der Periode, eine Zeit der Krisis, ins Blickfeld: „... das sie, als es voll war, ans Ufer heraufzogen." Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, daß der Herr mit den Worten „als es voll war" auf die letzten Tage der Gnadenzeit anspielt. Bereits vor dem Tod des letzten der Apostel war die „letzte Stunde" angebrochen. Daß viele Antichristen geworden waren, war dem Apostel Johannes Beweis genug, daß es schon damals die letzte Stunde war (1. Joh 2,18). Darüber hinaus spricht der Apostel Paulus von „letzten Tagen" und charakterisiert sie als „schwere Zeiten" (2.Tim 3,1). In dieser Zeit haben es die Fischer in noch anderer Weise mit den Fischen zu tun als zuvor. Sie finden nämlich in ihrem Netz neben guten auch schlechte Fische. Und im Gegensatz zum Gleichnis vom „Unkraut im Acker“, wo das Unkraut zusammen mit dem Weizen bis zur Ernte heranreifen sollte, sind hier die Fischer mit der Trennung der guten Fische von den schlechten beschäftigt.

Das allein ist schon höchst bemerkenswert. Macht es doch deutlich, daß der Zustand der Vermengung von Gut und Böse nicht im Sinn des Herrn ist. Wohl duldet Er ihn, wie wir gesehen haben, aber er ist nicht nach Seinem Sinn. Um das klarzumachen, war dieses Gleichnis nötig. Doch sagt es der Herr nur Seinen Jüngern drinnen im „Haus“. Nur ihnen offenbart Er Seine eigentlichen Absichten. Das Netz brachte zwar Fische von jeder Art zusammen, gute und schlechte (wertlose), wie sich auch viele zum Christentum bekennen und es echte und unechte Bekenner gibt. Doch der Herr will eine Scheidung zwischen ihnen erreichen, schon hier auf der Erde. Und so sehen wir hier die Fischer mit Einsicht handeln. Sie haben Verständnis darüber, was gute und was schlechte Fische sind, und sie handeln dementsprechend: Sie trennen sie voneinander.

Unwillkürlich wird man an die Begebenheit in Apostelgeschichte 19 erinnert. Als einige Juden von dem christlichen Weg übel redeten und nicht glaubten, trennte sich Paulus von ihnen und sonderte die Jünger ab (Vers 9). Die Absonderung vom Bösen ist ein wesentlicher Grundsatz des Neuen Testaments, ja, der ganzen Heiligen Schrift (vgl. 2. Mo 33,7; i.Thes 5,22; 2.Tim 2,19; Heb 13,13; Off 18,4). Wenn wir in Tagen des Verfalls und der Vermischung die Gemeinschaft des Herrn genießen wollen, müssen wir uns vom Bösen und seinen Trägern „wegreinigen" (2. Tim 2,21). Niemals wird sich ja der Herr mit Bösem einsmachen. Auf unserer Seite bedarf es jedoch „geübter Sinne", um sowohl das Gute als auch das Böse erkennen und beides voneinander unterscheiden zu können (Heb 5,14).

Das Zusammenlesen der guten Fische

Doch nun kommt noch ein weiterer Punkt hinzu. Die Fischer hatten ihr Netz ausgeworfen, um gute Fische zu fangen. Ihnen galt ihr Interesse. Aber ihr Netz umschloß auch schlechte. Und so setzen sie sich, als es voll ist, hin (ein Bild der Sorgfalt) und lesen die guten in Gefäße zusammen, während sie die schlechten aus dem Netz entfernen, sie wegwerfen und sie draußen liegen lassen. Sie sind mit den guten beschäftigt, nicht mit den schlechten. Da gewöhnlich die Gefäße das Eigentum dessen sind, dem auch das Netz gehört, wirft diese Handlung ein besonderes Licht auf das Wirken des Herrn in den letzten Tagen.

