Erfahrungen und Gedanken eines (ehemaligen) Leistungssportlers (FMN)

Lesezeit: 8 Min.
Meine „Karriere“

März 1983: Endlich hatte ich es geschafft: mein erstes Training als „Leistungssportler“. Mehrere Jahre lang hatte ich versucht, meine Eltern zu überreden: Sie sollten mir die Möglichkeit geben, in einem Verein Sport zu treiben. Erst sollte es Handball sein. Später favorisierte ich Leichtathletik. Das war immerhin ein (vermeintlich) intelligenter Sport. Argumente dafür hatte ich mir zurechtgelegt. Hinzu kam: Als schwieriges, oft jähzorniges Kind war ich überhaupt nicht ausgeglichen. Da lag es nahe, über körperliche Anstrengungen einen Ausgleich zu schaffen. Außerdem schlug ich nachmittags meine Zeit bei mancher Langeweile tot, doppelt anstrengend für die Mutter. Natürlich versprach ich, dass der Sonntag heilig bleiben würde: keine Wettkämpfe. Irgendwann war mein Zetern zu penetrant, zu laut, mein Verhalten zu aggressiv: Ich durfte. Was für ein Jubelschrei. Endlich war ich einer dieser erfolgreichen Truppe von Athleten.

Frühsommer 1983: Ein Diener des Herrn hielt an meinem Heimatort Vorträge über die Bibel. Da er mit meinem Vater befreundet war, kam er am Montagabend zum Abendessen zu uns. Montag, Mittwoch, Freitag war Training. So kam ich verspätet dazu. Nach der Begrüßung fragte er mich: „Weißt du, was Paulus vom Sport gehalten hat, Manuel?“ – „Nein.“ – „Die leibliche Übung ist zu wenigem nützlich, die Gottseligkeit aber ist zu allen Dingen nützlich, da sie die Verheißung des Lebens hat, des jetzigen und des zukünftigen“ (1. Tim 4,8). „Hm …“ Ein erster Gedankenanstoß.

Juli 1983: Das Größte geschafft! Mit meinen Sportskameraden waren wir bei den Deutschen Meisterschaften in Elmshorn. Natürlich besuchte ich, wie versprochen, am Sonntag christliche Zusammenkünfte in Hamburg. Eine Alibi-Veranstaltung für mich?

September 1983: Mit der Schule ging es nach Berlin. Jugend trainiert für Olympia. Eine Woche lang. Hin ging es mit dem Flugzeug. Zurück – beim ersten Mal (!) noch montags. Am Sonntag war ich in Berlin wieder in den christlichen Zusammenkünften. Passte das zu der Gesellschaft, in der ich mich sonst befand? Am Samstag gingen wir alle ins Kino – „natürlich“ ein Film mit unmoralischen Inhalten …

September 1984/85: In den Jahren 84 und 85 ging es dann sonntags zurück. Das konnte ich ja nicht beeinflussen, so beruhigte ich mich. Immerhin machte ich keinen Wettkampf an Sonntagen.

Frühjahr 1983-Sommer 1987: Ich war Mitglied im Leichtathletik-Verein. Nach dem Wintertraining saßen wir zusammen, Jungen und Mädchen, und tranken Tee zusammen und quatschten über alles Mögliche. Ab 1985 saßen wir oft in Gastwirtschaften zusammen, Kneipen genannt, und tranken auch Alkohol. Viele Fahrten zu Wettkämpfen machten wir als Jungen und Mädchen zusammen. Bei zwei oder drei Mädchen wäre es zu „echten Freundschaften“ gekommen, wenn sie nicht gerade „in festen Händen“ gewesen wären. Ich las in dieser Zeit zwar morgens oft in meiner Bibel. Aber wehe, ein Training fiel aus “ dann war der Abend für mich gelaufen und ich hatte schlechte Laune. Ab 1985 trainierte ich 5-6 Mal die Woche. Ein Fragen nach dem Willen des Herrn gab es nicht. Ein Leben mit dem Herrn gab es – formal.