Er möchte die Seinen nicht nur von aller Art des Bösen getrennt sehen, sondern will auch, daß sie in „Gefäße", in örtliche Gemeinschaften, zusammengebracht werden. Dazu benutzt Er Seine Knechte, die Er mit geistlicher Einsicht und Kraft ausgerüstet hat.

Ist der Gedanke des Sammeins in Gefäße nicht beglückend? Die Christenheit mag sich mehr und mehr von allen christlichen Werten lösen und von Gott und Seiner Ordnung entfernen; sie mag sich immer rascher auf den endgültigen Kollaps, den vollständigen Abfall von Gott, zubewegen.

Doch ehe das Gericht sie ereilt, sind Knechte Christi am Werk. Als Werkzeuge in Seiner Hand führen sie die Gläubigen in örtliche Versammlungen zusammen, wie es Seinen Gedanken entspricht. Wenn wir hier auch nur eine Andeutung davon haben, so wird doch die Lehre über die Versammlung in ihrem allgemeinen und ihrem örtlichen Charakter später im Neuen Testament voll entwickelt, besonders im ersten Brief an die Korinther.

Nun, die „Gefäße" gehören dem Herrn, und dort finden Seine Heiligen denn auch Schutz und Segen. Harmoniert das Gleichnis vom „treuen und bösen Knecht“ in Matthäus 24 nicht auf liebliche Weise mit dem, was die „Fischer“ hier tun? Der Herr hat ein „Gesinde“, und Er ist besorgt für die, die zu Seinem Haushalt gehören. Deswegen hatte Er den Knecht über Sein Gesinde gesetzt, damit er ihnen während Seiner Abwesenheit die rechte Nahrung zur rechten Zeit gäbe. So sehr schätzt Er diesen (christlichen) Dienst, daß Er sagt: „Glückselig jener Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, damit beschäftigt finden wird!" (Verse 45.46). Es ist hier nicht die Verkündigung des Evangeliums, sondern die Beschäftigung mit denen, die drinnen sind - Dienst im wahren, christlichen Sinn. In dem eben genannten Gleichnis finden wir übrigens ebensowenig wie in unserem einen Wechsel der Personen. Der Knecht, den der Herr über Sein Gesinde gesetzt hatte, ist derselbe, der auch das Kommen seines Herrn erlebte. Auch beim Gleichnis von den „zehn Jungfrauen“ ist es so. Die Jungfrauen, die zu Anfang ausgegangen waren, sind dieselben, die, als der Bräutigam kam, mit ihm zur Hochzeit eingingen. So auch hier. Die Fischer, die das Netz durchs Meer gezogen hatten, sind dieselben, die, als es voll war, die guten Fische in die Gefalle sammelten. Was wir daraus lernen können? Daß die Schrift keine großen Zeiträume bis zur Wiederkunft Christi für die Seinen voraussetzt. Er kommt bald! Warten wir deshalb täglich auf Ihn!

Und auch dieser Gegensatz zum Gleichnis vom „Unkraut im Acker“ ist beachtenswert: Das zu den Volksmengen gesprochene Gleichnis zeigt ein Bündeln und Zusammenlesen der Bösen auf der Erde; sie erwartet das Gericht. Das zu den Jüngern gesprochene Gleichnis zeigt ein Zusammenlesen der Guten in Gefäße auf der Erde; sie warten auf ihren Herrn.

Natürlich wurden die Gläubigen auch zu Anfang der christlichen Ära in „Gefäße“ gebracht. Das ist nicht auf die Zeit des Endes beschränkt. Aber sie wurden nicht aus einem mit jeder Gattung gefüllten „Netz“ genommen. In den ersten Tagen der Christenheit fügte der Herr hinzu, die gerettet werden sollten (Apg 2,47). Sie kamen ausnahmslos aus der Welt, sei es aus der jüdischen oder der heidnischen Welt. Aber es war nicht eine christliche oder christianisierte Welt. Das machte die Sache verhältnismäßig einfach, obwohl auch damals schon falsche Brüder Eingang fanden. Heute jedoch ist das Netz praktisch voll, und gute Fische befinden sich neben schlechten. Sie alle bekennen sich zu Christus, ob zu Recht oder zu Unrecht, das ist die Frage. So ist besonderes geistliches Unterscheidungsvermögen notwendig, damit nur die guten in die Gefäße kommen. Wenn nun der Herr Jesus sagt: „... als es voll war", dann ist damit auch der Gedanke verbunden, daß es danach für die Christenheit nicht noch einmal ein „Netz“ gibt, das ihr Los wenden könnte. Wie ernst ist das!