Sommer 1987: Derselbe Diener des Herrn (siehe oben) hielt Bibelvorträge in erreichbarer Nähe. Ich war den Sonntagnachmittag dort, und er sprach über ein biblisches Thema. Ich weiß heute nicht mehr, worüber genau. Es hatte mit Sport und Verein nichts zu tun. Aber eines weiß ich: Als ich dort saß, spürte ich: Die Botschaft ist für dich ganz persönlich. Du kannst nicht im Sportverein bleiben, das passt hinten und vorne nicht zu deinem Christsein. Aber ich wusste auch, als ich abends nach Hause fuhr: Wenn du nicht morgen die Kündigung im Verein einreichst, wird daraus nichts. Du musst dieses Bewusstsein sofort zur Tat werden lassen, sonst hast du keinen Mut und keine Kraft dafür. Ich weiß noch heute, wie ich ängstlich mit dem Fahrrad mittags zum Vereinshaus fuhr. Ich hoffte, dass mein Trainer, mit dem ich meist drei- bis viermal in der Woche zusammentraf, nicht vor Ort war. Und dann warf ich die Kündigung in den Briefkasten. Es war geschafft … Da ich Sport als Abiturfach hatte, konnte ich in diesem Zuge „abtrainieren", was nötig ist beim Leistungssport. Meine Trainingskollegen und sogar mein Trainer respektierten meine Entscheidung – vor ihrer Reaktion hatte ich echt Angst. Was mochten sie von mir denken?!

Gedankenanstöße

Meine Entscheidung, aus dem Verein und aus dem Leistungssport auszusteigen, habe ich bis heute nicht bereut. Dazu ein paar Anmerkungen zum Nachdenken:

  • Egoismus: Sport ist eine Betätigung, die zu Egoismus führt, wenn man sie leistungsorientiert ausübt. Im Einzelsport (wie z.B. Leichtathletik) ist das sowie klar, weil nur einer gewinnen kann, nur drei (bis sechs) Personen auf dem Treppchen stehen können. Und gerade dafür trainiert man. Im Mannschaftssport ist das letztlich auch nicht anders. Man muss sich gegen andere durchsetzen, um möglichst Stammspieler zu sein. Nur wenige schaffen es von da aus in eine höhere Auswahlmannschaft oder in ein besseres Team. Egoismus ist das Gegenteil von Liebe, wo man das Wohl des anderen sucht. Es gibt im Neuen Testament eine Merkmalsliste, die mit der Ichsucht angeführt wird. Man findet sie in 2. Timotheus 3, wo der geistliche Zustand der (Namens-)Christen in der heutigen Zeit in warnender Weise beschrieben wird: „Dies aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten eintreten werden; denn die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig … undankbar, unheilig …“ (Verse 1-5).
  • Vereins-Welt: Vereine gehören zu dem, was in der Bibel „Welt“, Zeitlauf und Ähnliches genannt wird. 1 Das ist der Bereich unter der Herrschaft des Teufels. Es ist sein System. Diese Welt ist böse und steht unter dem Gerichtsurteil Gottes. Das wissen wir, weil der Heilige Geist auf der Erde ist und damit der Herr Jesus, von dieser Welt verworfen, im Himmel sein muss (Joh 16,7-11). Der Herr Jesus sagt in diesen Versen ausdrücklich, dass das Gerichtsurteil über diese Welt ausgesprochen ist, allerdings noch nicht vollzogen. Zu dieser Welt gehört auch die kulturelle Welt, wozu der Sport zählt. Wer sich im Verein engagiert, macht gemeinsame Sache mit dieser Welt und mit denjenigen, die Sklaven des Teufels sind.
  • Freundschaften: Bis heute staune ich über die Gnade Gottes, dass er mich davor bewahrt hat in dieser Zeit, eine Freundschaft mit einem (ungläubigen) Mädchen einzugehen. Die Gelegenheiten waren da, aber Gott hat immer einen Riegel vorgeschoben. „Der Mund fremder Frauen ist eine tiefe Grube; wem der Herr zürnt, der fällt hinein“ (Spr 22,14). Gottes Barmherzigkeit hat mich vor moralischen Fehltritten (Hurerei) bewahrt. Aber darauf kann man sich nicht verlassen, gerade wenn man um diese Gefahr weiß. Ich kenne solche, die „gefallen“ sind. Als Sportler ist man für eine bestimmte Personengruppe besonders attraktiv. Und die Nähe zum anderen Geschlecht bei vielen Wettkämpfen, wo man sich häufig „hautnah“ und näher erlebt, ist äußerst gefährlich. „Flieht die Hurerei“ (1.Kor6,18) heißt, den größtmöglichen Bogen um diese Gefahren zu machen.
  • Vergänglichkeit: Was ist das Motiv, Leistungssport und dann auch noch in einem Verein zu betreiben? Ruhm und Ehre?! Der Ruhm vor Menschen ist sehr kurzlebig. Selbst bei Profisportlern hat man die meisten nach kurzer Zeit wieder vergessen. Wer kennt noch die deutschen Olympiasieger des Jahres 2000, 2004? Davon spricht bereits der Apostel Paulus: „Jeder aber, der kämpft, ist enthaltsam in allem; jene freilich, damit sie eine vergängliche Krone empfangen, wir aber eine unvergängliche“ (1. Kor 9,25). Selbst wenn man den Sport ohne „bleibende negative Folgen“ betrieben hat, so war das alles für vergängliche Siege. In den Himmel nehme ich davon nicht eine einzige Medaille mit. Jeder Sieg bleibt hier zurück. Und was, wenn es doch mit bleibenden Folgen verbunden war? Das Streben nach Anerkennung und Ruhm, das Trainieren des Egoismus und des Größer-Sein-Wollens? Dann hat Gott – in Ehrfurcht gesagt – viel Mühe mit mir, um das aus meinem Leben wieder zu entfernen. Heute noch, wo ich dem Herrn Jesus dienen möchte, frage ich mich gelegentlich: Tust du das jetzt aus altem Sportsgeist heraus, oder geschieht das wirklich mit einer reinen Gesinnung?
  • Zeiteinsatz: Wie viel Zeit vergeude ich mit diesem Leistungssport? Natürlich, ich kann auch auf andere Weise Zeit verplempern (Smartphone, „Zocken“, usw.). Diese vergeudete Zeit ist unwiederbringlich verloren. Ich verbringe diese Zeit in Gemeinschaft mit Ungläubigen. Und diese Gemeinschaft habe ich mir aktiv ausgesucht! „Welches Teil hat ein Gläubiger mit einem Ungläubigen?“ (2. Kor 6,15). Besser ist es, Zeit für den Herrn Jesus und zusammen mit Gläubigen zu nutzen. Zum Beispiel, um Ungläubige für den Herrn Jesus zu gewinnen. Ein Leben in Gemeinschaft mit Ihm und im Dienst für Ihn kann man nicht mit Leistungssport und Vereinstätigkeit verbinden. Zeugnis ablegen in einem solchen Umfeld ist unglaubwürdig, wenn mein Leben nicht durch konsequente Nachfolge hinter dem Herrn Jesus her geprägt ist.
  • Gesundheit: Leistungssport hat auch eine gesundheitliche Komponente. Wie viele Leistungssportler haben ihre Gesundheit ruiniert. Dazu gehören nicht nur Turner und Fußballspieler! Gott hat unseren Körper nicht dafür ausgestattet, unnötige, extreme Belastungen auszuhalten. Auch wenn wir in dieser Frage nicht extrem sein wollen, sollten wir bedenken: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles ist nützlich … Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euer selbst seid? Denn ihr seid um einen Preis erkauft worden; verherrlicht nun Gott in eurem Leib“ (1.Kor 6,12-20). Wir sind vor Gott dafür verantwortlich, gewissenhaft mit unserem Körper umzugehen. Denn unser Leib ist uns „zu treuen Händen“ anvertraut worden, um darin Gott zu verherrlichen.
  • Sucht: Für mich ist der Sport eine Sucht und wie ein Götze gewesen. Es war eine echte Gebundenheit. Wenn ein Training ausfiel, war mein Tag „gelaufen“. Wie soll ich das bewerten? Hier hilft 1. Korinther 6,12 weiter: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles ist nützlich. Alles ist mir erlaubt, aber ich will mich von keinem beherrschen lassen.“ Sich beherrschen zu lassen ist eine Gebundenheit, die einer Art von Sklaverei gleicht. Der Apostel Petrus zeigt, dass jede Sklaverei (außer der, ein Sklave Christi zu sein), das Kennzeichen von Ungläubigen ist: „Denn von wem jemand überwältigt ist, diesem ist er auch als Sklave unterworfen“ (2. Pet 2,19). Das zeigt, dass jede Sucht Sünde ist - auch die Sucht, Sport zu treiben (oder anhören, ansehen zu „müssen“).
  • Gläubige Vorbilder: Gelegentlich hört man, dass es doch sogar im Profisport beeindruckende Vorbilder gebe. Jürgen Klopp beispielsweise, ehemaliger Trainer von Borussia Dortmund und aktuell Coach des FC Liverpool, ist Christ. Auch andere Fußballspieler und Spitzensportler sind aktive Christen. Aber die Tatsache, dass sich andere Christen für Leistungs- oder Profisport entschieden haben, bedeutet nicht, dass wir ihnen blind darin folgen sollten. Wir müssen selbst danach fragen, was Gott über einen solchen Weg denkt. Ohne uns über diese Christen zu stellen oder sie verurteilen zu wollen, müssen wir die Sache als solche beurteilen. Und da gilt für jeden persönlich: „Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit“ (2. Tim2,19). Nicht nur Doping ist böse. Die Ziele, das Umfeld, die Organisationen und die Durchführung des Spitzensports sind mit christlichen Werten und biblischer Lebensweise unvereinbar. Daran ändern auch solche (scheinbar nachahmenswerten) Vorbilder nichts.