Was die Engel tun

Die Szene, die mit Vers 49 vor unsere Augen tritt, hat nicht unmittelbar etwas mit dem Gleichnis selbst zu tun, denn das schließt mit Vers 48 ab. Aber es gefiel dem Herrn, ähnlich wie beim Gleichnis vom „Unkraut im Acker“, eine Erklärung anzufügen. Dort wie hier beschreibt Er darin das Gericht über die Gottlosen in der „Vollendung des Zeitalters". Aber nichts in Seinen Worten deutet daraufhin, daß sich das in Seiner Erklärung beschriebene Geschehen direkt an das im Gleichnis Gesagte anschließt, noch daß beides gar dasselbe bedeutet. Auch in Vers 30 hatte Er nicht von einem unmittelbar nachfolgenden Verbrennen des Unkrauts gesprochen. „Um es zu verbrennen" zeigt überdies nur die Absicht an, nicht aber die Ausführung des Gerichts, nämlich das „Werfen in den Feuerofen". So folgt auch hier auf das Auswerfen der schlechten Fische nicht unmittelbar die Ausführung des Gerichts. Jedenfalls läßt der Herr das völlig offen. Und daß beides verschiedene Szenen zu verschiedenen Zeiten sind, wird noch deutlicher, wenn wir näher auf die Einzelheiten eingehen.

Wie wir bereits gesehen haben, beschäftigen sich die Fischer in erster Linie mit den guten Fischen, den Gerechten. Sie sammeln sie in Gefäße. Mit den schlechten Fischen haben sie nichts weiter zu tun, als sie wegzuwerfen. In der Vollendung des Zeitalters jedoch wird etwas Entgegengesetztes geschehen: „Engel werden ausgehen und die Bösen aus der Mitte der Gerechten aussondern und sie in den Feuerofen werfen." Die Fischer hatten die guten Fische aus der Mitte der schlechten, der leblosen Bekenner, ausgesondert und sie in Gefäße getan. Die Engel dagegen sind nicht mit den Guten beschäftigt, sondern mit den Bösen. Sie sondern sie aus der Mitte der Gerechten aus und werfen sie schließlich in den Feuerofen. Sehen wir nicht deutlich, daß es sich um zwei verschiedene Szenen handelt?

Wir sollten daher die Worte des Herrn „So wird es in der Vollendung des Zeitalters sein" mit nachfolgender Erklärung nicht so deuten, als hätte Er gesagt: ,.Auf dieselbe Weise, wie im Gleichnis geschildert, wird es auch in der Vollendung des Zeitalters geschehen." Vielmehr leitet der Herr mit dem „So“ oder „Also“ auf das über, was Er nun noch sagen möchte, nämlich darauf, wie es in der Vollendung des Zeitalters sein würde: „Engel werden ausgehen ..." Dennoch besteht zwischen den Vorgängen im Gleichnis und in der Erklärung eine Parallele: Beide finden in letzten Tagen statt. Die Fischer entwickelten ihre Tätigkeit, als das Netz voll war, das heißt im Blick auf den Abschluß der Gnadenzeit. Die Engel werden in Aktion treten, wenn das Zeitalter vollendet ist, in dem das Reich der Himmel in einem Geheimnis besteht.

Beide Zeitpunkte oder Epochen sind jedoch nicht identisch. Wir müssen bedenken, daß das Reich der Himmel auch nach der Entrückung der Kirche seinen Fortgang nehmen wird. Auch dann wird es noch Heilige auf der Erde geben. Es wird sich dabei nicht mehr um Christen handeln, sondern um gläubige Juden und um Menschen aus den Nationen, die der Predigt vom Reich durch jüdische Abgesandte glauben werden. Das Buch der Offenbarung beschäftigt sich ab Kapitel 7 mit den verschiedenen Gruppen dieser Heiligen. Sie werden durch unvergleichliche Drangsale gehen müssen. Und aufweiche Weise wird der Herr sie von ihren Widersachern erretten? Dadurch, daß Er selbst, gefolgt von Seinen Heerscharen, aus dem Himmel kommt und ihre Feinde vertilgt (Kap. 19, uff). Daß dann die Engel die eigentlichen Ausführer des Gerichts sind, machen auch andere Stellen des Neuen Testaments klar (z.B. Mt 16,27; 2.Thes 1,7; Heb 1,7). Wenn die Heiligen auch die Welt, ja sogar Engel richten werden (1.Kor 6,2.3), so hat Gott doch die Ausführung Seiner Strafgerichte, die Er in Seiner Vorsehung und Regierung über die Erde bringen muß, nicht ihnen, sondern den Engeln anvertraut. So werden die Ungerechten aus der Mitte der Gerechten weggenommen und dem Gericht zugeführt werden. Die Gerechten aber werden in das Tausendjährige Reich eingehen und an dessen Segnungen teilhaben.

Wenn der Herr Jesus in Seiner großen prophetischen Rede in Matthäus 24 auf die Ankunft des Sohnes des Menschen zu sprechen kommt, zeigt Er dieselbe Ordnung auf: „Dann werden zwei auf dem Feld sein, einer wird genommen und einer gelassen; zwei Frauen werden am Mühlstein mahlen, eine wird genommen und eine gelassen" (Verse 40.41). Diejenigen, die „genommen" werden, werden im Gericht weggenommen, während die, die „gelassen" werden, für das Reich hiergelassen werden. Bei der vorher stattfindenden Entrückung der Heiligen wird es genau umgekehrt sein: Diejenigen, die entrückt werden, sind die Gläubigen, und sie gehen mit dem Heiland in das Haus Seines Vaters; die aber, die zurückbleiben, sind die Ungläubigen, und sie bleiben hier, um gerichtet zu werden.

Fassen wir am Schluß noch einmal die verschiedenen Parallelen, die zwischen dem Gleichnis vom „Unkraut im Acker“ und dem von dem „Netz und den Fischen“ bestehen, stichwortartig zusammen: ein Acker - ein Netz; Weizen - gute Fische; Unkraut - schlechte Fische; Weizen und Unkraut, gute und schlechte Fische - zuerst Seite an Seite, dann getrennt; in beiden die Vollendung des Zeitalters und die Engel als Ausfuhrende des Gerichts; das Zusammenlesen des Unkrauts - das Aussondern der Bösen; in beiden das endgültige Los im Feuerofen, wo das Weinen und das Zähneknirschen sein wird.

Wenn wir über diese ernsten Vorgänge nachdenken, dann wollen wir uns nicht mit einer möglichst genauen Auslegung zufriedengeben, sondern wir wollen die empfangenen Eindrücke auf unser Herz einwirken lassen. Und wir werden uns fragen müssen: Sind wir für die Ankunft des Herrn bereit? Ist uns bewußt, daß wir in dem letzten Abschnitt der Gnadenzeit leben? Sind wir besorgt um die, die den Herrn nicht kennen und das Weinen und das Zähneknirschen nicht fürchten? Verwirklichen wir die gottgemäße Absonderung von aller Art des Bösen? Gilt unsere besondere Zuneigung und unser Dienst auch denen, die drinnen sind? Alles, was der Herr geäußert hat, ist ja durchaus auch praktisch und nützlich sowohl für uns selbst als auch dafür, daß wir anderen nützlich sein können.

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