Resümee

Wenn dir jemand den Hinweis gibt, dass Leistungssport für Christen kein Betätigungsfeld ist, dann sei dankbar dafür. Dem erwähnten Diener des Herrn bin ich bis heute sehr dankbar. Gott konnte ihn dafür benutzen, mein Leben entscheidend zu verändern. Solche Hilfe wünsche ich auch dir von Herzen – väterliche Freunde sind ein großer Segen.

Vielleicht fragst du dich trotzdem: Ist diese Haltung zum Sport nicht überspannt? Ich habe versucht, auf der Basis der Bibel zu argumentieren. Meine eigenen Erfahrungen haben diese Aussagen für mich bestätigt, obwohl Gottes Wort solche Erfahrungsbestätigungen nicht nötig hat. Nein, sich bewusst vom Vereins- und Leistungssport fernzuhalten ist nicht überspannt, sondern konsequent. Einen solchen Herzensentschluss wünsche ich dir. Er kann dein (geistliches) Leben retten.

Folge mir nach – Heft 2/2017

Fußnoten

  • 1 Es geht um Vereine, durch die man sich vergnügt, sich weltlichen Tätigkeiten hingibt oder die kulturelle, politische bzw. religiöse Interessengruppen darstellen. Ganz anders ist es beispielsweise bei gemeinnützigen Vereinen, die der Verbreitung des Evangeliums dienen. Manchmal ist es notwendig, im Blick auf die medizinische Versorgung (z. B. Multiple Sklerose) in bestimmten Vereinen Mitglied zu sein. Darauf beziehe ich mich hier nicht. Man kann wohl auch einen Unterschied zwischen einer aktiven Mitgliedschaft mit viel Zeitaufwand und Einsatz sehen und einer passiven Mitgliedschaft, durch die man etwa bei einer Autopanne versichert ist. Zum Thema „Verein“ gibt es im Jahr 2009, Heft 4, S. 20 einen ausführlichen Artikel.
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